JudikaturJustiz7Bs286/22z

7Bs286/22z – OLG Innsbruck Entscheidung

Entscheidung
09. Februar 2023

Kopf

Das

Oberlandesgericht Innsbruck

hat durch den Senatspräsidenten Mag. Knapp, LL.M., als Vorsitzenden sowie den Richter Mag. Dampf und die Richterin Dr. Offer als weitere Mitglieder des Senats in der Strafsache gegen P***** W***** wegen des Verbrechens des Widerstands gegen die Staatsgewalt nach §§ 15, 269 Abs 1 zweiter Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Berufung der Staatsanwaltschaft Innsbruck wegen Nichtigkeit und wegen des Ausspruchs über die Strafe gegen das einzelrichterliche Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 28.9.2022, GZ 24 Hv 64/22h-16, nach der am 9.2.2023 in Anwesenheit der Schriftführerin Rp ***** K*****, der Sitzungsvertreterin der Oberstaatsanwaltschaft Mag. a Draschl sowie des Angeklagten P***** W***** und seines Verteidigers RA Dr. Manfred Dallago öffentlich durchgeführten Berufungsverhandlung am selben Tag zu Recht erkannt:

Spruch

Der Berufung wegen Nichtigkeit wird F o l g e gegeben und das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Strafausspruch (einschließlich der Vorhaftanrechnung) und der Beschluss auf Anordnung der Bewährungshilfe und Erteilung einer Weisung nach § 494 StPO aufgehoben und in diesem Umfang in der Sache selbst erkannt:

Für die unberührt bleibenden Schuldsprüche wird der Angeklagte P***** W***** nach § 269 Abs 1 zweiter Fall StGB in Anwendung der §§ 28 Abs 1, 43a Abs 2 StGB zu einer

Geldstrafe von 120 (in Worten: einhundertzwanzig Tagessätzen) à EUR 4,--

im Uneinbringlichkeitsfall 60 (in Worten: sechzig) Tagen Ersatzfreiheitsstrafe,

sowie

einer gemäß § 43 Abs 1 StGB unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von sechs Monaten

v e r u r t e i l t.

Gemäß § 38 Abs 1 Z 1 StGB wird die Verwahrungshaft vom 16.6.2022, 6.00 Uhr bis 15.42 Uhr auf die ausgesprochene Strafe angerechnet.

Gemäß § 390a Abs 1 StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Berufungsverfahrens zur Last.

Mit ihrer Berufung wegen des Ausspruchs über die Strafe wird die Staatsanwaltschaft auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am ***** geborene deutsche Staatsangehörige P***** W***** der Vergehen der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB (I./), der Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 und 2 StGB (II./), des Verbrechens des Widerstands gegen die Staatsgewalt nach §§ 15, 269 Abs 1 zweiter Fall StGB (III./) und des Vergehens der Sachbeschädigung nach § 125 StGB (IV./) schuldig erkannt.

Danach habe er

am 16.6.2022 in K*****

I.

nachgenannte Personen vorsätzlich am Körper verletzt, und zwar:

II.

A***** M*****, M***** E***** und C***** M***** durch die Äußerung „I hol jetz die Puffn und daschiaß enk olle!“ gefährlich mit dem Tod bedroht, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen;

III.

die einschreitenden Polizeibeamten der PI W***** GI M***** U***** und RI A***** K***** mit Gewalt und durch gefährliche Drohung mit dem Tod an einer Amtshandlung, nämlich der Sachverhaltsaufklärung und Gefahrenabwehr, zu hindern versucht, indem er ihnen Gegenstände entgegenwarf und schrie „I hol jetz die Puffn und daschiaß enk olle!“;

IV.

fremde Sachen, nämlich Blumentöpfe, eine Stecklaterne, eine Glasdekoration, einen Windladen und das Smartphone der C***** M***** beschädigt, indem er diese Gegenstände umher warf.

