JudikaturJustiz8ObA94/22i

8ObA94/22i – OGH Entscheidung

Entscheidung
23. Februar 2023

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Tarmann Prentner und den Hofrat Dr. Stefula als weitere Richter und die fachkundigen Laienrichter Mag. Andreas Mörk (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Sylvia Zechmeister (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Mag. R* N*, vertreten durch die Haider/Obereder/Pilz Rechtsanwält:innen GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei W* GmbH, *, vertreten durch die CMS Reich Rohrwig Hainz Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Handlung, über die ordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 24. Oktober 2022, GZ 10 Ra 47/22p 18, womit das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichts Wien vom 29. November 2021, GZ 5 Cga 44/21g-12, bestätigt wurde, zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass das Urteil lautet:

„Das Klagebegehren, die beklagte Partei sei verpflichtet, die klagende Partei iSd § 18 TAG angemessen zu beschäftigen und sie in den Vorstellungs- und Probeplan des *orchesters aufzunehmen und an den für Solo Cellisten vorgesehenen Orchesterproben aktiv teilnehmen zu lassen und zu den Vorstellungen des *orchesters als Solo-Cellist zu besetzen und einzusetzen, wird abgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 2.096,64 EUR (darin 349,44 EUR USt) bestimmten Kosten des Verfahrens erster Instanz und die mit 2.177,52 EUR (darin 362,92 EUR USt) bestimmten Kosten des Verfahrens zweiter Instanz zu ersetzen.“

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 1.568,52 EUR (darin 261,42 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

[1] Der Kläger ist Musiker. Er steht in einem aufrechten, unstrittig dem Theaterarbeitsgesetz (TAG) unterliegenden Arbeitsverhältnis zur Beklagten. Er wird bereits seit längerem nicht in dem aus dem Spruch ersichtlichen Orchester der Beklagten eingesetzt. Mit seiner Klage verfolgt er seinen Anspruch nach § 18 Abs 1 TAG auf Beschäftigung.

[2] Die Beklagte erhob verschiedene Einwendungen, unter anderem, dass selbst bei Annahme einer Verletzung des Beschäftigungsrechts nach § 18 Abs 1 TAG durch die Beklagte der Anspruch auf Beschäftigung nicht unmittelbar einklagbar sei, sondern die Rechtsverletzung den Kläger nur berechtigen würde, nach den Vorschriften des § 18 Abs 2 und 3 TAG auszutreten und nach diesen Vorschriften Vergütung und Schadenersatz zu verlangen.

[3] Das Erstgericht gab der Klage statt. Es traf über den eingangs genannten unstrittigen Sachverhalt hinausgehend umfangreiche Feststellungen. Dabei stellte es (disloziert in der Beweiswürdigung) auch fest, dass es für den Kläger nicht möglich ist, lediglich bei Proben des *orchesters, nicht jedoch bei Aufführungen mitzuspielen, da Proben nur für eine bestimmte Aufführung durchgeführt werden und kein Dirigent zustimmen würde, dass jemand nur zu Übungszwecken mitprobt. Rechtlich nahm es den Standpunkt ein, der Kläger habe aufgrund der Feststellungen ein Recht auf Beschäftigung iSd § 18 Abs 1 TAG und dass er dieses auch unmittelbar gerichtlich geltend machen könne.

[4] Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil. Es ließ die ordentliche Revision mangels Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage zu, ob und bejahendenfalls unter welchen Voraussetzungen und in welchem Ausmaß ein Mitglied (§ 1 Abs 1 TAG) sein Recht auf Beschäftigung iSd § 18 Abs 1 TAG durchsetzen könne.

[5] Gegen das Berufungsurteil richtet sich die wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobene Revision der Beklagten mit einem auf Klageabweisung gerichteten Abänderungsantrag.

[6] Der Kläger beantragt in seiner Revisionsbeantwortung die Zurückweisung des Rechtsmittels, hilfsweise diesem den Erfolg zu versagen.

