JudikaturJustiz7Ob362/98f

7Ob362/98f – OGH Entscheidung

Entscheidung
23. Juni 1999

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kropfitsch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich, Dr. Tittel, Dr. Huber und Hon-Prof. Dr. Danzl als weitere Richter in der Sachwalterschaftssache des Betroffenen Dr. Werner O*****, infolge des Rekurses des gemäß § 238 Abs 1 AußStrG bestellten einstweiligen Verfahrenssachwalters Dr. Kurt B*****, gegen den Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck als Rekursgericht vom 23. Oktober 1998, GZ 52 R 154/98y-172, womit infolge Rekurses des Verfahrenssachwalters der Beschluß des Bezirksgerichtes Innsbruck vom 28. September 1998, GZ 33 P 78/97i-161, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Mit Beschluß des Erstgerichtes vom 10. 8. 1998 wurde Rechtsanwalt Dr. Kurt B***** zum Verfahrenssachwalter gemäß § 238 Abs 1 AußStrG für den Betroffenen Dr. Werner O***** bestellt. In seinem dagegen erhobenen Rekurs führte Dr. B***** unter anderem aus, daß er aufgrund der Erkrankung seines Kanzleipartners beruflich völlig überlastet sei. Er sei trotz des Umstandes, daß ein Rechtsanwaltsanwärter und zwei Halbtagskräfte eingestellt worden seien, nicht in der Lage, die offensichtlich sehr arbeitsintensiven Akten des Betroffenen entsprechend sorgfältig zu bearbeiten. Bei Übernahme der Funktion des Sachwalters sei damit zu rechnen, daß die Kanzlei über längere Zeit lahmgelegt sei. Ihm sei daher das Amt des einstweiligen Sachwalters nicht zumutbar.

Das Rekursgericht bestätigte den Beschluß auf Bestellung des Verfahrenssachwalters. Es führte auch aus, daß freiwillige Entschuldigungsgründe nicht im Rechtsmittelverfahren zu prüfen seien. Das zitierte Vorbringen des Dr. B***** im Rekurs sei als Ablehnung der Bestellung im Sinn des § 201 ABGB zu werten, worüber das Erstgericht zu erkennen haben werde.

Das Erstgericht wies den diesbezüglichen Antrag ohne weitere Erhebungen ab, weil keiner der im § 195 ABGB angeführten Entschuldigungsgründe geltend gemacht worden sei. Überdies handle es sich nur um die Bestellung zum einstweiligen Sachwalter zur Vertretung des Betroffenen in diesem Verfahren.

Das Rekursgericht bestätigte diesen Beschluß und sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Nach der Textierung und der Intention des auf Sachwalterbestellungen analog anzuwendenden § 195 ABGB sei davon auszugehen, daß eine Erweiterung der darin genannten Entschuldigungsgründe insbesondere auf eine Überlastung aus anderen Gründen als durch die Obsorge für minderjährige Kinder oder durch Vormundschaften, Kuratelen und Sachwalterschaften nicht möglich sei. Der Revisionsrekurs sei zulässig, weil eine eindeutige Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Frage fehle, ob die Entschuldigungsgründe des § 195 ABGB taxativ oder demonstrativ aufgezählt seien.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen erhobene Revisionsrekurs des Dr. Kurt B***** ist nicht berechtigt.

§ 238 AußStrG sieht die Bestellung von Sachwaltern in zwei völlig unterschiedlichen Fällen vor:

Nach Abs 1 dieser Bestimmung hat das Gericht - sofern der Betroffene keinen gesetzlichen oder selbstgewählten Vertreter hat - für das Verfahren, in dem die Notwendigkeit der Bestellung eines Sachwalters überprüft wird, einen einstweiligen Sachwalter als Rechtsbeistand des Betroffenen im Verfahren zu bestellen. Dadurch wird der Betroffene in seinen Rechtshandlungen nicht beschränkt.

Nach Abs 2 dieser Bestimmung hat das Gericht dem Betroffenen, wenn es sein Wohl erfordert, auch zur Besorgung "sonstiger" dringender Angelegenheiten - das sind andere als das im § 238 Abs 1 AußStrG genannte Sachwalterschaftsverfahren (4 Ob 2235/96x) - für die Dauer des Verfahrens einen einstweiligen Sachwalter zu bestellen.

