JudikaturJustiz8Ob248/66

8Ob248/66 – OGH Entscheidung

Entscheidung
13. September 1966

Kopf

SZ 39/142

Spruch

Die Bürgschaft eines Minderjährigen ist bei unverhältnismäßig schwerer Belastung seines Einkommens ungültig

Entscheidung vom 13. September 1966, 8 Ob 248/66

I. Instanz: Handelsgericht Wien; II. Instanz: Oberlandesgericht Wien

Text

Die klagende Partei hat auf Grund des Wechsels vom 1. März 1966 gegen Erich P. und Renate W. einen Wechselzahlungsauftrag über 4800 S s. A. erwirkt. Nur die Zweitgenannte erhob Einwendungen dahin, daß sie den Wechsel nur aus Gefälligkeit als Bürge unterfertigt und keine Darlehensvaluta erhalten habe und infolge ihrer Minderjährigkeit nicht selbständig verpflichtungsfähig gewesen sei.

Das Erstgericht hat den Wechselzahlungsauftrag hinsichtlich der Renate W. aufgehoben. Außer Streit stand, daß der Wechselbegebung - richtig offenbar der Wechselannahme - ein Kreditvertrag zwischen der Klägerin und Erich P. zugrunde gelegen sei, mit dem dieser sich verpflichtet habe, der Klägerin einen Betrag von 4800 S in sechs Monatsraten a 800 S ab 15. März 1966 zurückzuzahlen. Die Beklagte sei diesem Darlehensvertrag als Bürge beigetreten. Das Erstgericht stellte ferner fest, daß die Beklagte am 1. Juli 1946 geboren und bei der Post- und Telegraphendirektion für Wien, NÖ. und Bgld. als Vertragsbedienstete mit einem monatlichen Nettogehalt von 1629.40 S, vierzehnmal jährlich, beschäftigt sei. Sie wohne bei ihrer außerehelichen Mutter, die auch ihre Vormunderin sei, und bezahle dieser ein monatliches Kostgeld von 1000 S. Ihre Vormunderin habe weder der Bürgschaftserklärung noch der Wechselunterfertigung zugestimmt. In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, daß angesichts der Vermögens- und Einkommensverhältnisse der Beklagten ihre Bürgschaftserklärung außerhalb ihrer selbständigen Verpflichtungsfähigkeit liege. Daher sei sowohl das Grundgeschäft als auch der zu seiner Sicherung gesetzte Wechselskripturakt unwirksam.

Das Berufungsgericht änderte das Ersturteil ab und erhielt den Wechselzahlungsauftrag aufrecht, fügte aber bei, daß für die Dauer der Minderjährigkeit der Beklagten die Exekution gegen sie nur im Rahmen der Bestimmung des § 246 ABGB. zulässig sei. Es könne nicht gesagt werden, daß die Beklagte eine Verpflichtung übernommen habe, die über den Umfang ihrer selbständigen Verpflichtungsfähigkeit hinausgegangen sei. Inwieweit die Klägerin ihren ersiegten Anspruch allenfalls zwangsweise durchsetzen könne, sei nicht von der Höhe der bedungenen Raten abhängig, weil die eingeklagte Wechselverpflichtung ihrer Natur nach (Art. 1 Z. 4 WG.) keine Ratenverpflichtung sei. Daher fehle auch ein Grund, im Hinblick auf die Höhe der Raten, die nur für das Grundgeschäft von Bedeutung gewesen seien, die Wirksamkeit der übernommenen Wechselverpflichtung zu verneinen. Durch eine Exekutionsbeschränkung auf das Arbeitseinkommen der Beklagten für die Dauer ihrer Minderjährigkeit werde dem Schutzbedürfnis der Beklagten Rechnung getragen.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Beklagten Folge und stellte in Abänderung der zweitinstanzlichen Entscheidung das erstgerichtliche Urteil wieder her.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Nach den unbekämpft gebliebenen Feststellungen des Erstgerichtes ist die Beklagte dem Darlehensvertrag des Erich P. mit der Klägerin (bzw. deren Rechtsvorgängerin) als Bürge beigetreten, betreffend ein Darlehen von 4800 S, rückzuzahlen in sechs Monatsraten zu je 800 S bei Terminsverlust. Zur Sicherung hat sie den geltend gemachten Wechsel als Akzeptantin unterfertigt, auf Grund dessen die Klägerin infolge eingetretenen Terminsverlust nunmehr die gesamte Darlehenssumme von der Beklagten verlangt.

Es mag dahingestellt bleiben, ob die Verpflichtung der Beklagten, für die Rückzahlung des Darlehens von 4800 S in sechs Monatsraten zu je 800 S zu bürgen, mit Rücksicht auf ihr Einkommen von netto 1629.40 S monatlich, vierzehnmal jährlich, im Rahmen des § 246 ABGB. gültig war. In dem Beitritt der Beklagten als Bürge zu dem erwähnten Darlehensvertrag war aber auch die Verpflichtung eingeschlossen, bei Eintritt des Terminsverlustes die gesamte noch aushaftende Schuld auf einmal zurückzuzahlen. Der von der Beklagten geschlossene Vertrag enthielt also schon von Anfang an die Möglichkeit, daß die Beklagte von der Darlehensgeberin unter Umständen zur Bezahlung von 4800 S auf einmal herangezogen werde, wie es dann mit der vorliegenden Wechselklage auch tatsächlich geschehen ist. Nun bedarf es keiner weiteren Begründung, daß eine solche Verpflichtung mit einem Einkommen der Beklagten von monatlich 1629.40 S nicht zu vereinen ist, weil sie nicht in einem angemessenen Verhältnis zu diesem Einkommen steht (JBl. 1930 S. 344). Zumindest die Vereinbarung über den Terminsverlust und die Wechselannahme zur Sicherung dieser Vereinbarung konnte also von der Beklagten nicht ohne Mitwirkung ihres Vormundes (und Genehmigung des Vormundschaftsgerichtes) geschlossen werden. Da feststeht, daß die Mutter und Vormunderin der Beklagten weder der Bürgschaftserklärung, daher auch nicht der Vereinbarung des Terminsverlustes, noch der Wechselannahme zugestimmt hat, ist diese Vereinbarung insoweit ungültig. Der Beklagten fehlte also, da die Wechselannahme durch sie nicht im Rahmen ihrer Geschäftsfähigkeit nach § 246 ABGB. erfolgte, insoweit auch die Wechselgeschäftsfähigkeit, und ihre Wechselunterschrift ist ungültig.