Rechtliche Beurteilung

[7] Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig . Sie ist auch berechtigt .

[8] 1. Gemäß seinem § 1 Abs 1 gilt das am 1. 1. 2011 in Kraft getretene Theaterarbeitsgesetz (TAG, BGBl I 2010/100) „für das Arbeitsverhältnis von Personen (Mitglieder), die sich einem/einer Theaterunternehmer/in zur Leistung künstlerischer Arbeiten in einem oder mehreren Kunstfächern zur Aufführung von Bühnenwerken verpflichten (Bühnenarbeitsvertrag)“.

[9] Die mit „Recht auf Beschäftigung“ überschriebene Vorschrift des § 18 TAG lautet:

§ 18 (1) Der/Die Theaterunternehmer/in ist verpflichtet, das Mitglied angemessen zu beschäftigen. Bei Beurteilung der Angemessenheit der Beschäftigung ist auf den Inhalt des Vertrages, die Eigenschaften und Fähigkeiten des Mitgliedes und die Art der Führung des Betriebes Bedacht zu nehmen.

(2) Wenn es der/die Theaterunternehmer/in trotz wiederholter Aufforderung ohne wichtigen Grund unterlässt, das Mitglied angemessen zu beschäftigen, kann das Mitglied den Vertrag vorzeitig auflösen und eine angemessene Vergütung begehren, die der/die Richter/in nach billigem Ermessen feststellt, die aber den Betrag der festen Bezüge eines Jahres nicht übersteigen darf. Ein Mitglied, dessen Arbeitsverhältnis noch mindestens fünf Jahre gedauert hätte, kann überdies eine Entschädigung in dem gleichen Betrag verlangen, jedoch nur unter Anrechnung dessen, was es im zweiten Jahr nach der Vertragsauflösung infolge Unterbleibens der Arbeitsleistung erspart oder durch anderweitige Verwendung erworben oder absichtlich zu erwerben versäumt hat.

(3) Die Auflösung ist jedoch nur dann zulässig, wenn das Mitglied dem/der Theaterunternehmer/in schriftlich eine entsprechende Frist zur Nachholung der angemessenen Beschäftigung erteilt hat und diese Frist fruchtlos abgelaufen ist.

[10] Vorläuferbestimmung des § 18 TAG war § 21 des mit 31. 12. 2010 außer Kraft getretenen Schauspielergesetzes (SchSpG, BGBl 1922/441). § 18 TAG weicht von § 21 SchSpG nur unwesentlich in der Terminologie ab („Theaterunternehmer[in]“ statt „Unternehmer“). Ebenso enthielt § 1 Abs 1 SchSpG eine im Wesentlichen § 1 Abs 1 TAG entsprechende Bestimmung.

[11] 2. Nach gefestigter Rechtsprechung besteht abseits ausdrücklicher gesetzlicher Anordnungen (zB § 18 TAG) kein allgemeines Recht auf Beschäftigung. Nur in Ausnahmefällen wurde bestimmten Arbeitnehmern, bei denen das Brachliegen ihrer Fähigkeiten zwangsläufig zu einem Qualitätsverlust und zur Minderung des Niveaus führt, ein solches, sich aus der Natur des abgeschlossenen Arbeitsvertrags ergebendes Recht auf Beschäftigung zuerkannt (8 ObA 12/21d [Rz 1] mwN).