Hiefür verhängte die Einzelrichterin über den Angeklagten nach dem zweiten Strafsatz des § 269 Abs 1 StGB in Anwendung der §§ 28 Abs 1, 39a Abs 1 Z 4 iVm Abs 2 Z 3, 43a Abs 2 StGB eine für eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehene Freiheitsstrafe von 12 Monaten und eine Geldstrafe von 120 Tagessätzen á EUR 4,--, im Uneinbringlichkeitsfall 60 Tage Ersatzfreiheitsstrafe, verpflichtete ihn gemäß § 389 Abs 1 StPO zum Ersatz der Kosten des Strafverfahrens und rechnete aktenkonform die erlittene Vorhaft gemäß § 38 Abs 1 Z 1 StGB auf die ausgesprochene Strafe an.

Gemeinsam mit dem Urteil wurde nach § 494 StPO iVm §§ 50, 52 StGB für die Dauer der Probezeit Bewährungshilfe angeordnet und dem Angeklagten die Weisung erteilt, eine Suchtberatung zur Alkoholentwöhnung in Anspruch zu nehmen, wobei diese Beschlüsse nicht nur gesondert ausgefertigt (ON 13), sondern zusätzlich verfehlt auch in die schriftliche Urteilsausfertigung aufgenommen wurden (US 3 und 4; RIS-Justiz RS0126528, RS0101841).

Die Einzelrichterin traf zum Sachverhalt nachfolgende Feststellungen:

P***** W***** wurde ***** in F***** geboren und ist deutscher Staatsangehöriger. Von seiner Ehegattin ist er geschieden und muss dieser keinen Unterhalt leisten. Der 24-jährige Sohn des Angeklagten ist selbsterhaltungsfähig und benötigt keine finanzielle Unterstützung mehr. Ein Verfahren zur Feststellung der dauernden Berufsunfähigkeit des Angeklagten ist anhängig, derzeit befindet er sich im Krankenstand und bezieht Notstandshilfe und Sozialleistungen in Höhe von insgesamt netto EUR 1.200,-- monatlich. Der Angeklagte leidet an Dystonie, einer neurologischen Erkrankung, die die Einnahme von Medikamenten erfordert, welche sich mit Alkohol nicht gut vertragen. P***** W***** ist unbescholten (ON 9 und ON 10).

Am 16.06.2022 befand sich der Angeklagte nach einer Feier in einem stärker alkoholisierten Zustand, in seiner Diskretions- und Dispositionsfähigkeit war er durch die Kombination Alkohol - Medikamente stark eingeschränkt, ohne, dass diese aufgehoben gewesen wäre.

Zwischen 04.50 Uhr und 05.00 Uhr in der Früh kam es zu einem Aufeinandertreffen zwischen C***** M*****, einer guten Freundin des Angeklagten, die mit zwei neu kennengelernten Herren nach einer Feier nach Hause kam, und dem Angeklagten, der beim Haus der C***** M***** auf sie gewartet hatte. Der Angeklagte war eifersüchtig und erzürnt und stürzte sich auf A***** M*****, er warf eine Vase auf diesen, mit welcher er ihn im Gesicht traf, versetzte ihm eine Ohrfeige und mehrere Faustschläge gegen den Kopf, wodurch A***** M***** eine gerötete Schwellung an der rechten Wange, eine Beule am Hinterkopf und infolge einer Abwehrbewegung auch eine Wunde an der rechten Hand erlitt und, nachdem A***** M***** durchs Fenster des Badezimmers ins Freie geflüchtet war, verfolgte er ihn mit einer Bratpfanne.

M***** E*****, der versucht hatte, dazwischen zu gehen, wurde durch den Angeklagten durch Versetzen eines Faustschlags ins Gesicht unterhalb des linken Auges verletzt, er erlitt dort eine gerötete Schwellung.

Während dieser eben beschriebenen Tathandlungen hielt es der Angeklagte zumindest ernstlich für möglich und fand sich damit ab, den A***** M***** und den M***** E***** am Körper zu verletzen.

