JudikaturJustiz8ObA100/03v

8ObA100/03v – OGH Entscheidung

Entscheidung
30. Oktober 2003

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Rohrer und Dr. Kuras sowie durch die fachkundigen Laienrichter Dr. Ernst Galutschek und Herbert Bernold als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Dr. Edmund Roehlich, Rechtsanwalt, 1030 Wien, Am Heumarkt 9/1/11, als Masseverwalter im Konkurs der E***** KEG, vertreten durch Proksch Partner OEG, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Hubert O*****, Arbeiter, *****, vertreten durch Dr. Herbert Holzinger, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung (Streitwert EUR 568,34), infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 13. Juni 2003, GZ 8 Ra 67/03m-14, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung:

Unstrittig ist, dass dem Beklagten aus seinem Arbeitsverhältnis zur Gemeinschuldnerin aufgrund eines rechtskräftigen Zahlungsbefehls des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien brutto EUR 2.511,70 zustehen und dies einem Nettobetrag von EUR 1.984,36 entspricht. Im über das Vermögen der Gemeinschuldnerin eröffneten Konkursverfahren meldete der Beklagte eine Forderung in Höhe von EUR 2.551,70 im Wesentlichen aufgrund des vollstreckbaren Zahlungsbefehls sowie eines Kostentitels an. Im Zahlungsbefehl wird diese Summe aus verschiedenen einzeln aufgelisteten Bruttoforderungen errechnet. Im Anmeldungsverzeichnis wurde - wie auch bei anderen Dienstnehmern der Gemeinschuldnerin - in der Anmerkungsspalte festgehalten, dass eine titulierte Brutto forderung angemeldet wurde. Weiters wurde festgehalten, dass die Forderung mit EUR 1.984,36 festgestellt und im Umfang von EUR 568,34 (vom Masseverwalter) bestritten wurde.

Der klagende Masseverwalter begehrte die Feststellung, dass die in Höhe von EUR 2.552,7 angemeldete Konkursforderung nur mit einem Teilbetrag von EUR 1.984,36 zu Recht, die darüber hinausgehenden EUR 568,34 hingegen nicht zu Recht bestehen. Der Sachverhalt sei vollkommen unstrittig. Der Beklagte habe sich geweigert, seine angemeldete Forderung um EUR 568,34 einzuschränken, sodass dem Masseverwalter keine andere Möglichkeit bleibe, als die Feststellung des Nichtbestehens der Forderung in diesem Umfang zu begehren. Der Beklagte hätte sich bei der Anmeldung seiner Forderung auf die Nettobeträge beschränken müssen. Ansonsten entstünde die rechtliche Situation, dass im Anmeldeverzeichnis eine höhere titulierte Forderung aufscheine als dem Beklagten tatsächlich zustehe, weil ja die Lohnnebenkosten von den entsprechenden öffentlichen Stellen selbst angemeldet würden und sohin im Umfang der vom Dienstgeber zu tragenden Lohnnebenkosten Doppelanmeldungen vorlägen.

Der Beklagte vertrat die Auffassung, er sei berechtigt, auch im Konkurs den Bruttobetrag geltend zu machen. Ein Bruttobegehren und das diesem entsprechende Nettobegehren seien als ident anzusehen. Der Masseverwalter habe den der Bruttoforderung entsprechenden Nettobetrag anerkannt, womit die angemeldete Forderung in Wahrheit gar nicht zum Teil bestritten, sondern vielmehr vollinhaltlich anerkannt sei.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es sei unstrittig, dass Arbeitnehmer ihre Forderungen mit dem Bruttobetrag anmelden könne. In der Geltendmachung einer Bruttoforderung werde die Absicht deutlich, nur den um die gesetzlichen Abzüge verminderten Betrag für sich selbst in Anspruch zu nehmen. Es liege daher keine teilweise Doppelanmeldung vor, wenn diese Abzugsposten ihrerseits von den dazu berechtigten Gläubigern angemeldet werden.

Das Berufungsgericht gab der gegen diese Urteil erhobenen Berufung nicht Folge. Brutto- und Nettobetrag seien als identisch aufzufassen ebenso die im Leistungsprozess und danach im konkursrechtlichen Prüfungsprozess geltend gemachten Forderungen. Auch im Konkurs könne der Arbeitnehmer Brutto- oder Nettobetrag anmelden. Bei der Geltendmachung von Bruttobeträgen seien im Rahmen der Verteilung die Lohnabgaben zugunsten der Abgabenverwaltung bzw der Sozialversicherung zu berücksichtigen. Die ordentliche Revision erachtet das Berufungsgericht mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO als nicht zulässig.

Die dagegen erhobene außerordentliche Revision des Klägers ist nicht zulässig.

