JudikaturJustiz8Ob649/87

8Ob649/87 – OGH Entscheidung

Entscheidung
22. Oktober 1987

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Stix als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Vogel, Dr. Kropfitsch und Dr. Zehetner als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Brigitte K***, Ärztin, 2331 Vösendorf, Klausengasse 3-5/3/12, vertreten durch Dr. Gottfried Korn, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Margareta G***, Angestellte, 1130 Wien, Anatourgasse 35, vertreten durch Dr. Josef Wegrostek, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung (S 500.000,--), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 22. Juni 1987, GZ 15 R 77/87-17, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 24. Februar 1986, GZ 52 Cg 39/85-7, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Klägerin ist schuldig, der Beklagten die mit S 15.874,65 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin die Umsatzsteuer von S 1.443,15) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin, der mit Beschluß des Bezirksgerichtes Mödling vom 27. Dezember 1984, 1 A 377/83-51, die Klägerrolle zugewiesen worden war, begehrte gegenüber der Beklagten die Feststellung, daß das schriftliche Testament vom 8. September 1977 (richtig 18. September 1977) des am 16. September 1983 verstorbenen Roman R*** ungültig sei, und daß der Klägerin aufgrund des mündlichen Testamentes vom 12. September 1982 das Erbrecht zur Hälfte des gesamten Nachlasses des Verstorbenen zustehe.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Es sei der Wunsch des Erblassers gewesen, daß sie aufgrund des schriftlichen Testamentes vom 18. September 1977 Erbin bleibe. Ein rechtswirksames mündliches Testament sei nicht errichtet worden. Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es ging von folgenden Feststellungen aus:

Roman R*** verfaßte am 7. September 1971 ein eigenhändig geschriebenes und unterschriebenes Testament, in welchem er seine Zwillingsschwester Eva Maria T*** als Universalerbin vorbehaltlich des Pflichtteiles zugunsten seines Sohnes Roman R*** aus der geschiedenen Ehe mit Heide R*** einsetzte. Der Inhalt dieses Testamentes wurde in der Familie, das heißt in Gegenwart der Eva Maria T***, deren Gatten Alexander, des Erblassers und der Beklagten gesprochen. Am 18. September 1977, als die Lebensgemeinschaft zwischen Roman R*** und der Beklagten noch aufrecht war, errichtete dieser nun zugunsten der Beklagten ein eigenhändig geschriebenes und unterschriebenes Testament. Zwischenzeitlich hatte Roman R*** die Klägerin kennengelernt, welche spätestens im Sommer 1982 zu ihm nach Hennersdorf in das Haus, welches er mit seiner Zwillingsschwester bewohnte, zog. Am 12. September 1982 fanden die Feierlichkeiten zur goldenen Hochzeit der Eltern des Roman R*** statt. Nach der Feier in der Kirche fuhren Roman R*** und seine Angehörigen in den Prater, wo eine Tafel im Lusthaus für den engsten Familienkreis vorbereitet war. Zuerst saßen die 4 Geschwister an der Tafel gegenüber ihren Eltern. "Da es eher selten vorkam, daß alle vier Geschwister auf einmal versammelt waren, unterhielten sie sich miteinander". Sie standen dabei etwas abseits von der Tafel vor dem Buffet. Roman R*** erzählte von seinem Urlaub und den beobachteten Unfällen. Unter diesem Eindruck erklärte er gesprächsweise, es solle für den Fall, daß ihm etwas zustößt, alles der Klägerin gehören und sie sollten für die Klägerin sorgen.

Diese Erklärung erfolgte gesprächsweise - wenn auch in ernstem Ton - und war bestimmt. Die Zeugen Karl Rainer R***, Rudolf R*** und Eva Maria T*** hatten der Erklärung zugehört, wobei die Zeugin T*** Roman R*** noch aufmerksam machte, daß er dies schriftlich fixieren sollte.

Den drei Geschwistern war nicht bewußt, Zeugen der Errichtung eines mündlichen Testamentes zu sein.

Nach dem Tod des Erblassers führte Eva Maria T*** ein Telefonat mit der Beklagten, in welchem sie diese vom Begräbnistermin verständigte und außerdem wissen wollte, ob ein anderes als das am 7. September 1971 errichtete Testament existiere, von welchem Zeitpunkt dieses Testament stamme und welchen Inhalt es habe. Sie teilte der Beklagten weiters ihre Sorgen mit, daß, falls das zu ihren Gunsten verfaßte Testament als das ältere nicht gültig sei, nun doch des Erblassers Sohn aus seiner geschiedenen Ehe mit Heide R*** Erbe sei. Der Beklagten gegenüber erwähnte T*** kein mündliches Testament. Roman R*** blieb auch nach Auflösung der Lebensgemeinschaft mit der Beklagten befreundet, auch als sie Wolfgang G*** heiratete.

Anläßlich der am 28. Oktober 1983 erfolgten Todfallsaufnahme wurden lediglich ein bei den Rechtsanwälten Dr. Ofner/Dr. Schmautzer hinterlegtes Testament und eine letztwillige Anordnung zugunsten der ehemaligen Lebensgefährtin erwähnt. Am 10. November 1983 wurde das schriftliche Testament vom 18. September 1977 zugunsten der Beklagten kundgemacht. Anläßlich der Schätzung vom 15. Dezember 1983 gab Eva Maria T*** dem Notar gegenüber an, daß ein mündliches Testament vom 12. September 1982 existiere, und nannte vier Zeugen, darunter Ing. Gert G***, ihren Lebensgefährten.