Dr. Kurt B***** wurde mit den angefochtenen Beschlüssen der Vorinstanzen ausschließlich zum Verfahrenssachwalter nach § 238 Abs 1 AußStrG bestellt. Seine Aufgabe erschöpft sich daher darin, den Betroffenen im Sachwalterschaftsverfahren zu vertreten. Er hat demgemäß an der mündlichen Verhandlung, in der die Notwendigkeit der Bestellung eines Sachwalters nach § 273 ABGB geprüft wird, teilzunehmen (§§ 239, 240 AußStrG). Er erhält den Beschluß über die Einstellung des Verfahrens (§ 246 AußStrG) oder den Beschluß auf Bestellung des Sachwalters (§ 248 AußStrG) zugestellt und vertritt den Betroffenen auch im Rechtsmittelverfahren. Er hat insofern insbesondere die Möglichkeit, gegen den Beschluß über die Bestellung des Sachwalters ein Rechtsmittel einzulegen (§ 249 Abs 2 AußStrG) und gegebenenfalls eine Rekursbeantwortung einzubringen (§ 249 Abs 3 AußStrG).

Die Arbeitsbelastung eines Verfahrenssachwalters im Sinn des § 238 Abs 1 AußStrG erschöpft sich also voraussichtlich darin, an einer, allenfalls an einer zweiten Verhandlung (für den Fall, daß das Rekursgericht eine solche durchführt - § 250 AußStrG) teilzunehmen und unter Umständen einen Rekurs gegen den Sachwalterbestellungsbeschluß oder eine entsprechende Rekursbeantwortung zu verfassen. Der besondere Umfang des Aktes, auf den Dr. B***** mehrfach verweist, resultiert im vorliegenden Fall aus der Fülle der Eingaben, die der Betroffene eingebracht hat. Eine besondere Schwierigkeit oder Arbeitsintensität der einstweiligen Vertretung des Betroffenen ausschließlich in diesem Verfahren läßt sich daraus aber nicht ableiten. Vom Verfahrensvertreter als unsinnig erkannte Eingaben braucht dieser weder zu verfassen noch mitzutragen. Ob die Vertretung des Betroffenen in anderen Angelegenheiten wie etwa in seinen sonstigen Rechtsstreitigkeiten übermäßige Zeit und Mühe erfordert, ist hier nicht von Bedeutung.

Bei Bestellung einer Person zum Sachwalter besteht grundsätzlich die Verpflichtung zur Übernahme des Amtes in Analogie zur Regelung des § 200 ABGB für die Vormundbestellung. Es kommen auch die Vorschriften über die notwendige und freiwillige Entschuldigung des Vormundes zur Anwendung (8 Ob 506/93 mwN). Ob bei einer Bestellung zum Verfahrenssachwalter auch andere freiwillige Entschuldigungsgründe als jene, die im § 195 ABGB angeführt sind, in Betracht kommen, kann hier dahingestellt bleiben. § 195 ABGB ist zumindest als Wertungsrichtlinie dahin zu verstehen, daß gerade bei jenen Personen, die nach den gesetzlichen Bestimmungen, hier insbesondere nach § 281 ABGB, als Sachwalter primär in Betracht kommen, gravierende Umstände vorliegen müssen, um sie ihrer grundsätzlichen Pflicht zur Übernahme dieser Funktion zu entledigen. Eine unzumutbare Belastung des Dr. B***** ist aber selbst bei Zutreffen der von ihm angeführten Gründe für die Ablehnung der Sachwalterbestellung nicht zu erkennen. Selbst bei Berücksichtigung des Umstandes, daß Dr. B***** durch die Vertretung seines erkrankten Kanzleikollegen zur Zeit eine Mehrbelastung hinnehmen muß und die Verteidigung zweier Verdächtiger in einem umfangreichen Strafverfahren übernommen hat, ist kein Grund ersichtlich, warum er diesen Aufgaben nicht auch weiterhin ohne besondere Beeinträchtigung nachkommen sollte, wenn er die wenigen erforderlichen prozessualen Schritte als Verfahrenssachwalter zu bewerkstelligen hat. Diese bewegen sich im Rahmen der normalen Tätigkeit eines Rechtsanwaltes und sind mit "normalen Bürgerpflichten" im Sinn des Art 4 Abs 3 lit d MRK vergleichbar (8 Ob 506/93). Da sich aus dem Vorbringen des Dr. B***** nicht ergibt, daß er bereits mit anderen unfreiwilligen Vertretungspflichten im Sinn des § 195 ABGB belastet ist und die vorliegende Bestellung zum Verfahrenssachwalter infolge des auf das Verfahren beschränkten Wirkungskreises eines solchen Sachwalters voraussichtlich keinen größeren Aufwand verursacht, ist die Aufhebung der Bestellung selbst bei Anerkennung eines über § 195 ABGB hinausgehenden allgemeinen Entschuldigungsgrundes wegen Überlastung nicht gerechtfertigt.

Rechtssätze
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