JudikaturJustiz8Ob132/19y

8Ob132/19y – OGH Entscheidung

Entscheidung
16. Dezember 2019

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Tarmann-Prentner und Mag. Korn, den Hofrat Dr. Stefula und die Hofrätin Mag. Wessely-Kristöfel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei L*****, vertreten durch Mag. Julian Wegerth, Rechtsanwalt in Ebreichsdorf, gegen die beklagte Partei V*****, vertreten durch Dr. Georg Kahlig, Mag. Gerhard Stauder, Rechtsanwälte in Wien, und die Nebenintervenientin auf Seiten der beklagten Partei D***** GmbH Co KG, *****, vertreten durch Dr. Robert Krasa, Rechtsanwalt in Wien, wegen 20.000 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 29. Juli 2019, GZ 13 R 104/19p 19, mit dem das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 29. März 2019, GZ 21 Cg 36/18w 14, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.332,54 EUR (darin 222,09 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Der Kläger begehrte vom Beklagten – einem Kunst- und Antiquitätenhändler – gestützt auf einen Verkaufsauftrag nach den Bestimmungen der §§ 1086 ff ABGB die Zahlung von (restlichen) 20.000 EUR sA für den über die Nebenintervenientin erfolgten Verkauf zweier in seinem Eigentum stehender Tafelbilder.

Die Vorinstanzen wiesen das Klagebegehren übereinstimmend ab.

Die ordentliche Revision wurde vom Berufungsgericht nachträglich über Antrag des Klägers gemäß § 508 ZPO für zulässig erklärt, weil die Ausführungen des Klägers, die Erklärung vom 23. 3. 2017 sei dem Vertragstyp Verkaufsauftrag zu unterstellen, bei Auslegung nur ihres Textes – ohne das vor- und nachvertragliche Verhalten der Parteien zu würdigen – ausreichend überzeugend seien, um sie einer Prüfung durch das Höchstgericht zugänglich zu machen.

Rechtliche Beurteilung

Die vom Beklagten beantwortete Revision des Klägers ist entgegen dem – nicht bindenden – Ausspruch des Berufungsgerichts mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig. Die Zurückweisung eines ordentlichen Rechtsmittels wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 ZPO):

1. Für den Anspruch des Klägers ist entscheidend, ob sich aus seiner Vereinbarung mit dem Beklagten „als Vermittler“ dessen Verpflichtung ergibt, ihm den in der Erklärung vom 23. 3. 2017 genannten Betrag von 20.000 EUR (zuzüglich zu dem von der Nebenintervenientin erhaltenen Akonto von 10.000 EUR) zu zahlen, obwohl in der Versteigerung der Tafelbilder nur ein Erlös von 7.500 EUR erzielt werden konnte. Diese – in der schriftlichen Erklärung nicht ausdrücklich geregelte – Frage lässt sich, anders als der Kläger meint, nur im Wege der Vertragsauslegung beantworten, mit deren Hilfe auch zu klären ist, unter welchen Vertragstypus die Vereinbarung zu subsumieren ist. Fragen der Vertragsauslegung kommt aber in der Regel keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zu, sofern keine auffallende Fehlbeurteilung, also eine krasse Verkennung der Auslegungsgrundsätze vorliegt, die im Interesse der Rechtssicherheit wahrgenommen werden muss (RIS Justiz RS0112106 [T1]; RS0042936; RS0044298). Eine solche zeigt die Revision hier nicht auf.

2.1 §§ 1086 ff ABGB regeln den Verkaufsauftrag (Trödelvertrag). Aus dem Tatbestand des § 1086 ABGB lassen sich fünf „essentialia negotii“ ableiten, und zwar die Übergabe einer beweglichen Sache zum Verkauf, die Preisfestsetzung, die Fristbestimmung, die Alternativität der Verpflichtung und das Handeln des Übernehmers auf eigene Rechnung. Bei Fehlen eines dieser essentialia liegt ein reiner Verkaufsauftrag nicht vor ( Pollak , Rechtsfragen des Verkaufsauftrags [§§ 1086–1088 ABGB], JBl 1985, 646 [647]; Aicher in Rummel/Lukas , ABGB 4 § 1086 Rz 4; Verschraegen in Kletečka/Schauer , ABGB-ON 1.07 § 1086 Rz 1 ff). Entgegen dem Standpunkt des Klägers fordert auch die Rechtsprechung für das Vorliegen eines echten Verkaufsauftrags ua die alternative (wahlweise) Verpflichtung, entweder das bestimmte Kaufgeld zu liefern oder die Sache zurückzustellen (SZ 4/51; SZ 5/192; 2 Ob 513/93; 6 Ob 47/06i). Dass es an diesem Gestaltungsrecht des Übernehmers (2 Ob 513/93; Pollak aaO [649]) im Anlassfall fehlt, räumt der Revisionswerber selbst ein. Charakteristisch für den Trödelvertrag ist weiters, dass nach Ablauf der Frist, wenn die Sache bis dahin weder verkauft noch zurückgestellt wurde, das Eigentum daran auf den Übernehmer übergehen soll, mag er den Kaufpreis bezahlt haben oder nicht (SZ 4/51). Dass diese einschneidende Folge Parteienabsicht war, ist im Zweifel nicht zu vermuten (7 Ob 62/56 = JBl 1956/151) und wird vom Kläger hier so nicht einmal behauptet. Fest steht vielmehr, dass die Parteien nicht besprochen haben, was geschehen solle, wenn die Tafelbilder nicht [bis spätestens Mitte Dezember 2017] versteigert werden könnten. Darüber hinaus hatten die Parteien vereinbart, dass dem Beklagten nur ein allfälliger zwischen 30.000 EUR und 40.000 EUR liegender Versteigerungserlös alleine verbleiben, ein darüber hinausgehender Erlös aber zwischen ihnen 50 : 50 geteilt werden sollte. Die Annahme des Berufungsgerichts, dass der Beklagte im Hinblick darauf gerade nicht von seiner Rechnungslegungspflicht befreit gewesen sei, ist nicht zu beanstanden. Das zu beurteilende Geschäft weist daher zwar gewisse, aber keineswegs sämtliche Merkmale eines Trödelvertrags auf.

