JudikaturJustiz7R97/07f

7R97/07f – LG St. Pölten Entscheidung

Entscheidung
03. Dezember 2007

Kopf

Das Landesgericht St. Pölten hat durch den Vizepräsidenten HR Dr. Cutka als Vorsitzenden sowie die Richterin Mag. Eisenmagen und den Richter Mag. Wessely in der Exekutionssache der Betreibenden 1. Katharina D***** und 2. Christopher D*****, *****, beide vertreten durch den Magistrat der Stadt Wien, MA 11, AJF-R Bezirk 22, Kapellenweg 35/Stiege 1A, 1220 Wien, wider den Verpflichteten Gerhard S*****, *****, *****, wegen € 4.025,95 s.A., über den Rekurs der Betreibenden gegen den Beschluss des Bezirksgerichtes St. Pölten vom 19.2.2007, 9 E 745/07g-2, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird n i c h t F o l g e gegeben.

Der Revisionsrekurs ist j e d e n f a l l s

u n z u l ä s s i g .

Text

Begründung:

Die Betreibenden begehrten auf Grundlage des vollstreckbaren Beschlusses des Bezirksgerichtes Floridsdorf vom 27.8.2003, 1 P 30/00x, wider den Verpflichteten zur Hereinbringung der Unterhaltsrückstände von € 458,79 (Erstbetreibende) und € 261,28 (Zweitbetreibender) sowie laufenden Unterhalts von € 56,38 (Erstbetreibende) und € 35,45 (Zweitbetreibender) die Bewilligung der Forderungs- exekution gemäß § 294 EO. Im Exekutionsantrag wurde ein Drittschuldner genannt, auf eine Drittschuldner- erklärung wurde nicht verzichtet. Zugleich begehrten die Betreibenden die Bewilligung der Verfahrenshilfe im Umfang des § 64 Abs. 1 Z 1 lit. a bis f und Z 5 ZPO.

Mit dem angefochtenen Beschluss bewilligte das Erstgericht je zu Gunsten beider Betreibenden die Forderungsexekution und die Verfahrenshilfe im Umfang des § 64 Abs. 1 Z 1 lit. a ZPO. Es ergänzte seine Entscheidung mit rechtskräftigem Beschluss vom 22.10.2007, 9 E 745/07g-8, um den Ausspruch der Abweisung des Antrages auf Bewilligung der Verfahrenshilfe im Umfang des § 64 Abs. 1 Z 1 lit. b bis f ZPO und dessen Begründung.

Mit dem vorliegenden Rekurs bekämpfen die Betreibenden diesen Beschluss im Umfang der Abweisung ihres Antrages auf Zuerkennung auch der Begünstigungen des § 64 Abs. 1 Z 1 lit. b bis f ZPO, verbunden mit dem Antrag auf Abänderung dahingehend, die Verfahrenshilfe auch in diesem Umfang zu gewähren.

Der Revisor hat auf die Rekursbeantwortung verzichtet, der Verpflichtete hat eine solche nicht erstattet.

Der Rekurs ist nicht berechtigt.

Der Wert der betriebenen Forderung beträgt gemäß § 58 Abs. 1 JN €

4.025,95. Der Rekurs ist daher im Lichte des § 517 ZPO iVm § 78 EO zulässig.

Die Rechtsmittelwerber erachten sich insofern als durch die Teilabweisung ihres Antrages beschwert, als ihnen dadurch die Begünstigung der Befreiung von der Bezahlung der Kosten der Drittschuldnerklärung vorenthalten worden sei.

Rechtliche Beurteilung

Dem ist zu entgegnen: Zweck der Verfahrenshilfe ist es, mittellosen Parteien den Zugang zum Gericht zu eröffnen. Dazu wird eine vorläufige Befreiung von der Tragung bestimmter Kosten gewährt. Die Verfahrenshilfe befreit jedoch zum Beispiel nicht von der Pflicht zum Ersatz der gegnerischen Kosten bei Prozessverlust. In diesem Umfang besteht auch für eine verfahrensbeholfene Partei weiterhin ein Kostenrisiko. § 64 ZPO zählt die im Rahmen der Verfahrenshilfe möglichen Begünstigungen auf. Mit der ZVN 2004 wurden diesen weitere nach der EU-Richtlinie 2003/8/EG mindestens vorzusehenden Begünstigungen, d.h. insbesondere Reisekosten, Übersetzungs- und Dolmetscherkosten, Kosten vorprozessualer Rechtsberatung und außergerichtlicher Streitbeilegung, hinzugefügt. Die Befreiung von der Kostentragung gegenüber dem Drittschuldner im Exekutionsverfahren ist in § 64 ZPO nicht genannt. Gemäß § 302 Abs. 2 EO sind die Kosten, die dem Drittschuldner als Ersatz für die Abgabe der Drittschuldnererklärung gebühren, vorläufig vom betreibenden Gläubiger zu tragen und ist dieser vom Gericht zu deren Zahlung an den Drittschuldner zu verpflichten.

