JudikaturJustiz7Ob2126/96i

7Ob2126/96i – OGH Entscheidung

Entscheidung
11. Juni 1996

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Niederreiter, Dr.Schalich, Dr.Tittel und Dr.I.Huber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden und widerbeklagten Partei Paul S*****, vertreten durch Dr.Manfred Macher, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte und widerklagende Partei Wolf K*****-R*****, vertreten durch Dr.Markus Freund, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 98.896,32 sA (Revisionsinteresse S 96.471,-- sA), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 28.Februar 1996, GZ 16 R 8/96-45, womit das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 8.April 1994, GZ 22 Cg 13/93f-38, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Der Antrag der klagenden und widerbeklagten Partei auf Zuspruch von Revisionskosten wird abgewiesen.

Text

Begründung:

Der Beklagte und Widerkläger (in der Folge: Beklagter) ist Eigentümer eines einstöckigen Hauses in M*****. Der Kläger hat dort im Auftrag des Beklagten im Erdgeschoß einen Kachelofen und im Obergeschoß im Bereich der Holztrennwand zwischen Badezimmer und Wohnzimmer einen mit einem Heizkamin versehenen Kachelverbau errichtet. Aufgrund der mangelhaften Ausführung kam es am 26.2.1992 im Bereich des Kaminverbaues zu einem Brand, der von der Feuerwehr gelöscht werden mußte. In der Folge erklärte sich der Kläger dem Beklagten gegenüber bereit, auf eigene Kosten wieder einen Kachelverbau herzustellen, jedoch nunmehr unter Verwendung eines sogenannten "Brunnereinsatzes" mit besserer Isolierung, den der Beklagte allerdings zahlen müsse.

Im Obergeschoß des Hauses des Beklagten befinden sich unter anderem eine 4 m lange Sitzcouch, ein Liegebett und ein Einzelfauteuil. Im Erdgeschoß stehen unter anderem eine aus einem Zweiersofa und zwei Einzelsofas bestehende Sitzgarnitur, zwei weitere Fauteuils und acht Zimmerstühle. Beide Sitzgarnituren waren vor dem Brand mit ein und demselben mit einem Prägemuster versehenen Stoff versehen. Im Untergeschoß befinden sich zum Möbelstoff passende weiße Vorhänge, im Obergeschoß waren bzw. sind die Vorhänge in Beige- und Weißtönen gemustert. Der Fußboden in beiden Geschoßen war durchgehend mit einem weißen Teppichboden ausgelegt. Durch den Brand wurden sämtliche Polstermöbelbezüge des Obergeschoßes verschmutzt und unbrauchbar; während im Untergeschoß keine Schäden auftraten. Der Beklagte und seine Gattin bemühten sich vergeblich, für den Neubezug der Sitzgarnitur des Obergeschoßes den ursprünglich verwendeten Stoff wieder zu beschaffen. Die Sitzmöbel des Obergeschoßes wurden daher mit einem grau-weißen, mit Prägemuster versehenen Stoff neu tapeziert. Dieser Stoff ist dem ursprünglichen Bezug zwar ähnlich, es bestehen jedoch optische Differenzen. Der Beklagte und seine Gattin wollen jedoch die vor dem Brand bestandene Einheitlichkeit beider Geschoße wiederherstellen und auch die Sitzmöbel des Erdgeschoßes mit dem nunmehr im Obergeschoß verwendeten Ersatzstoff beziehen lassen. Hiefür wäre ein Kostenaufwand von S 96.471,-- erforderlich.

Der Kläger begehrt vom Beklagten für die Neuerrichtung des Kamins die Bezahlung von S 98.896,32.

Der Beklagte beantragte die Klagsabweisung, er wendete ein, sich nur zur Bezahlung des ca. S 15.000,-- kostenden Brunnereinsatzes verpflichtet zu haben. Überdies wendete er compensando eine Gegenforderung von S 96.471,-- ein, über die er in der Folge auch eine Widerklage erhob. Sein exquisites und innenarchitektonisch durchgestyltes Wohnhaus stelle ein Gesamtkunstwerk dar, das durch die Beschädigungen eines Teiles davon, nämlich der Ausstattung des Obergeschoßes, in seiner Gesamtheit, also auch hinsichtlich der Ausstattung des Untergeschoßes, zerstört worden sei. Die gesamte Einrichtung, insbesondere die Bezüge der Sitzmöbel, die Teppiche und die Vorhänge, seien aufeinander abgestimmt gewesen. Da der ursprünglich für die Sitzmöbel verwendete Bezugsstoff nicht mehr erhältlich sei, müßten nun - um den Ensemblecharakter zu erhalten - auch die an sich unbeschädigten Sitzmöbel im Untergeschoß mit dem nunmehr verwendeten neuen Bezug bezogen werden. Dieser Teil seines Schadens sei ihm bislang nicht ersetzt worden.