[12] 3. Dass der Gesetzgeber abweichend vom allgemeinen Arbeitsrecht in § 21 SchSpG bzw § 18 TAG ein Recht auf Beschäftigung verankerte, liegt zum einen zu Grunde, dass der Arbeitnehmer („Mitglied“ iSd § 1 Abs 1 TAG/SchSpG sowie der zitierten Gesetzesvorschriften) für sein Fortkommen darauf angewiesen ist, sich dem Publikum präsentieren zu können (Begründung oder Erhaltung eines Rufs). Zum anderen drohte bei Fehlen eines angemessenen tatsächlichen Einsatzes, dass sich die künstlerischen Fähigkeiten des Arbeitnehmers nicht fortentwickeln oder dass sie sogar verlorengehen ( Mayer-Mallenau/Prey , Das Bundesgesetz über den Bühnendienstvertrag [1923] 26; Mayer-Mallenau , Das Recht auf Beschäftigung, GZ 1923 [Sondernummer FS Schey], XI [XII]; Klemperer , Das Schauspielergesetz [1924] 22; aus jüngerer Zeit zB A. Schwarz , Historische Entwicklung und aktueller Stand des Schauspielerrechts [2005] 127).

[13] 4. Ob das im Gesetz statuierte „Recht auf Beschäftigung“ auch unmittelbar einklagbar ist, oder bei dessen Verletzung der Arbeitnehmer auf die in Abs 2 und 3 des § 21 SchSpG bzw nunmehr § 18 TAG vorgesehenen Rechte beschränkt ist, ist vom Obersten Gerichtshof bislang nicht entschieden worden. Die Frage wurde in 9 ObA 137/06x explizit offen gelassen. In 9 ObA 112/19i (= DRdA 2020/50 [ Kozak ]) scheiterte ein Sicherungsantrag des Arbeitnehmers, es ihm wieder zu ermöglichen, im Theaterunternehmen der Beklagten uneingeschränkt zu arbeiten, bereits an der fehlenden Bescheinigung eines unwiderbringlichen Schadens. In 9 ObA 100/06f war ein auf die Teilnahme an Trainingseinheiten abzielender Sicherungsantrag eines Baletttänzers am fehlenden Vorbringen für das Vorliegen eines aufrechten Bühnendienstverhältnisses iSd § 1 Abs 1 SchSpG gescheitert. In beiden Fällen musste der Oberste Gerichtshof auf die hier strittige Frage nicht eingehen.

[14] In der Literatur ist die Einklagbarkeit des Rechts auf Beschäftigung nach dem SchSpG/TAG seit langem umstritten:

[15] 4.1. Es überwiegt die Ansicht, dass das Beschäftigungsrecht nach § 21 SchSpG bzw § 18 TAG selbst nicht einklagbar sei ( Mayer-Mallenau/Prey aaO 29 [in FN 10]; Mayer-Mallenau aaO XIII; Klemperer aaO 22; Chilf/Markovics , Das Schauspielergesetz [1952] 63; Adler/Höller in Klang 2 V [1954] 246; Kapfer/Bündsdorf , Schauspielergesetz [1974] 81; Hodik , Auswirkungen des Entwurfes eines Sozialgerichtsgesetzes auf das Bühnenrecht, ZAS 1983, 170 [171]; Mayer-Maly/Marhold , Österreichisches Arbeitsrecht I [1987] 147; Resch , Anmerkungen zur arbeitsrechtlichen Beschäftigungspflicht, DRdA 1991, 424 [431]; A. Schwarz/Berger/Veigl/Pernegger , Darstellende Berufe [2005] 54; A. Schwarz aaO 126; Urleb , Arbeitsrechtliche Fragen des Schauspielergesetzes [2009] 98 f; Scherff , Theaterarbeitsgesetz [2014] 78 f; Brodil/Gruber-Risak , Arbeitsrecht in Grundzügen 11 [2022] Rz 243).