Ein Kostenersatzanspruch des Drittschuldners setzt einen gerichtlichen Auftrag zur Abgabe der Drittschuldnererklärung voraus. Ergeht ein solcher gerichtlicher Auftrag wegen Verzichts des betreibenden Gläubigers nicht, kann der Drittschuldner Kosten für eine trotzdem erstattete Erklärung nach herrschender Rechtsprechung nicht beanspruchen. Der betreibende Gläubiger ist im Übrigen nur dann zur direkten Bezahlung der Drittschuldnerkosten an den Drittschuldner verpflichtet, wenn dieser den ihm als Kostenersatz zustehenden Betrag nicht gemäß § 302 Abs. 3 EO aus den gepfändeten Bezügen einbehalten kann. In Bezug auf die Bestimmung seiner Kosten für die Abgabe der Drittschuldnererklärung kommt dem Drittschuldner quasi Parteistellung zu (so steht ihm beispielsweise ein Rekursrecht gegen den Beschluss über die Drittschuldnerkosten zu). Damit lassen sich die Drittschuldnerkosten jedenfalls nicht unter § 64 Abs. 1 Z 1 lit. b ZPO subsumieren, weil es sich dabei nicht um Kosten von Amtshandlungen außerhalb des Gerichts handelt. In seiner Entscheidung zu 15 R 161/01h hat das OLG Wien festgehalten, dass die im Titelverfahren in vollem Umfang bewilligte Verfahrenshilfe im anschließenden Exekutionsverfahren auch die Befreiung vom Erlag eines Kostenvorschusses zur Öffnung des versperrten Vollzugsobjektes umfasst und diese Kosten unter jene im Sinn des § 64 Abs. 1 Z 1 lit. b ZPO zu subsumieren sind. Die Öffnung des Vollzugsobjektes erfolgt jedoch über Auftrag des Gerichts im Beisein eines Gerichtsvollziehers und ist sohin durch die Person des Gerichtsvollziehers als Amtshandlung im Sinn dieser Bestimmung zu sehen. Hingegen ist die Abgabe einer Drittschuldnererklärung durch eine Privatperson, mag sie auch über Auftrag des Gerichts erfolgen, keine Amtshandlung außerhalb des Gerichts.

Auch eine Subsumption der Drittschuldnerkosten unter lit. f des § 64

Abs. 1 Z 1 ZPO scheidet aus, weil im vorliegenden Fall weder ein vom

Gericht bestellter gesetzlicher Vertreter, noch ein den Parteien

beigegebener Rechtsanwalt oder Vertreter einschreitet und diese

Auslagen vorstreckt, deren Berichtigung dann aus Amtsgeldern erfolgen

könnte. Im vorliegenden Fall schreitet der Vertreter der Betreibenden

nicht aufgrund seiner Bestellung durch das Gericht, sondern von

Gesetzes wegen ein. Entgegen der vom Landesgericht für

Zivilrechtssachen Wien in seiner Entscheidung 46 R 8/04y geäußerten

Rechtsansicht scheidet eine analoge Anwendung des § 64 Abs. 1 Z 1 ZPO

auf die Drittschuldnerkosten aus. Hätte der Gesetzgeber anlässlich

der ZVN 2004 tatsächlich beabsichtigt, dass im Exekutionsverfahren

auflaufende Drittschuldnerkosten vorläufig aus Amtsgeldern berichtigt

werden können, hätte dies in die gesetzliche Bestimmung Eingang

finden müssen. Da die Verfahrenshilfe - wie oben aufgezeigt -

durchaus Bereiche offen lässt, in denen verfahrensbeholfene Parteien

im Verhältnis zu anderen Verfahrensbeteiligten ein Kostenrisiko

trifft, besteht auch kein Anlass, in der vorliegenden Konstellation

eine planwidrige Regelungslücke anzunehmen. Man kann auch nicht davon

ausgehen, dass die hier gegenständlichen Kosten mit dem

Exekutionsvollzug notwendigerweise verbunden sind, zumal es dem

betreibenden Gläubiger ja freisteht, auf eine Drittschuldnererklärung

zu verzichten. Drittschuldnerkosten sind auch keine Gebühren im

Sinn des § 64 Abs. 1 Z 1 lit. c ZPO, weil der Drittschuldner weder

Zeuge, Sachverständiger, Dolmetscher, Übersetzer noch Beisitzer ist.

Zusammengefasst ist festzuhalten, dass die im Exekutionsverfahren

dem Drittschuldner aufgrund seiner persönlichen Tätigkeit kraft Gesetzes als Entlohnung zustehenden Kosten nicht zu den in § 64 Abs. 1 Z 1 lit. b, c und f ZPO genannten Gebühren oder Kosten zählen. Auch die Begünstigungen der lit. d und e des § 64 Abs 1 Z 1 ZPO kommen ihrem Wesen nach von vornherein nicht als Grundlage für die hier in Rede stehende Kostenbefreiung in Betracht. Die Verfahrenshilfe befreit daher nicht von der Verpflichtung zur vorläufigen Kostentragung gegenüber dem Drittschuldner (EFSlg 72.920). Da zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Verfahrenshilfeantrag, mit Ausnahme der für den Exekutionsantrag zu entrichtenden Gerichtsgebühren, in der gegenständlichen Forderungsexekution keine weiteren Kosten bzw. Gebühren im Sinn des § 64 Abs. 1 Z 1 ZPO zu erwarten waren, hat das Erstgericht die Verfahrenshilfe zu Recht nur im Umfang der lit. a bewilligt und das Begehren im Umfang der lit. b bis f abgewiesen.

Gemäß § 78 EO, § 528 Abs. 2 Z 4 ZPO ist der Revisionsrekurs

jedenfalls unzulässig.

Landesgericht St. Pölten

3100 St. Pölten, Schießstattring 6