JudikaturJustiz7Ob2/86

7Ob2/86 – OGH Entscheidung

Entscheidung
20. Februar 1986

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Petrasch und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz, Dr. Warta und Dr. Egermann als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Engelbert K*** sen., Landwirt, Ruprechtshofen, Foregg 4, vertreten durch Dr. Alfred Lukesch und andere, Rechtsanwälte in St. Pölten, wider die beklagte Partei V*** DER

Ö*** B***, Versicherungsaktiengesellschaft,

Wien 9., Nußdorfer Straße 66, vertreten durch Dr. Stefan Gloß und andere, Rechtsanwälte in St. Pölten, wegen Feststellung (Streitwert 500.000 S), infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 11. November 1985, GZ 14 R 171/85-10, womit das Urteil des Kreisgerichtes St. Pölten vom 4.April 1985, GZ 3 Cg 503/84-6, aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben und die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Die Kosten des Verfahrens vor dem Obersten Gerichtshof sind weitere Kosten des Berufungsverfahrens.

Text

Begründung:

Der Kläger ist bei der Beklagten haftpflichtversichert. Der Versicherung liegen die Allgemeinen Bedingungen für die Haftpflichtversicherung (AHVB 1963) und die Ergänzenden Allgemeinen Bedingungen für die Haftpflichtversicherung (EHVB 1963) zugrunde. Als Versicherungssumme für die Schädigung einer Person wurden 500.000 S vereinbart. Mitversichert sind minderjährige Kinder, die mit dem Versicherungsnehmer in häuslicher Gemeinschaft leben. Am 26.9.1981 verletzte der minderjährige Sohn des Klägers Engelbert K*** jun. in Grabenegg Nr.4 vor dem Gasthaus B*** durch Abgabe eines Schusses aus einem abgesägten doppelläufigen Schrotgewehr, das mit selbstangefertigten Platzpatronen geladen war, Alois P*** am linken Auge derart schwer, daß das Auge entfernt werden mußte. Engelbert K*** jun. wurde auf Grund dieses Vorfalles rechtskräftig des Vergehens nach § 36 Abs.1 a Waffengesetz und nach § 88 Abs.1 und 4 erster Fall StGB für schuldig erkannt. Alois P*** macht Schadenersatzforderungen gegen Engelbert K*** jun. geltend.

Das Erstgericht hat dem auf Deckung aus der Haftpflichtversicherung für den Vorfall vom 26.9.1981 in Grabenegg gerichteten Klagebegehren stattgegeben. Es hat die Aktivlegitimation des Klägers bejaht. Außerdem hat es ausgeführt, das Ereignis sei zwar nicht den Gefahren des täglichen Lebens zuzurechnen, doch erstrecke sich die Haftpflichtversicherung auch auf die Tätigkeit des Versicherungsnehmers als Schütze. Schütze sei nach dem allgemeinen Sprachgebrauch jeder, der einen Schuß abgibt, wobei es weder erforderlich sei, daß diese Tätigkeit im Rahmen einer Teilnahme an einem Preisschießen ausgeübt werde, noch daß sie erlaubt erfolge. Es spiele auch keine Rolle, daß der Schaden fahrlässig herbeigeführt worden sei, weil nur die vorsätzliche Herbeiführung den Versicherungsschutz ausschließen würde. Das Berufunsgericht teilte zwar die Rechtsansicht des Erstgerichtes, hob jedoch dessen Entscheidung unter Rechtskraftvorbehalt mit der Begründung auf, es müsse festgestellt werden, ob Engelbert K*** jun. in häuslicher Gemeinschaft mit dem Kläger gelebt habe.