[16] Dies wird zumeist damit begründet, dass das SchSpG bzw TAG als Rechtsfolge der Verletzung der Pflicht zur Beschäftigung nur die Vertragsauflösung und den Vergütungs- und Schadenersatzanspruch nenne (idS Mayer Mallenau aaO XIII; Klemperer aaO 22; Mayer Maly/Marhold aaO 147; Urleb aaO 99 f). Zudem wird mit der Unzweckmäßigkeit einer Klage auf tatsächliche Beschäftigung argumentiert. Klagte sich ein Arbeitnehmer „hinein“, so drohte, dass zB der Dirigent sich so verhalte, dass der Arbeitnehmer bei der Aufführung scheitere und das Ziel der Vorschrift, dass der Arbeitnehmer sich vor dem Publikum beweise, nicht erreicht würde. So könnte, ohne dass ihm dies nachweisbar wäre, ein Dirigent so dirigieren, dass der ihm aufgezwungene Tenor „abstürze“ ( Hodik aaO 171; iglS A. Schwarz aaO 126 samt FN 219 und Urleb aaO 99 [in FN 352]). Im Übrigen sei die Auswahl der Darsteller eine der Freiheit der Kunst nach Art 17a StGG unterliegende Entscheidung des Dirigenten bzw des Regisseurs. Inhalt des Engagements am Theater sei regelmäßig nicht bereits die konkrete Rollenverteilung, diese treffe typischerweise der Regisseur bzw Dirigent frei. Das Bühnenmitglied solle daher im Regelfall eine konkrete Rolle nicht durch Gerichtsurteil erlangen können. Die an den Gesetzgeber gerichtete verfassungsrechtliche Pflicht zur Rechtsgüterabwägung bei Grundrechtseingriffen habe das SchSpG (nunmehr TAG) „durch eine sehr zweckmäßige Regelung gut gemeistert“ ( Resch aaO 431; zust Urleb aaO 99).

[17] 4.2. Nach der Gegenansicht (vertreten von: Strasser , Das Recht des Dienstnehmers auf Beschäftigung, ÖJZ 1954, 60 [64]; W. Schwarz , Die Beschäftigungspflicht im Arbeitsverhältnis, in FS Floretta [1983] 415 [421 f]; Reissner , Hobbysportler, Arbeitnehmer oder freier Dienstnehmer – Rechtsbeziehungen von Sportlern aus arbeitsrechtlicher Sicht, in Reissner , Sport als Arbeit [2008] 1 [38]; A. Hollaender/Tettinek , Bühnenrecht [2009] 81; Kozak/Balla/Zankel , Theaterarbeitsgesetz 2 [2011] Rz 463 ff; Worsch , Besonderheiten im Theaterarbeitsrecht [2018] 75 f) kann unmittelbar auf Beschäftigung geklagt werden. Dem Argument, das Gesetz nenne als Rechtsfolgen der Verletzung des Rechts auf Beschäftigung nur Austritt, Vergütung und Schadenersatz, wird entgegnet, man könne ganz allgemein Erfüllung verlangen, wenn der Vertragspartner seine Pflicht –  hier: zur Beschäftigung des Arbeitnehmers  – nicht erfülle, und dass dies keiner besonderen Regelung bedürfe ( Strasser aaO 64; W. Schwarz aaO 422; Kozak/Balla/Zankel aaO Rz 468). Zudem liefe der Ausschluss des Erfüllungsanspruchs dem Normzweck, dass sich der Arbeitnehmer beweisen könne, zuwider ( Kozak/Balla/Zankel aaO Rz 467). Die Freiheit der Kunst stehe der Einklagbarkeit nicht entgegen, denn habe der Arbeitgeber einen wichtigen Grund, den Arbeitnehmer nicht zu beschäftigen, so bestehe e contrario § 18 Abs 2 TAG ohnehin kein Recht auf Beschäftigung ( Kozak/Balla/Zankel aaO Rz 470 f). Da die Verkürzung der Chancen zufolge Verletzung der Beschäftigungspflicht kaum exakt messbar sei, habe der Gesetzgeber eine angemessene Vergütung und besondere Entschädigung festgelegt, der auch ein immaterielles bzw pönales Element innewohne. Gerade dieses Spezifikum „vermag nicht auszuschließen, dass der Arbeitgeber wohl primär zu erfüllen hat, also seiner Beschäftigungspflicht nachkommen muss“ ( W. Schwarz aaO 422).