Im Anschluss an dieses Geschehen äußerte der Angeklagte, auf der Terrasse beim Wohnhaus der C***** M***** stehend, dem A***** M*****, dem M***** E***** und der C***** M***** gegenüber und nach Eintreffen der Polizeibeamten am Tatort „I hol jetz die Puffn und daschiaß enk olle!“ und kündigte ihnen somit an, er werde sie umbringen, wobei aufgrund des Umstands, dass sich im Haus der C***** M*****, zu welchem der Angeklagte zu diesem Zeitpunkt Zugang hatte, eine funktionsfähige Schrotflinte befand und der Angeklagte auch derjenige war, der wusste, wo sich die Munition befand, bei den Bedrohten der Eindruck entstand, die Drohung sei ernst gemeint und ihre Umsetzung hänge vom Willen des Angeklagten ab. Zu dem Zeitpunkt, als der Angeklagte die Äußerung tätigte, hielt er es zumindest ernstlich für möglich und fand sich damit ab, A***** M*****, M***** E***** und C***** M***** ernstlich mit dem Tode zu drohen, und handelte zudem in der Absicht, die Genannten nachhaltig zu ängstigen und in einen peinvollen Seelenzustand zu versetzen.

Die vor Ort anwesenden einschreitenden Polizeibeamten der PI W*****, GI M***** U***** und RI A***** K*****, waren ebenfalls Adressaten dieser gefährlichen Drohung mit dem Tode und hielt es der Angeklagte zum Zeitpunkt der festgestellten Äußerung zumindest ernstlich für möglich und fand sich damit ab, die Polizeibeamten an einer Amtshandlung, nämlich der Sachverhaltsaufklärung und Gefahrenabwehr, zu hindern, wobei der Angeklagte den Polizeibeamten, die sich ihm in deeskalierender Absicht zu nähern versuchten, zusätzlich Gegenstände – wie eine Gießkanne und Gummistiefel – entgegenwarf. Der Angeklagte wusste und wollte, dass der Kreis der Adressaten seiner Drohung mit dem Tode amtshandelnde Polizeibeamte umfasste, das war ihm zu diesem Zeitpunkt jedoch gleichgültig.

Im Zuge der Geschehnisse wurden vom Angeklagten fremde Sachen, nämlich Blumentöpfe, eine Stecklaterne, eine Glasdekoration, ein Windladen und das Smartphone der C***** M***** beschädigt, indem der Angeklagte diese Gegenstände umherwarf, wobei er es jeweils ernstlich für möglich hielt und sich damit abfand, fremde bewegliche Sachen zu beschädigen oder gar zu zerstören und somit den Eintritt eines nicht näher feststellbaren Vermögensschadens bei C***** M***** zu verursachen.

Der Angeklagte hat der Geschädigten C***** M***** gegenüber die Schäden, die er selbst beheben konnte, behoben, indem er ausgerissene Bäumchen wieder einpflanzte, den Windladen reparierte, der C***** M***** ein neues Smartphone kaufte und die Schäden, die auf diese Weise nicht gutgemacht werden konnten, durch Abzug bzw. Gegenverrechnung in Höhe von EUR 300,-- beglichen (C***** M***** hatte sich vom Angeklagten EUR 1.000,-- geliehen und ihm nun nur EUR 700,-- zurückgezahlt).

Der Angeklagte strebt einen Alkoholentzug und sodann eine längerfristige stationäre Entwöhnung an und hat dies bereits in Angriff genommen (Beilage ./II).

Auf der Ebene der Beweiswürdigung stützte die Einzelrichterin ihre Urteilsannahmen zur äußeren Tatseite auf die Angaben der Zeugen A***** M*****, M***** E*****, C***** M***** sowie die Aussagen der Zeuge GI U***** und RI K***** und die - insoweit sich der Angeklagte an die Vorfälle habe erinnern können - auf die geständige Verantwortung.

Zur inneren Tatseite führte die Einzelrichterin Nachstehendes aus:

