JudikaturJustiz8ObS8/17k

8ObS8/17k – OGH Entscheidung

Entscheidung
20. Dezember 2017

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten Prof. Dr. Spenling als Vorsitzenden, die Hofrätin Dr. Tarmann-Prentner und den Hofrat Hon. Prof. Dr. Brenn als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Stefan Schlick und Günter Hintersteiner in der Sozialrechtssache der klagenden Parteien 1. J***** W*****, 2. S***** Z*****, beide vertreten durch Hofbauer Nokaj Rechtsanwalts GmbH in Ybbs an der Donau, gegen die beklagte Partei IEF Service GmbH, Geschäftsstelle St. Pölten, 3100 St. Pölten, Daniel-Gran-Straße 8–12, vertreten durch die Finanzprokuratur, 1011 Wien, Singerstraße 17–19, wegen 1.) 5.128,80 EUR und 2.) 7.433,60 EUR sA (Insolvenz Entgelt), über die außerordentliche Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 30. Mai 2017, GZ 7 Rs 108/16b 16, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO iVm § 2 Abs 1 ASGG).

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Ob das atypische Verhalten des Arbeitnehmers eines insolventen Arbeitgebers einem Fremdvergleich standhält oder ob es den zumindest bedingten Vorsatz zu der Verlagerung des Finanzierungsrisikos auf den Insolvenzfonds indiziert, ist eine Frage des Einzelfalls, die – von Fällen krasser Fehlbeurteilung durch die zweite Instanz abgesehen – die Zulässigkeit der Revision nicht rechtfertigen kann (RIS Justiz RS0111281 [T10]).

Ein Ausnahmefall liegt hier nicht vor. Der erkennende Senat hat in der Entscheidung 8 ObS 3/16y (die Ansprüche der anderen beiden Angestellten desselben insolventen Dienstgebers betraf) festgehalten, dass der Arbeitnehmer verpflichtet ist, im Falle einer ungewöhnlichen (atypischen) Vertragsgestaltung zu Lasten des Insolvenz-Entgelt-Fonds geeignete und zumutbare Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Nimmt der Dienstnehmer diese Situation in einer einem Fremdvergleich nicht standhaltenden Weise bewusst in Kauf, ist die Überwälzung des Finanzierungsrisikos auf den Insolvenz Entgelt Fonds grundsätzlich als rechtsmissbräuchlich zu beurteilen.

Auch im hier zu beurteilenden Fall haben die Kläger anstelle einer Änderungskündigung (die das Arbeitsverhältnis im Fall des Einverständnisses des Arbeitnehmers aufrecht lässt) eine formale Beendigung ihrer Dienstverhältnisse bei gleichzeitiger lückenloser Fortsetzung derselben Tätigkeit auf Grundlage neuer Dienstverträge zugestimmt. Da feststeht, dass diese Vorgangsweise gewählt wurde, um die Beendigungsansprüche fällig zu stellen und zwecks Sanierung des Unternehmens auf den Insolvenz-Entgelt-Fonds zu überwälzen, ferner dass die Kläger diese Gestaltung zu Lasten des Fonds zumindest mit bedingtem Vorsatz in Kauf genommen haben, ist die rechtliche Beurteilung der Vorinstanzen nicht korrekturbedürftig.

Die Argumentation der Revision übersieht, dass die Alternative der Kläger zur gewählten Vertragskonstruktion nicht der sichere Arbeitsplatzverlust gewesen wäre (zumal sie alle weiterhin im schuldnerischen Familienbetrieb arbeiten), sondern die für das Unternehmen günstigere, weil keine Beendigungsansprüche nach sich ziehende (echte) Änderungskündigung. Das Erstgericht hat entgegen den Revisionsausführungen auch geprüft, ob die Kläger unter einer besonderen Drucksituation standen, die es ihnen unmöglich gemacht hätte, mit dem Arbeitgeber darüber zu verhandeln. Es konnte nicht nur eine solche Drucksituation nicht feststellen, sondern im Gegenteil ein einvernehmliches Vorgehen aller vier Angestellten mit dem Geschäftsführer an dem Plan, Kosten auf die Beklagte abzuwälzen.

Mangels einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO war die Revision der Kläger zurückzuweisen.