2.2 Die Anordnung des § 1088 Satz 1 ABGB, dass Verträge, denen ein Merkmal des echten Verkaufsauftrags fehlt, als Bevollmächtigungsvertrag anzusehen seien, ist nur eine Auslegungsregel, der nur dann zu folgen ist, wenn der Parteiwille nichts anderes ergibt und die (zB) dann nicht passt, wenn der Übernehmer auf eigene Rechnung handeln soll. In diesem Fall ist ein dem Verkaufsauftrag ähnlicher Vertrag eigener Art anzunehmen (RS0020262). Verträge an der Grenze zwischen Trödelvertrag und Bevollmächtigungsvertrag bzw Kommissionsvertrag sind gemischte Verträge oder Verträge sui generis, die nach der jeweiligen Parteienabsicht und Interessenlage im Einzelfall zu beurteilen sind (6 Ob 47/06i; Pollak aaO [656]). Das gilt auch für den vorliegenden Vertrag.

3.1 Da festgestellt wurde, dass die Parteien nicht vereinbarten, was bei einem Versteigerungserlös von weniger als 30.000 EUR passieren sollte, weil beide davon ausgingen, dass die Tafelbilder jedenfalls diesen Wert hätten, ist durch ergänzende Vertragsauslegung zu ermitteln, welcher der Vertragsteile das schlagend gewordene Risiko des Mindererlöses zu tragen hat.

3.2 Ergänzende Vertragsauslegung setzt voraus, dass nach Abschluss des Vertrags ein Konfliktfall auftritt, den die Parteien nicht bedachten und daher auch nicht ausdrücklich regelten (RS0017758; RS0017899). Als Mittel einer solchen ergänzenden Vertragsauslegung kommen der hypothetische Parteiwille, die Übung des redlichen Verkehrs, der Grundsatz von Treu und Glauben sowie die Verkehrsauffassung in Betracht (RS0017832), wobei in erster Linie auf den Vertragszweck Bedacht zu nehmen ist (RS0017832 [T4]).

3.3 Nach der ursprünglichen Parteienver-einbarung bot der Beklagte die Tafelbilder für den Kläger schon mehrere Monate erfolglos um je 15.000 EUR pro Bild zum Verkauf an, (unstrittig) ohne das Risiko zu tragen, dass die Bilder zu diesem Preis unverkäuflich sind. Fest steht, dass die Tafelbilder dann über die Nebenintervenientin versteigert werden sollten, weil der Kläger dringend Geld benötigte und die Nebenintervenientin zur Zahlung eines Akontos von 10.000 EUR bereit war. Zwecks Regelung der neuen Vorgangsweise wurde die Erklärung vom 23. 3. 2017 aufgesetzt. Nachdem noch vor der Versteigerung bekannt geworden war, dass der von beiden Parteien (und zunächst auch von einem Sachverständigen der Nebenintervenientin) angenommene Schätzwert unrichtig war und sich tatsächlich nur auf 6.000 EUR bis 8.000 EUR belief, erklärte sich der Kläger nach den Feststellungen vorerst einverstanden, die Tafelbilder gegen eine (werthältigere) Madonnenstatue zu tauschen. Da ihm der dafür in Aussicht gestellte Erlös jedoch zu wenig war und er auch die Mittel für die Rückzahlung des Akontos nicht zur Verfügung hatte, entschied er sich in Kenntnis, dass ein geringerer Preis als 30.000 EUR erzielt werden könnte, dafür, dass die Bilder dennoch versteigert werden sollten, und teilte dies dem Beklagten mit.

Die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass das Preisrisiko vor diesem Hintergrund offenbar auch nach der Vorstellung des Klägers nicht den Beklagten hätte treffen sollen, ist jedenfalls nicht unvertretbar, zumal sich andernfalls die nachträglichen Überlegungen des Klägers zu einem Objekttausch wohl erübrigt hätten. Darüber hinaus gibt es keine konkreten Anhaltspunkte dafür, dass die Parteien mit der Erklärung vom 23. 3. 2017 das Risiko eines Mindererlöses bei der im Interesse des Klägers veranlassten Versteigerung anders als nach der ursprünglichen Vereinbarung auf den Beklagten hätten verlagern wollen.

4. Insgesamt gelingt es dem Kläger nicht, eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO, die die Revision zulässig machen würde, aufzuzeigen. Die Revision war daher als unzulässig zurückzuweisen.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO. Der Beklagte hat auf die Unzulässigkeit der Revision des Kläger in seiner Revisionsbeantwortung hingewiesen (RS0035979 [T16]). Die Nebenintervenientin hat sich am Revisionsverfahren nicht beteiligt.