JudikaturJustiz8ObA6/17s

8ObA6/17s – OGH Entscheidung

Entscheidung
27. Januar 2017

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Spenling als Vorsitzenden und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Tarmann Prentner und Dr. Weixelbraun-Mohr sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Christoph Kainz und Mag. Canan Aytekin Yildirim als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei M*****, vertreten durch Mag. Thomas Mödlagl, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei S*****, vertreten durch Mag. Dieter Kieslinger, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung des aufrechten Dienstverhältnisses, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 25. November 2016, GZ 9 Ra 49/16s 16, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird gemäß § 2 ASGG, § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Die Frage, ob ein Verhalten die Kriterien der sexuellen Belästigung nach § 6 Abs 2 GlBG erfüllt, ist einzelfallbezogen und begründet in der Regel, außer bei krasser Fehlbeurteilung, keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO (8 ObA 73/13p; RIS-Justiz RS0113529 [T5]). Gleiches gilt für die Frage, ob eine sexuelle Belästigung im konkreten Fall die Entlassung des Belästigers rechtfertigt, oder ob andere Abhilfemaßnahmen des Dienstgebers (etwa eine Versetzung) ausreichend sind (9 ObA 64/04h).

2. Der hier zu beurteilende Fall ist dadurch gekennzeichnet, dass der Kläger und seine Arbeitskollegin einander schon jahrelang kannten, dass sie einen freundschaftlichen Umgang pflegten und dass es vereinzelt auch private Kontakte – der Kläger hatte Reparaturarbeiten und ähnliche Hilfsdienste für die Kollegin bei ihr daheim verrichtet – gegeben hatte. Ein im Zuge der privaten Kontakte vom Kläger unternommener – völlig indiskutabler – Annäherungsversuch, den die Kollegin zurückgewiesen hatte, lag Jahre zurück und ist für dieses Verfahren nicht von Relevanz. In den letzten, von freundschaftlichem Umgang geprägten Jahren hat der Kläger die Kollegin wiederholt zur Begrüßung umarmt und sie einmal auf den Mund geküsst. Es ist nicht erwiesen, dass die Arbeitskollegin, der dies lästig war, jemals dem Kläger deutlich zu erkennen gab, dass sie dieses Verhalten nicht wollte. Eine weitere, von einem Kuss begleitete Umarmung des Klägers führte sodann zu einer Beschwerde der Kollegin bei einem Vorgesetzten, was wiederum die Entlassung des Klägers zur Folge hatte.

Das Berufungsgericht verwies darauf, dass von einer sexuellen Belästigung erst dann die Rede sein kann, wenn für den Belästiger erkennbar ist, dass sein Verhalten für die betroffene Person unerwünscht ist, wobei an das ablehnende Verhalten der betroffenen Person keine zu hohen Ansprüche gestellt werden dürfen ( Hopf/Mayr/Eichinger , GlBG § 6 Rz 25 f mwN). Da hier für den Kläger die Unerwünschtheit seines Verhaltens nicht erkennbar gewesen sei, sei sein Verhalten nicht als sexuelle Belästigung zu werten.

Auch wenn man diese Einschätzung nicht teilt und mit der Revision davon ausgeht, dass der Kläger bei gehöriger Aufmerksamkeit sehr wohl hätte erkennen können, dass sein Verhalten unerwünscht war, bleibt die Frage, ob unter den gegebenen Umständen das Verhalten des Klägers ausreicht, um den von der Beklagten geltend gemachten Entlassungsgrund zu verwirklichen. Das Berufungsgericht hat dies unter Hinweis auf die besonderen Umstände des Falls verneint. Damit hat es den ihm offenstehenden Ermessensspielraum nicht überschritten, sodass von einer unvertretbaren Fehlbeurteilung, die die Zulässigkeit der Revision rechtfertigen könnte, nicht gesprochen werden kann.

3. Für den von der Beklagten erstmals im Rechtsmittelverfahren unter Hinweis auf § 45 VBO 1995 ins Treffen geführten Kündigungsgrund des § 42 Abs 2 Z 5 VBO 1995 kann unter den gegebenen Umständen nichts anderes gelten.