JudikaturJustiz8ObS12/17y

8ObS12/17y – OGH Entscheidung

Entscheidung
20. Dezember 2017

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Spenling als Vorsitzenden, die Hofrätin Dr. Tarmann Prentner und den Hofrat Hon. Prof. Dr. Brenn sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Stefan Schlick und Günter Hintersteiner als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei S***** E*****, vertreten durch Mag. Doris Braun, Rechtsanwältin in Graz, gegen die beklagte Partei IEF Service GmbH, *****, wegen Insolvenzentgelt (2.287 EUR), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen vom 5. Oktober 2017, GZ 7 Rs 20/17s 19, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO iVm § 2 Abs 1 ASGG).

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Das Berufungsgericht hat sich mit den Argumenten der Klägerin, die in der außerordentlichen Revision wiederholt werden, ausführlich auseinandergesetzt und ist dabei von den zutreffenden Rechtsgrundsätzen ausgegangen. Dementsprechend steht das erzielte Ergebnis mit der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs im Einklang und erweist sich als nicht korrekturbedürftig.

2.1 Gemäß § 1 Abs 2 IESG sind nur aufrechte, nicht verjährte und nicht ausgeschlossene Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis gesichert, wobei die geltend gemachten Ansprüche einer in Abs 2 leg cit normierten Anspruchskategorie zuordenbar sein müssen (8 ObS 9/03m; 8 ObS 6/11g). In Bezug auf – auch hier gegenständliche – Schadenersatzansprüche hat der Oberste Gerichtshof wiederholt ausgesprochen, dass gemäß § 1 Abs 2 Z 2 IESG auch derartige Ansprüche nur dann gesichert sind, wenn sie aus dem Arbeitsverhältnis resultieren. Dementsprechend sind keine Ansprüche erfasst, die vor dem vorgesehenen Arbeitsbeginn, etwa aus einem davor liegenden unberechtigten Rücktritt vom Arbeitsvertrag, entstehen. Auch die Sicherungsfähigkeit von Schadenersatzansprüchen setzt demnach voraus, dass sie aus dem Vollzug des Arbeitsverhältnisses resultieren. Zudem muss der Schadenersatzanspruch aus der Verletzung einer Haupt oder Nebenpflicht des Arbeitsverhältnisses ableitbar sein. Dementsprechend sind nur jene Ansprüche gesichert, die mit den ein Arbeitsverhältnis kennzeichnenden Haupt und Nebenpflichten in einem solchen Zusammenhang stehen, dass davon ausgegangen werden kann, die Ansprüche hätten ihren Entstehungsgrund im Arbeitsverhältnis. Dies ist etwa dann nicht der Fall, wenn der Anspruch aus einem gesonderten, außerhalb des Arbeitsverhältnisses gelegenen Verpflichtungsgrund abgeleitet wird (8 ObS 6/11g; 8 ObS 1/15b).

2.2 Dieses Ergebnis folgt zwingend aus dem Zweck des IESG. Dieser besteht nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs in einer sozialversicherungsrechtlichen Sicherung von Entgeltansprüchen und sonstigen aus dem Arbeitsverhältnis erwachsenden Ansprüchen von Arbeitnehmern im Fall der Insolvenz ihres Arbeitgebers. Versichertes Risiko ist demnach im Kernbereich die von den Arbeitnehmern typischerweise nicht selbst abwendbare und absicherbare Gefahr des gänzlichen oder teilweisen Verlustes ihrer Entgeltansprüche, auf die sie typischerweise zur Bestreitung des Lebensunterhalts angewiesen sind (RIS Justiz RS0076409; 8 ObS 1/15b; 8 ObS 17/16g).

2.3 Die Rechtslage ist eindeutig. Die Überlegungen der Klägerin, wonach bei einer diskriminierenden Nichtbegründung eines Arbeitsverhältnisses eine Begründung zu unterstellen sei und wonach die Grundsätze für materielle (Vermögens )Schäden nicht auch für immaterielle Schäden gelten würden, sind ergebnisorientiert und nicht stichhaltig.

3.1 Die Klägerin kann sich auch nicht erfolgreich auf die Insolvenzrichtlinie 2008/94/EG berufen. Nach Art 1 Abs 1 gilt die Richtlinie für Ansprüche von Arbeitnehmern aus Arbeitsverträgen oder Arbeitsverhältnissen gegen Arbeitgeber, die zahlungsunfähig sind. Auch die Richtlinie setzt damit einen bereits abgeschlossenen Arbeitsvertrag bzw ein schon begründetes Arbeitsverhältnis voraus. Dementsprechend normiert Art 3 leg cit, dass die Mitgliedstaaten die erforderlichen Maßnahmen treffen, damit – vorbehaltlich des Art 4 – die Garantieeinrichtungen die Befriedigung der nicht erfüllten Ansprüche der Arbeitnehmer aus Arbeitsverträgen und Arbeitsverhältnissen sicherstellen. Die gesicherten Ansprüche sind die nicht erfüllten Ansprüche auf Arbeitsentgelt und gegebenenfalls auf eine Abfindung bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Nach Art 2 Abs 2 leg cit lässt die Richtlinie das einzelstaatliche Recht zu den Begriffen „Arbeitnehmer, Arbeitgeber, Arbeitsentgelt, erworbenes Recht und Anwartschaftsrecht“ unberührt (vgl 8 ObS 4/14t). Beim „Arbeitsentgelt“ handelt es sich nach österreichischem Recht um das „laufende Entgelt“, das ein Synallagma zu den vom Arbeitnehmer tatsächlich erbrachten Arbeitsleistungen voraussetzt (vgl 8 ObS 5/03y).

3.2 Was die Klägerin aus Art 2 Abs 3 der Richtlinie (wonach der Schutz nicht von einer Mindestdauer des Arbeitsvertrags oder Arbeitsverhältnisses abhängig gemacht werden darf) ableiten will, ist nicht ganz verständlich, weil in ihrem Fall ein Arbeitsverhältnis gar nicht begonnen hat.

3.3 Der von der Klägerin angesprochene effektive Rechtsschutz bei Verwirklichung eines Diskriminierungstatbestands betrifft das Verhältnis zum Verletzer. Aufgrund der besonderen Zweckbestimmung des IESG ist allerdings zwischen allgemein zivilrechtlicher, arbeitsrechtlicher, insolvenzrechtlicher und IESG rechtlicher Beurteilung streng zu unterscheiden (8 ObS 4/17x).

3.4 Die von der Klägerin ins Treffen geführten verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen – wie schon das Berufungsgericht zutreffend dargelegt hat – nicht.

4. Von dem von der Klägerin in der außerordentlichen Revision angesprochenen Auffangtat bestand nach § 1 Abs 2 Z 3 IESG werden nur solche Ansprüche erfasst, die ihrer Art nach nicht zu den Entgelt- oder Schadenersatzansprüchen zählen (8 ObS 6/11g).

5. Insgesamt vermag die Klägerin mit ihren Ausführungen keine erhebliche Rechtsfrage aufzuzeigen. Die außerordentliche Revision war daher zurückzuweisen.