JudikaturJustiz8Ob116/08d

8Ob116/08d – OGH Entscheidung

Entscheidung
13. November 2008

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Spenling und Dr. Kuras und die Hofrätinnen Dr. Lovrek und Dr. Glawischnig als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Friedrich H*****, vertreten durch Ruhri Partner, Rechtsanwälte in Graz, gegen die beklagte Partei Daniela P*****, vertreten durch Dr. Josef Faulend Klauser und Dr. Christoph Klauser, Rechtsanwälte in Deutschlandsberg, wegen Feststellung und Unterlassung, über die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Berufungsgericht vom 8. Juli 2008, GZ 17 R 85/08g 11, womit über Berufung des Klägers das Urteil des Bezirksgerichts Stainz vom 14. April 2008, GZ 1 C 35/08t 7, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Der Kläger ist schuldig, der Beklagten die mit 556,99 EUR (darin enthalten 92,83 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Der Kläger ist grundbücherlicher Eigentümer der Liegenschaft EZ ***** GB *****, bestehend ua aus dem Grundstück Nr. 514/1; die Beklagte ist grundbücherliche Alleineigentümerin der Liegenschaft EZ ***** derselben Katastralgemeinde, bestehend aus dem Grundstück Nr. 522/5. Beide Grundstücke grenzen im Bereich der nordöstlichen und der südwestlichen Grenze des Grundstücks der Beklagten unmittelbar aneinander.

Mit Notariatsakt vom 16. 8. 1976 räumten die Rechtsvorgänger des Klägers dem Rechtsvorgänger der Beklagten das Recht ein, auf dem in einem, dem Notariatsakt angeschlossenen, Lageplan eingezeichneten Weg über das Grundstück Nr. 514/1 zum Grundstück Nr. 522/5 zu gehen und mit den „für die Benützung desselben und der darauf errichteten Gebäude erforderlichen, jeweils ortsüblichen Fahrzeugen zu fahren". Über mehr als dreißig Jahre wurde das herrschende Grundstück ausschließlich landwirtschaftlich genutzt und das Recht nur im Ausmaß und Umfang der Bewirtschaftung zu landwirtschaftlichen Zwecken ausgeübt. Auf dem herrschenden Grundstück befand sich zum Zeitpunkt der Errichtung des Notariatsakts kein Gebäude. Bis heute befindet sich dort kein Gebäude. Das herrschende Grundstück wies weder zum Zeitpunkt der Errichtung des Notariatsakts noch heute eine Baulandausweisung auf.

Der Kläger begehrt die Feststellung, dass die Dienstbarkeit des Geh- und Fahrrechts, sofern diese über die Inanspruchnahme des dienenden Grundstücks zum Zweck des Gehens und Fahrens im Rahmen der landwirtschaftlichen Nutzung des herrschenden Grundstücks hinausgehe, erloschen sei und dass die Beklagte schuldig sei, in Hinkunft alle Handlungen zu unterlassen, die sich als Ausübung des Geh- und Fahrrechts über das aus dem Feststellungsbegehren hinausgehende Ausmaß darstellten.

Aufgrund eines mehr als dreißigjährigen Nichtgebrauchs der Dienstbarkeit in einem über die Zwecke landwirtschaftlicher Bewirtschaftung hinausgehenden Ausmaß sei die Dienstbarkeit in diesem Umfang erloschen. Erst im Mai 2007 habe die Beklagte Veranlassungen getroffen, um eine Umwidmung ihres Grundstücks zu erwirken und um Baumaßnahmen durchzuführen; im Juli 2007 sei eine mobile Bauhütte aufgestellt worden.

Die Beklagte wendet ein, dass ihr Grundstück bislang unbebaut sei. Eine Inanspruchnahme des Servitutswegs für andere als landwirtschaftliche Zwecke habe daher gar nicht erfolgen können. Die Verjährungsfrist habe dementsprechend noch nicht zu laufen begonnen.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.