5. Der Senat hat erwogen:

[18] 5.1. Hat ein Dienstnehmer ein Recht auf Beschäftigung, so ist dieses grundsätzlich auch einklagbar (vgl zB jeweils zu Chirurgen 9 ObA 2263/96a = ASoK 1997, 66 [ Rotter ] und 8 ObA 202/02t = DrdA 2003/47 [ Mazal ]; eingeschränkt zu einem Profifußballer 9 ObA 121/06v = DrdA 2007/49 [ Brodil ] = SpuRt 2007, 161 [ Resch ] = ZAS 2008/12 [ Thomas ]). Die Besonderheit des § 18 TAG liegt darin, dass hier der Gesetzgeber sowohl ein Recht auf Beschäftigung als auch bestimmte Rechtsfolgen von dessen Verletzung – Recht auf Austritt, Vergütung und Schadenersatz – normierte. Damit stellt sich die Frage, ob § 18 TAG insoweit e silentio keinen Erfüllungsanspruch auf das Recht auf Beschäftigung enthält.

[19] 5.2. § 18 Abs 2 TAG ermöglicht es dem Mitglied (§ 1 Abs 1 TAG), bei (qualifizierter) Verletzung seines Rechts auf Beschäftigung den Vertrag vorzeitig aufzulösen (Recht auszutreten). Dieser besondere Auflösungsgrund ermöglicht es dem Mitglied nach der Rechtsprechung, möglichst rasch ein anderes Engagement eingehen zu können, um den für künstlerische Berufe notwendigen Bekanntheitsgrad aufrecht zu erhalten. Nur im Falle seines Austritts kann das Mitglied die in § 18 Abs 2 TAG (bzw vormals § 21 Abs 2 SchSpG) genannte besondere Vergütung beanspruchen (9 ObA 137/06x).

[20] Eine vermögensrechtliche gerichtliche Auseinandersetzung wegen Verletzung des Rechts auf Beschäftigung ist damit insoweit der Zeit nach Beendigung des Dienstverhältnisses vorbehalten. Dies ist als Indiz zu werten, dass bei aufrechtem Dienstverhältnis zur Wahrung des Rechtsfriedens am Theater keine gerichtliche Auseinandersetzung über das Recht auf Beschäftigung stattfinden soll.

[21] 5.3. Nach Art 17a StGG sind das künstlerische Schaffen, die Vermittlung von Kunst sowie deren Lehre frei. Der Kunstbegriff dieser Vorschrift erfasst unter anderem auch die darstellende Kunst und die Musik (vgl 8 ObA 15/08a = RS0123328). Vom Schutzbereich des Grundrechts der Freiheit der Kunst erfasst ist auch der Wirkbereich, also die kommunikative Vermittlung eines Kunstwerks an ein Publikum oder an die Öffentlichkeit, etwa durch Aufführungen (VfGH V 86/2021 [Pkt 2.5.3]). Auch der Betrieb eines Theaterunternehmens dient in aller Regel künstlerischen Zwecken (9 ObA 107/17a unter Übernahme der berufungsgerichtlichen Beurteilung).

[22] Nach der Rechtsprechung ist es zur Verfolgung dieser künstlerischen Zwecke sachlich gerechtfertigt, dem Theaterunternehmer – etwa beim Engagement von Künstlern oder der Wahl aufzuführender Bühnenwerke – die Fällung von Entscheidungen zu ermöglichen, die seiner Einschätzung nach künstlerisch richtig und wichtig sind (9 ObA 107/17a unter Übernahme der berufungsgerichtlichen Beurteilung). Auch nach dem Engagement eines Mitglieds (§ 1 Abs 1 TAG/SchSpG) endet aber nicht die künstlerische Freiheit des Theaterunternehmers. Sie erfasst ebenso dessen Entscheidung, welche Mitglieder an einer Aufführung sodann tatsächlich mitwirken. Die Annahme, ein Mitglied hätte ein einklagbares Recht auf Beschäftigung, bedeutete eine Einschränkung dieser Entscheidung des Theaterunternehmers bzw jener Person, die für ihn die Entscheidung tatsächlich trifft, sei es der Regisseur, der Dirigent oder eine sonstige Person wie ein „künstlerischer Direktor“ (vgl Berka in Pfeffer / Rauter , Handbuch Kunstrecht 2 [2020] Rz 6.33).