Der Kläger bestritt die eingewendete Gegenforderung und die Widerklage.

Das Erstgericht erklärte die Klagsforderung mit S 22.970,72 als zu Recht bestehend und verneinte den Bestand der eingewendeten Gegenforderung. Dementsprechend sprach es dem Kläger S 22.970,72 zu und wies das Mehrbegehren sowie das Widerklagebegehren des Beklagten ab. Der Kläger sei nur zur Geltendmachung der Materialkosten des sogenannten Brunnereinsatzes berechtigt. Die Meinung des Beklagten, sein Haus sei ein Gesamtkunstwerk, sei nicht zu teilen. Bei einer Hauseinrichtung könne - möge sie noch so geschmackvoll und optisch gelungen wirken - nie von einem Kunstwerk gesprochen werden, weil Einrichtungsgegenständen und Sitzmöbeln wie den hier verwendeten die originale Einzigartigkeit fehle. Dementsprechend sei das dem Wert der besonderen Vorliebe zu unterstellende Begehren des Beklagten abzuweisen gewesen.

Das Berufungsgericht bestätigte mit der angefochtenen Entscheidung dieses Urteil. Es erklärte die Erhebung der Revision für zulässig. Nicht jede schuldhafte Beschädigung einer selbständigen Sache, die Teil einer Gesamtsache sei, führe zu einer Schadenersatzpflicht des Geschädigten auch hinsichtlich der nicht beschädigten Teile der Gesamtsache. Die Einrichtung des Hauses des Beklagten könne nach der Verkehrsauffassung nicht in nachvollziehbarer Weise als eine funktionelle Einheit, deren Funktionsfähigkeit bei Beschädigung einzelner Teile beeinträchtigt sei, beurteilt werden. Der Beklagte habe nicht einmal behauptet, daß beide Geschoße seines Hauses so miteinander verbunden seien, daß für einen Betrachter die Einrichtung beider Geschoße gleichzeitig möglich sei. Dazu komme noch, daß sich der Beklagte nicht auf die Abstimmung der sonstigen Einrichtung, insbesondere der Teppiche und Vorhänge, mit dem Bezugsstoff der Sitzmöbel berufen könne. Die ursprüngliche Abstimmung des Bezuges der Sitzmöbel auf die Vorhänge und Teppiche sei nämlich gerade im Untergeschoß unverändert erhalten geblieben. Im Hinblick auf den durch Sitzmöbel, Teppiche und Vorhänge im Untergeschoß gebildeten Gesamteindruck könne daher nicht von einer relevanten Beeinträchtigung durch die nunmehr geringfügig abweichenden Bezüge der Sitzmöbel im Obergeschoß gesprochen werden.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen diese Entscheidung erhobene Revision des Beklagten ist unzulässig.

Als Gesamtsache wird eine Mehrzahl von Gegenständen, die im Verkehr ungeachtet des fehlenden körperlichen Zusammenhanges als Einheit angesehen wird, beurteilt. Die Teile der Gesamtsache können paarig sein (Schuhe, Anzug) oder in anderer bestimmter (Schach- oder Kartenspiel), auch bloß typischer (Service) oder beliebiger Zahl vorkommen (Ensemble, Werkzeug- oder Möbelgarnitur, Schmuckset, Bilderzyklus). Die Vereinigung nach subjektiven Gesichtspunkten genügt nicht, eine Wohnungseinrichtung ist daher im Zweifel keine Gesamtsache (vgl. Spielbüchler in Rummel ABGB2 § 302 Rz 2 mwN). Zutreffend hat das Berufungsgericht erkannt, daß für die Beurteilung einer Wohnungseinrichtung als Gesamtsache eine entsprechende Qualifikation, nämlich ein künstlerischer Ensemblegehalt (vgl. auch Klang in Klang2 II, 37; Pimmer in Schwimann, Rz 2 zu § 302 ABGB; und JBl 1954, 514), erforderlich ist. Ob eine derartige vom künstlerischen Standpunkt sich ergebende Einheit zwischen der Einrichtung im Erd- mit jener im Obergeschoß des Hauses des Beklagten vorliegt, ist letztlich eine Tatfrage, die allein in den Beurteilungsbereich der Vorinstanzen fiel. Wenn das Berufungsgericht die vom Beklagten für seinen Standpunkt angebotenen Beweise für nicht ausreichend erachtete, so stellt diese Beurteilung keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs.1 ZPO dar. Darüber hinaus kommt der Lösung der vorliegenden Frage keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zu. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Da die klagende Partei nicht auf die Unzulässigkeit der von der beklagten Partei erhobenen Revision hinwies, konnten ihr für die Revisionsbeantwortung keine Kosten zuerkannt werden.