JudikaturJustiz8Ob14/23a

8Ob14/23a – OGH Entscheidung

Entscheidung
29. März 2023

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen Dr. Tarmann Prentner und Mag. Korn und die Hofräte Dr. Stefula und Dr. Thunhart als weitere Richter in der Pflegschaftssache 1. der minderjährigen J* W*, geboren * 2018 *, und des 2. minderjährigen A* L*, geboren * 2019 *, beide wohnhaft beim Vater C* W*, vertreten durch Mag. Britta Schönhart Loinig, Rechtsanwältin in Wien (Mutter: E* L*, diese vertreten durch Mag. Florian Plöckinger, Rechtsanwalt in Wien), wegen Obsorge, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Vaters gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 22. November 2022, GZ 44 R 299/22d, 44 R 300/22a, 44 R 301/22y 239, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

Text

Begründung:

[1] Das Rekursgericht entschied mit dem angefochtenen Beschluss, dass die Obsorge über die Kinder J* und A* vorläufig beiden Elternteilen gemeinsam zusteht und dass sich der Hauptaufenthaltsort der Kinder vorläufig beim Vater befindet.

[2] Mit seinem Revisionsrekurs strebt der Vater die Abänderung dieser Entscheidung dahin an, dass ihm vorläufig allein die Obsorge zukomme.

Rechtliche Beurteilung

[3] Entgegen der Ansicht des Revisionsrekurswerbers bedarf die rekursgerichtliche Entscheidung keiner höchstgerichtlichen Korrektur.

[4] Das Erstgericht konnte aufgrund der bisherigen Beweisergebnisse den Vorwurf des Vaters, die Mutter wäre psychisch beeinträchtigt und habe ein Alkoholproblem, nicht verifizieren. Dass sie Mitarbeiter des Kindergartens, der Familienhilfe und der Wiener Kinder und Jugendhilfe beschimpfte, bezeichnete das Rekursgericht als inakzeptabel, dieses Verhalten reiche aber – zumal die Kinder das Verhalten ihrer Mutter nicht miterlebten – nicht hin, um ihr die Obsorge auch nur vorläufig zu entziehen.

[5] Der Oberste Gerichtshof vermag dem nicht entgegenzutreten. Das Institut der Entziehung der Obsorge hat nicht die Funktion, unerwünschte Verhaltensweisen von Eltern gegenüber Dritten zu sanktionieren. Dass die Mutter durch ihr Verhalten jegliche Kooperation mit Dritten und Behörden verunmögliche, ergibt sich aus dem festgestellten Sachverhalt nicht. Die Beantwortung der hiervon ausgehenden, in der Zulassungsbeschwerde genannten Rechtsfragen kann daher auf sich beruhen.

[6] Bei der endgültigen Entscheidung über die Obsorge wird vom Erstgericht zu beachten sein, dass der maßgebliche Sachverhalt konkret festzustellen ist, somit was sich tatsächlich ereignet hat, welche Fähigkeiten die Eltern mit sich bringen und welche Bedürfnisse die Kinder haben etc (vgl Hopf/Höllwerth in KBB 6 [2020] § 180 ABGB Rz 13). Es genügt nicht bloß festzuhalten, was in einem Polizeibericht oder Polizeiprotokoll steht (vgl zB ON 218 Seite 3) oder was Mitarbeiter der einen oder anderen Einrichtung berichteten oder was diesen „besonders positiv auffiel“ (vgl zB ON 218 Seiten 6 f). Es gilt streng zwischen den Feststellungen einerseits und den Beweismitteln und der Beweiswürdigung andererseits zu unterscheiden.