[23] 5.4. Zur Frage, ob das Recht auf Beschäftigung eines Profifußballers auch den Einsatz in der Kampfmannschaft umfasst, hat der Oberste Gerichtshof in 9 ObA 121/06v entschieden, dass die Aufnahme in die Kampfmannschaft nicht nur von den fußballerischen Leistungen des Spielers, sondern auch von sportlichen Überlegungen der Vereinsleitung abhänge und dass dieser „weitestgehende Autonomie in der Wahl der Taktik sowie der Spielanlage der Mannschaft und damit in der Mannschaftsaufstellung zukommen muss“, sodass das Recht des Berufsfußballspielers auf Beschäftigung in diesem Sinne einzuschränken sei. Die Literatur stimmte dem zu (zB Brodil , DrdA 2007, 482 und Resch , SpuRt 2007, 164; iglS zuvor bereits Schrammel , Berufssportgesetz – Probleme und Lösungsansätze, in Karollus/Achatz/Jabornegg , Aktuelle Rechtsfragen des Fußballsports II [2001] 27 [39] mwN; Firlei , Versetzung eines Profifußballers zu den Amateuren, DrdA 2003, 183 [187 f]; Brodil , Recht auf Beschäftigung – Möglichkeit und Grenzen, in Grundei/Karollus , Aktuelle Rechtsfragen des Fußballsports IV [2006] 47 [55 f]). Wenn ein Fußballverein frei entscheiden kann, wer bei ihm in einem Meisterschafts- oder Turnierspiel tatsächlich zum Einsatz kommt, muss dies wohl auch für die unmittelbar in den Schutzbereich des Art 17a StGG fallende Entscheidung des Theaterunternehmers gelten, welches Mitglied an einer Aufführung tatsächlich teilnimmt.

[24] Das in der Literatur vorgetragene Argument, die Freiheit der Kunst stehe der Einklagbarkeit nicht entgegen, denn habe der Arbeitgeber einen wichtigen Grund, den Arbeitnehmer nicht zu beschäftigen, so bestehe e contrario § 18 Abs 2 TAG ohnehin kein Recht auf Beschäftigung, übersieht, dass zwar kein „wichtiger Grund“ (§ 18 Abs 2 TAG) vorliegen kann, ein Mitglied nicht mitwirken zu lassen, zumal dieses für die Aufführung durchaus die notwendigen Fähigkeiten besitzt, dass aber dennoch – aus künstlerischen Gründen – zB der Dirigent oder Regisseur die Mitwirkung einer anderen Person präferiert.

[25] 5.5. Sollte es von einer Gerichtsentscheidung abhängen, ob ein Mitglied an Aufführungen teilnimmt, so wäre es aufgrund der Aufnahme der Kunstfreiheit in den Grundrechtskatalog des StGG mit BGBl 1982/262 zu erwarten gewesen, bei Erlassung des TAG, BGBl I 2010/100, in § 18 TAG ausdrücklich zu normieren, dass das Mitglied sein Recht auf Beschäftigung gerichtlich geltend machen kann. Das Argument, vom Gesetz zuerkannte Ansprüche seien regelmäßig einklagbar, weshalb es keiner Normierung dessen, dass das Recht auf Beschäftigung einklagbar sei, bedurft habe, ist nicht zwingend. Trotz ausdrücklicher Einräumung eines Rechts durch das Gesetz kann dieses andere Rechtsfolgen vorsehen (vgl im Übrigen etwa zur im Lichte des Familienfriedens fehlenden gerichtlichen Einforderbarkeit des in § 137 Abs 1 ABGB normierten Rechts auf familiären Beistand 6 Ob 29/09x [Pkt 3.5]; RS0009634 [T4]). Es liegt auf der Hand, dass die Mitwirkung eines Mitglieds an einer Aufführung nicht aufgrund einer künstlerischen, sondern alleine einer Gerichtsentscheidung für die künstlerische Qualität derselben von Nachteil sein kann. Einer „von außen aufoktroyierten“, gerade nicht von den eigentlich zur Entscheidung, wer mitwirken darf, künstlerisch in diesem Betrieb Befugten (Dirigent, Regisseur, künstlerischer Direktor) getroffenen Entscheidung droht – wie bereits in der Literatur dargestellt – die fehlende Akzeptanz von anderen an der Aufführung Beteiligten. Dies könnte der künstlerischen Gestaltung abträgliche „Unruhe“ in das an der Aufführung mitwirkende Ensemble bringen. Dass der Wortlaut des § 18 TAG über die Einklagbarkeit des Rechts auf Beschäftigung nichts aussagt, sondern andere Konsequenzen festlegt, deutet aus den genannten Gründen darauf hin, dass die unmittelbare Einklagbarkeit vom Gesetzgeber wohl nicht beabsichtigt war.