Rechtlich war das Erstgericht der Ansicht, daß Roman R*** zwar am 12. September 1982 über das von den Zeugen erwähnte Thema ernst gesprochen, aber keine Testierabsicht gehabt habe. Dieses Gespräch sei ursprünglich von den Zeugen gar nicht als Testament aufgefaßt worden. Es fehle daher an der Voraussetzung der Gültigkeit eines mündlichen Testamentes im Sinne des § 585 ABGB.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge. Diese Entscheidung wurde vom Revisionsgericht im ersten Rechtsgang aufgehoben. Auch im zweiten Rechtsgang gab das Berufungsgericht der Berufung der Klägerin nicht Folge und bestätigte wiederum das Urteil des Erstgerichtes. Das Gericht zweiter Instanz sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 300.000,-- übersteigt. Es verwarf die Verfahrensrüge der Klägerin, die sich über die unterlassene Einvernahme des Ing. G*** als Zeugen beschwerte und hielt ihr die eingehend begründete Feststellung des Erstgerichtes entgegen, daß den drei Geschwistern des Roman R*** nicht bewußt war, Zeugen der Errichtung eines mündlichen Testamentes zu sein. Diese Feststellung werde dadurch entscheidend erhärtet, daß Eva Maria T*** Roman R*** empfahl, seinen Wunsch schriftlich festzulegen, also ein Testament zugunsten der Klägerin (erst) zu machen. Die Empfehlung bestätige die Feststellung des Erstgerichtes, daß der Erblasser lediglich gesprächsweise erwähnte, daß alles der Klägerin gehören solle, falls ihm etwas zustoße. Ausgehend von den getroffenen Feststellungen, wonach die Erklärung des Roman R*** nur gesprächsweise erfolgte und den drei Geschwistern nicht bewußt war, Zeugen der Errichtung eines mündlichen Testamentes zu sein, habe es sich bei der Erklärung des Roman R*** vom 18. September 1977 nicht um die Errichtung eines gültigen mündlichen Testaments handeln können.

Gegen die Entscheidung des Gerichtes zweiter Instanz richtet sich die Revision der Klägerin aus den Anfechtungsgründen des § 503 Abs 1 Z 2, 3 und 4 ZPO mit dem Antrag, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, daß dem Klagebegehren stattgegeben werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Beklagte beantragt in der Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Die Revisionsgründe der Mangelhaftigkeit des berufungsgerichtlichen Verfahrens und der Aktenwidrigkeit des Berufungsurteiles liegen nicht vor. Dies ist nicht näher zu begründen (§ 510 Abs 3 ZPO).

In der Rechtsrüge setzt sich die Klägerin eingehend damit auseinander, wie die Erklärung des Erblassers und die Mitwirkung der Zeugen beschaffen sein müssen, um die Annahme eines mündlichen Testamentes zu rechtfertigen. Die Ausführungen münden dahin, daß die Vorinstanzen nicht zu der Feststellung gelangen hätten dürfen, daß sich die Zeugen der Zeugeneigenschaft nicht bewußt waren. Dem ist zu erwidern:

Zur Gültigkeit eines mündlichen Testamentes ist gemäß § 585 ABGB die Absicht des Erblassers erforderlich, vor den Zeugen seinen letzten Willen zum Ausdruck zu bringen; diese Personen müssen der letzten Willenserklärung im Bewußtsein ihrer Zeugeneigenschaft beiwohnen (NZ 1979, 174; SZ 32/120; SZ 18/46; 1 Ob 707/80; 1 Ob 621/83 ua; Weiß in Klang2 III 323 f., Koziol-Welser5 II, 279). Die Frage des Bewußtseins einer Person, als Zeuge einer letztwilligen Verfügung anwesend zu sein, ist eine im Revisionsverfahren unüberprüfbare Tatsachenfeststellung (7 Ob 801/82; 5 Ob 638/82; 1 Ob 621/83; NZ 1969, 126; RZ 1967, 90; Fasching Komm. IV 333; vgl. auch Welser in Rummel ABGB, Rdz 11 zu §§ 552, 553).

Demnach sind alle Ausführungen der Revision, die an den dargelegten Grundsätzen vorbeigehen oder sie negieren, nicht stichhältig. Die Vorinstanzen haben übereinstimmend festgestellt, daß den drei Kindern des Erblassers, als sie mit diesem gemeinsam etwas abseits von der Tafel vor dem Buffet im Lusthaus des Praters gesprächsweise von dessen für den Todesfall geäußerten Absichten vernahmen, nicht bewußt war, Zeugen der Errichtung eines mündlichen Testamentes zu sein. Dies wäre aber eine unabwendbare Voraussetzung für das Zustandekommen eines gültigen mündlichen Testamentes gewesen. Es braucht daher auf die weiteren Ausführungen dahin, daß es das Berufungsgericht auch unterlassen habe, über die Testierabsicht des Erblassers entsprechende Feststellungen zu treffen, nicht mehr eingegangen zu werden, weil die Klärung dieser Frage im Hinblick auf die mangelnde Zeugeneigenschaft der Kinder des Erblassers nicht mehr relevant ist.

Der Revision war somit der Erfolg zu versagen.

Der Kostenausspruch beruht auf §§ 41, 50 ZPO.