Rechtliche Beurteilung

Der von der Beklagten gegen die Entscheidung des Berufungsgerichtes erhobene Rekurs ist im Ergebnis gerechtfertigt. Wie bereits mehrfach ausgesprochen wurde (VersR 1981, 665, 7 Ob 8/79) muß ein Schütze im Sinne der Z 21 1. lit d EHVB 1963 nicht Teilnehmer an einem Preisschießen sein, um Versicherungsschutz zu genießen. Schütze ist jeder, der einen Schuß abgibt. Die erwähnten Versicherungsbedingungen unterscheiden auch nicht zwischen dem erlaubten und dem verbotenen Besitz einer Faustfeuerwaffe. Die Beklagte vertritt nun die Meinung, der Sohn des Klägers sei nicht Besitzer der Waffe gewesen, er habe diese nur geführt. Dem ist entgegenzuhalten, daß derjenige, der eine Waffe "führt", zumindest auch ihr Inhaber und damit ihr Besitzer im Sinne des Waffengesetzes ist. Darunter ist nämlich nicht nur der "Besitz" im Sinne des § 309 ABGB, sondern auch die Innehabung im Sinne dieser Bestimmung zu verstehen, die keinen Besitzwillen zur Voraussetzung hat (VersR 1984, 1198). Auf die Zulässigkeit des Führens oder des Besitzes einer Waffe stellen aber die hier maßgeblichen Versicherungsbedingungen nicht ab.

Geht man davon aus, daß jeder, der einen Schuß aus einer Waffe abfeuert, Schütze ist, und daß der Versicherungsschutz schon für die Tätigkeit als Schütze ohne Rücksicht auf die Erlaubtheit des Abfeuerns eines Schusses gegeben ist, so haben die Vorinstanzen richtig erkannt, daß im vorliegenden Fall der Versicherungsschutz nicht im Hinblick auf das Unerlaubte des Verhaltens des Sohnes des Klägers verweigert werden kann. Die zutreffende Rechtsansicht der Vorinstanzen, daß bei der Haftpflichtversicherung der Versicherungsschutz nur im Falle vorsätzlichen Handelns, nicht aber im Falle grober Fahrlässigkeit ausgeschlossen ist, wird in der Revision nicht mehr bekämpft.

Wie das Berufungsgericht richtig erkannt hat, ist auch der Spruch der erstgerichtlichen Entscheidung hinreichend deutlich. Es wird nämlich einwandfrei auf die bestehende Haftpflichtversicherung und auf die Haftung für einen Vorfall vom 26.9.1981 in Grabenegg, bei welchem Alois P*** verletzt wurde, verwiesen. Im übrigen wären im Falle einer Undeutlichkeit des Spruches auch die Entscheidungsgründe zur Verdeutlichung heranzuziehen. Diese lassen aber einwandfrei erkennen, wofür und wem Versicherungsschutz zu gewähren ist. Abgesehen davon, daß also schon der Spruch der erstinstanzlichen Entscheidung hinreichend deutlich ist, würde umso mehr die zusätzliche Berücksichtigung der Entscheidungsgründe den Spruch als ausreichend erscheinen lassen.

Es ist richtig, daß Versicherungsschutz nur für die im gemeinsamen Haushalt mit dem Versicherungsnehmer lebende Personen zu gewähren ist. Diesbezüglich lagen jedoch derart viele Anhaltspunkte vor, daß, wenn mangels einer entsprechenden Einwendung der Beklagten überhaupt Zweifel an dieser Tatsache angebracht waren, nur eine kurze Erörterung erforderlich gewesen wäre. Nach der Aktenlage benötigt die Klärung dieser Frage keinen namhaften Verfahrensaufwand. Die bloße Tatsache, daß das Nachholen einer solchen Erörterung in einer mündlichen Berufungsverhandlung mit etwas höheren Kosten verbunden wäre, als eine solche Erörterung im Verfahren erster Instanz, rechtfertigt nicht eine Aufhebung in die erste Instanz. Vielmehr hätte das Berufungsgericht diese Erörterung selbst vornehmen und die notwendigen Feststellungen treffen müssen. Es darf nämlich nicht übersehen werden, daß eine Aufhebung in die erste Instanz nicht nur mit den dortigen Verhandlungskosten, sondern unter Umständen auch mit weiteren Rechtsmittelkosten verbunden ist. Aus diesem Grunde erweist sich die Bemängelung in der Rekursbeantwortung betreffend die Aufhebung als gerechtfertigt. Die Kostenentscheidung gründet sich auf den § 52 ZPO.