[26] 5.6. Nicht zuletzt fällt gegen den anderslautenden klägerischen Standpunkt ins Gewicht, dass der Gesetzgeber durch (nunmehr) § 18 TAG eine ohne Annahme eines einklagbaren Beschäftigungsrechts durchaus in sich stimmige Regelung traf. Nimmt man keine solche Einklagbarkeit an, so kann das Recht auf Beschäftigung erst nach Austritt des Arbeitnehmers – als Vorfrage für von diesem erhobene Ansprüche auf Vergütung und Schadenersatz – Gegenstand eines Gerichtsverfahrens sein. Weil das Beschäftigungsverhältnis nicht mehr besteht ist gewährleistet, dass das Gerichtsverfahren das Zusammenspiel im Theaterunternehmen nicht negativ beeinflussen kann. Weil das ehemalige Mitglied an Vergütung und Schadenersatz bis zum Doppelten der festen Bezüge eines Jahres begehren kann, ist gewährleistet, dass es, sieht es sich einer qualifizierten Verletzung seines Rechts auf Beschäftigung ausgesetzt, eher früher als später seinen Austritt erklärt, um möglichst rasch ein anderes Engagement einzugehen (9 ObA 137/06x). Je rascher das Mitglied sich für ein neues Engagement entscheidet, desto geringer ist die Gefahr, dass es aufgrund längeren Nichtspielens auf der Bühne oder im Orchester Fähigkeiten zu verlernen droht oder sein Ruf zufolge Absenz leidet.

[27] 5.7. Der Senat schließt sich aus diesen Gründen der Ansicht an, dass das Recht auf Beschäftigung nach § 18 Abs 1 TAG selbst nicht gerichtlich einklagbar ist.

[28] Zumal nach den Feststellungen hier Probe und Aufführung nicht getrennt werden können, erfasst die Uneinklagbarkeit auch das Begehren auf Teilnahme an den Proben.

[29] Es war daher der Revision Folge zu geben und das Urteil der Vorinstanzen zur Gänze im klageabweisenden Sinn abzuändern.

[30] 6. Die Entscheidungen über die Kosten gründen sich auf § 41 ZPO, hinsichtlich der Verfahren zweiter und dritter Instanz iVm § 50 ZPO. Die Kosten der Beklagten für deren Schriftsatz vom 28. 5. 2021 und für deren Teilnahme an der (Provisorial-)Verhandlung vom 9. 6. 2021 wurden bereits mit – dem Sicherungsantrag unangefochten abweisenden – Beschluss vom 20. 6. 2021 rechtskräftig bestimmt. Der Streitwert für das nachfolgende Verfahren betrug – wie vom Kläger zutreffend eingewendet – nur 24.000 EUR. Der ERV Zuschlag für die Berufung und die Revision beträgt jeweils 2,10 EUR (RS0126594).