Rechtliche Beurteilung

Der Oberste Gerichtshof hat in seiner Entscheidung vom 10. 9. 2003 zu 9 ObA 100/03a in einer vom selben Masseverwalter im selben Konkurs zu den gleichen Rechtsfragen erhobenen Revision bereits wie folgt Stellung bezogen:

“Der klagende Masseverwalter vertritt die Rechtsauffassung, nur im Falle nicht titulierter Arbeitnehmerforderungen sei die Anmeldung eines Bruttobetrages im Konkurs unbedenklich. Aus der zwingenden konkursrechtlichen Bestimmung des § 110 Abs 2 KO ergebe sich jedoch, dass eine titulierte bestrittene Forderung binnen der vom Konkursgericht gesetzten Frist vom Bestreitenden mit negativer Feststellungsklage bestritten werden müsse, widrigens sie als festgestellt gelte. Das vorliegende Problem stelle sich nur, wenn die vom Dienstnehmer im Konkurs angemeldete Bruttoforderung tituliert ist. In diesem Fall seien nicht nur die dem Dienstnehmer selbst zustehenden Nettoansprüche, sondern auch die Differenz zwischen Netto-und Bruttobetrag titulierte und als solche angemeldete Konkursforderungen. Das Unterlassen einer Bestreitung im Umfang des Differenzbetrages würde zu Doppelanmeldungen und Verfälschungen des Konkursergebnisses führen, sofern die Krankenkassen und Finanzämter ihre eigenen Forderungen selbst anmelden.

Dieser Rechtsauffassung ist nicht zu folgen. Es entspricht ganz herrschender Judikatur, dass ein Dienstnehmer nicht nur berechtigt ist, den Bruttolohn klageweise geltend zu machen (RIS-Justiz RS0000636), sondern dass auch für die Anmeldung von Arbeitnehmerforderungen im Konkurs keine anderen Anforderungen zu stellen sind, als an die klageweise Geltendmachung in einem außerhalb eines Konkurses geführten Rechtsstreit, sodass auch die Anmeldung von Bruttobeträgen zulässig ist (RZ 1991/30, WBl 1992, 125). Soweit ein im Prozess geltend gemachter Bruttobetrag einem im Konkurs angemeldeten Nettobetrag entspricht bzw diesen nicht übersteigt, ist Identität der Begehren im Sinne des § 110 Abs 1 Satz 2 KO gegeben (SZ 67/133, 8 ObA 311/95). An dieser Identität der Begehren kann sich nun entgegen der Auffassung des Revisionswerbers nichts dadurch ändern, dass über die klageweise geltend gemachte Bruttoforderung bereits ein rechtskräftiger Titel vorliegt, was lediglich zu einer Verschiebung der Parteirollen im Prüfungsprozess führt.

Dass der Beklagte seine (Kapital-)Forderung in seiner Anmeldung hinreichend deutlich als Bruttoforderung geltend gemacht hat, wird im Revisionsverfahren gar nicht mehr bestritten. Es kann daher mit dem Hinweis darauf sein Bewenden haben, dass spätestens in der Prüfungstagsatzung durch Aufnahme des entsprechenden Vermerkes in der Anmerkungsspalte in Verbindung mit dem unmissverständlichen Titel eine hinreichende Klarstellung erfolgt ist. Die Anmeldung einer Forderung im Konkurs mit einem Bruttobetrag ist nun im Allgemeinen dahin zu interpretieren, dass damit nur der um gesetzlichen Abzüge verminderte (Netto-)Betrag in Anspruch genommen wird. Es liegt daher keine teilweise Doppelanmeldung vor, wenn diese Abzugsposten ihrerseits von den dazu berechtigten Gläubigern angemeldet werden (zuletzt 9 ObA 27/03s unter Hinweis auf Konecny in Konecny/Schubert , Rz 3 zu § 103 KO mwN) ....”.

Darauf ist der Kläger zu verweisen. Wie der Kläger ja auch selbst ausführt hat die “brutto” angemeldete Forderung bei der Auszahlung an den Arbeitnehmer eben wirtschaftlich nur den Wert des Nettobetrages. Ein Begehren auf Auszahlung des gesamten Bruttobetrages unmittelbar an den Arbeitnehmer ist damit nicht verbunden. Auch im Konkurs sind an die Geltendmachung von Arbeitnehmerforderungen keine anderen Anforderungen zu stellen als bei einem außerhalb des Konkurses geführten Rechtsstreit (vgl schon OGH 14, 7, 1994 8 ObA 283/94 = ARD 4618/30/05; RIS-Justiz RS0065662), sodass eben auch die Geltendmachung der Bruttoforderung zulässig ist (vgl RIS-Justiz RS0000636 mwN).