JudikaturJustiz7Ob240/18x

7Ob240/18x – OGH Entscheidung

Entscheidung
30. Januar 2019

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Hon. Prof. Dr. Höllwerth, Dr. E. Solé, Mag. Malesich und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei B***** M*****, vertreten durch Bollmann Bollmann Rechtsanwaltspartnerschaft in Wien, gegen die beklagte Partei U***** AG, *****, vertreten durch Thum Weinreich Schwarz Chyba Reiter Rechtsanwälte OG in St. Pölten, wegen 23.566,50 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 28. August 2018, GZ 1 R 96/18x 34, mit dem das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 22. November 2017, GZ 41 Cg 76/16h 29, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 1.568,52 EUR (darin 261,42 EUR an Umsatzsteuer) bestimmten Kosten ihrer Revisionsbeantwortung zu ersetzen.

Text

Begründung:

Der Kläger hat bei der Beklagten eine Haushaltsversicherung abgeschlossen, die auch Deckung für „Einbruchdiebstahl und Beraubung“ umfasst, und der die Klipp Klar-Bedingungen für die Zuhause Glücklich Wohnungsversicherung Deckungsvariante „Optimal“ (ZGWO) in der Fassung 05/2014 (FC 46) zugrundeliegen. Diese lauten auszugsweise:

„Welche Gefahren sind versichert? – Artikel 3

...

3. Einbruchdiebstahl und Beraubung

Versichert sind Schäden

• durch versuchten oder vollbrachten Einbruchsdiebstahl

- wenn der Täter in die Versicherungsräume gelangt

- durch Eindrücken oder Aufbrechen von Türen, Fenstern oder anderen Gebäudeteilen,

Welche Sicherheitsmaßnahmen sind zu treffen? – Artikel 4

• Wird die Wohnung von allen Personen verlassen, ist sie zu versperren und die vereinbarten Sicherungen anzuwenden.

...“

Die Tür zur Wohnung des Klägers wurde nach deren Verlassen nur zugezogen, blieb aber unversperrt. Ein Einbruch oder das Überwinden der Türe wäre durch das Versperren der Türe erschwert worden, weil das Aufbrechen nur unter Verursachung größeren Lärms und einer längeren Zeitdauer möglich gewesen wäre.

Rechtliche Beurteilung

Das Berufungsgericht, das die klagsabweisende Entscheidung des Erstgerichts bestätigt, sprach – nachträglich – aus, dass die ordentliche Revision doch zulässig sei. Von der höchstgerichtlichen Rechtsprechung sei nämlich – soweit ersichtlich – noch nicht die erhebliche Rechtsfrage beantwortet worden, ob der Kausalitätsgegenbeweis schon dann misslungen ist, wenn die Obliegenheitsverletzung zu einer erhöhten Gefahrenlage geführt hat, oder ob dem Versicherungsnehmer dennoch der Beweis offen steht, dass der Versicherungsfall jedenfalls eingetreten wäre. Damit zeigen das Berufungsgericht und der diese Frage ebenfalls ansprechende Kläger im vorliegenden Kontext die Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO nicht auf. Die Revision ist daher entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) – Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig. Die Zurückweisung eines ordentlichen Rechtsmittels wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 ZPO):

1. Gemäß § 6 Abs 2 VersVG kann sich der Versicherer bei der Verletzung einer Obliegenheit, die der Versicherungsnehmer zum Zweck der Verminderung der Gefahr oder der Verhütung einer Erhöhung der Gefahr dem Versicherer gegenüber – unabhängig von der Anwendbarkeit des Abs 1a – zu erfüllen hat, auf die vereinbarte Leistungsfreiheit nicht berufen, wenn die Verletzung keinen Einfluss auf den Eintritt des Versicherungsfalls oder soweit sie keinen Einfluss auf den Umfang der dem Versicherer obliegenden Leistung gehabt hat (vorbeugende Obliegenheit). § 6 Abs 2 VersVG eröffnet dem Versicherungsnehmer einen Kausalitätsgegenbeweis. Dafür bedarf es des Beweises, dass der Versicherungsfall auch ohne die Verletzung der Obliegenheit mit Sicherheit eingetreten wäre, dass also der Eintritt und der Umfang des Versicherungsfalls nicht auf der erhöhten Gefahrenlage beruhen, die typischerweise durch die Obliegenheitsverletzung entsteht (7 Ob 33/95). An den Gegenbeweis sind strenge Anforderungen zu stellen (RIS Justiz RS0081343 [T3]); es ist nicht etwa nur die Unwahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs darzutun (RIS-Justiz RS0079993). Ob der Kausalitätsgegenbeweis gelungen ist, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab (RIS-Justiz RS0079993 [T6]).

2. Der Fachsenat hat den Kausalitätsgegenbeweis bereits als misslungen angesehen, wenn durch die Obliegenheitsverletzung die Gefahr eines Einbruchdiebstahls deshalb gesteigert wird, weil einem Einbrecher, etwa durch ein Fenster in Kippstellung, weniger Widerstand geboten wird als durch ein geschlossenes Fenster (7 Ob 239/12s; vgl auch 7 Ob 94/06h). Die Verpflichtung, die Wohnung zu versperren, ist ebenfalls eine Obliegenheit mit dem jedem Versicherungsnehmer erkennbaren Zweck, ein unbefugtes Eindringen unmöglich zu machen oder zumindest erheblich zu erschweren. Dieser Zweck kann nicht bereits durch das bloße Zuziehen einer Wohnungstür erreicht werden, bietet dies doch schon nach allgemeinem Kenntnisstand einen weit geringeren Einbruchsschutz (7 Ob 76/16a). Genau in diesem Sinn steht hier fest, dass die versperrte Türe nur unter Verursachung größeren Lärms und einer längeren Zeitdauer, also nur mit wesentlich gesteigerter krimineller Energie, hätte aufgebrochen werden können. Damit ist der Nachweis, dass der Eintritt des Versicherungsfalls nicht auf der erhöhten Gefahrenlage beruhte, die typischerweise durch die Obliegenheitsverletzung entsteht, gerade nicht erbracht. Dass nur nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann, dass der Einbruch auch bei versperrter Tür erfolgt wäre, reicht – entgegen der Ansicht des Klägers – für den Kausalitätsgegenbeweis nicht aus.

3. Die Vorinstanzen haben somit die Leistungsfreiheit der Beklagten infolge Verletzung einer Obliegenheit nach § 6 Abs 2 VersVG im Einklang mit der Rechtsprechung des Fachsenats angenommen. Auf die Frage, ob der Kläger auch noch eine Aufklärungspflichtverletzung nach § 6 Abs 3 VersVG zu vertreten hat, ist bei dieser Sachlage nicht mehr einzugehen. Eine Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO stellt sich nicht. Die Revision ist somit nicht zulässig und daher zurückzuweisen.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 50, 41 ZPO. Die Beklagte hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.