Das Berufungsgericht gab der dagegen vom Kläger erhobenen Berufung nicht Folge und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 4.000 EUR, nicht jedoch 20.000 EUR übersteigt und dass die ordentliche Revision zulässig sei. Rechtlich vertrat das Berufungsgericht die Auffassung, dass von einer „gewöhnlichen" Servitut iSd § 1479 ABGB und nicht von einem „selten ausgeübten" Recht iSd § 1484 ABGB auszugehen sei. Dennoch sei Verjährung nicht eingetreten. Es sei Wille der Rechtsvorgänger der Streitteile gewesen, bereits 1976 ein allgemeines Geh- und Fahrrecht auch für ein zukünftig errichtetes Gebäude zu vereinbaren. Nach der Rechtsprechung erlösche eine Dienstbarkeit durch bloßen Nichtgebrauch nicht.

Die ordentliche Revision wurde für zulässig erklärt, weil Rechtsprechung dazu fehle, ob die Servitut eines allgemeinen Geh- und Fahrrechts, die nur eingeschränkt ausschließlich für landwirtschaftliche Zwecke über mehr als dreißig Jahre genutzt worden sei, der Bestimmung des § 1479 oder des § 1484 ABGB zuzuordnen sei.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die auf den Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gestützte Revision des Klägers mit einem Aufhebungsantrag. Hilfsweise wird ein Abänderungsantrag im Sinne einer gänzlichen Abweisung des Klagebegehrens gestellt.

Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen; hilfsweise, ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage (§ 502 Abs 1 ZPO) nicht zulässig; an den gegenteiligen Ausspruch des Berufungsgerichts ist der Oberste Gerichtshof nicht gebunden (§ 508a Abs 1 ZPO).

Die vom Berufungsgericht als erheblich bezeichnete Rechtsfrage der Anwendung des § 1484 ABGB auf den hier vorliegenden Fall stellt sich aus folgenden Gründen nicht:

Gemäß § 1482 ABGB wird derjenige, welcher ein Recht auf einem fremden Grunde in Ansehung des Ganzen oder auf verschiedene beliebige Arten ausüben konnte, bloß dadurch, dass er es durch noch so lange Zeit nur auf einem Teil des Grundes oder nur auf eine bestimmte Weise ausübte, in seinem Recht nicht eingeschränkt; die Beschränkung muss durch Erwerbung oder Ersitzung des Untersagungs- oder Hinderungsrechts bewirkt werden (§ 351).

Daraus ist abzuleiten, dass schon die Teilausübung eines Rechts auf fremdem Grund die Verjährung nach § 1482 Satz 1 ABGB ausschließt (5 Ob 1511/89; 1 Ob 516/96 = SZ 69/135; 1 Ob 156/02a). Insoweit ist § 1482 ABGB gegenüber § 1479 ABGB die speziellere Norm (1 Ob 516/96). Nur dann, wenn der Grund einer bloßen Teilrechtsausübung der Dienstbarkeit die Untersagung oder Hinderung durch den Eigentümer des dienenden Grundes ist, kann das Recht im nicht ausgeübten Umfang verjähren (RIS Justiz RS0104359; 1 Ob 516/96). Dieser Fall liegt hier unstrittig nicht vor. Das von den Rechtsvorgängern des Klägers dem Rechtsvorgänger der Beklagten eingeräumte Geh- und Fahrrecht wurde regelmäßig zur Bewirtschaftung des herrschenden Grundstücks zu landwirtschaftlichen Zwecken ausgeübt. Schon aus diesem Grund kommt nach der zitierten ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, die der Meinung der herrschenden Lehre entspricht ( Mader / Janisch in Schwimann , ABGB3 VI, § 1482 Rz 1; M. Bydlinski in Rummel , ABGB3 § 1482 Rz 1; Dehn in KBB3 § 1482 Rz 1; Klang in Klang2 VI 616), eine Verjährung des eingeräumten Teilrechts nicht in Betracht, ohne dass es einer Auseinandersetzung mit der vom Berufungsgericht als erheblich bezeichneten Rechtsfrage bedarf, ob § 1484 ABGB hier anwendbar wäre.

Die Entscheidung über die Kosten der Revisionsbeantwortung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO: Die Beklagte hat auf die Unzulässigkeit der Revision des Klägers hingewiesen.