Die Feststellungen zur jeweils gegebenen inneren Tatseite stützen sich einerseits auf die lebensnahe Betrachtung des Sachverhalts und Rückschlüsse aus dem Verhalten des Angeklagten, weiters auch auf die Verantwortung des Angeklagten, er habe schon möglich und findet sich damit ab, dass die jeweiligen Opfer eine Verletzung oder zumindest nicht ganz unwesentliche Beeinträchtigung ihres Gesundheitszustands erleiden. Da der Angeklagte in seiner Zurechnungsfähigkeit zwar stark beeinträchtigt erkannt, dass es sich um Polizeibeamte handle, es sei ihm in der Situation jedoch egal gewesen. Wer anderen im Wissen darum, dass im Haus eine funktionsfähige Schrotflinte verfügbar ist, und im Wissen darum, wo sich die Munition befindet, damit droht, die „Puffn“ zu holen und alle zu erschießen, der hält es, wenn er weiß, dass er dies auch an die einschreitenden Polizeibeamten, die den Sachverhalt aufzuklären haben und zur Gefahrenabwehr verpflichtet sind, adressiert, ernstlich für möglich und findet sich damit ab, mit dieser ernst gemeinten Todesdrohung Beamte an einer Amtshandlung zu hindern – das gleiche gilt, wenn er den Polizeibeamten Gegenstände entgegenwirft; wer diese Äußerung gegenüber weiteren Personen tätigt, der handelt so, um die Adressaten in einen peinvollen und nachhaltigen Angstzustand zu versetzen, und der hält es auch ernstlich für möglich und findet sich damit ab, dass der Bedeutungsgehalt das Zufügen nicht nur einer Körperverletzung, sondern des Todes beinhaltet und derjenige will das auch. Dass der Angeklagte bei der Äußerung zudem auch wissentlich und willentlich den Eindruck erweckte, der Eintritt des Übels sei von seinem Willen abhängig und dass die Drohung ernst gemeint ist, erschließt sich zum einen aus dem Wortlaut der Äußerung, aus den bereits dargelegten Gesamtumständen, nämlich funktionsfähiger Waffe für ihn erreichbar im Haus und im Wissen, wo die Munition ist, und weiters der gewalttätigen Auseinandersetzung direkt zuvor. Nämliches gilt für die innere Tatseite hinsichtlich der beschädigten / zerstörten Gegenstände der C***** M***** und der Körperverletzungen zum Nachteil der Herren E***** und M*****: Wer Gegenstände herumwirft weiß, dass diese beschädigt oder zerstört werden können und nimmt das zumindest billigend in Kauf, und wer andere mit Gegenständen bewirft, ihnen Ohrfeigen versetzt oder Faustschläge oder sie mit Bratpfannen verfolgt, der hält es regelmäßig ernstlich für war, diese jedoch nicht aufgehoben war, und Hinweise darauf, dass ihm zu den jeweiligen Tatzeitpunkten diese Umstände nicht klar gewesen sind, fehlten, waren die Feststellungen zur inneren Tatseite zu treffen wie oben.

In rechtlicher Hinsicht gelangte die Einzelrichterin zum Ergebnis, dass der Angeklagte die eingangs referierten strafbaren Handlungen in objektiver und subjektiver Hinsicht zu verantworten habe.

Der Strafbemessung vorangestellt wurde folgendes:

Die Strafe richtet sich nach dem 2. Strafsatz des § 269 Abs 1 StGB, wobei der Strafrahmen 6 Monate bis 5 Jahre Freiheitsstrafe beträgt

Bei der Strafzumessung wurde die Bestimmung des § 39a Abs 1 Z 4 iVm Abs 2 Z 3 StGB („unter Einsatz oder Drohung mit einer Waffe“) angewandt, welche dazu führt, dass von einem erhöhten Strafrahmen mit einer Untergrenze in der Dauer von 1 Jahr auszugehen ist, wobei die Anwendung der genannten Bestimmung wohl irrtümlich erfolgte:

Der Angeklagte setzte den Feststellungen zufolge die Waffe nicht ein, er drohte aber auch nicht iSd genannten Gesetzesstelle mit ihr, sondern er drohte lediglich mit dem Einsatz der Waffe.

Ausgehend davon, dass § 39a Abs 1 Z 4 iVm Abs 2 Z 3 StGB eine Erhöhung des Mindestmaßes der angedrohten Freiheitsstrafe um 6 Monate vorsieht, ist hierzu (nachträglich) zu erwägen, dass eher davon auszugehen gewesen wäre, dass der Gesetzgeber die Anhebung der Mindeststrafe von 6 Monaten auf 1 Jahr Freiheitsstrafe für diejenigen Fälle vorsehen wollte, in denen eine Waffe bestimmungsgemäß eingesetzt (also bspw mit dem Messer zugestochen / die Pistole oder Schrotflinte abgefeuert wird) oder aber eine Drohung durch Vorhalten einer Waffe untermauert wird, also – faktisch und nicht nur verbal – „mit einer Waffe gedroht“ wird.

Umgangssprachlich betrachtet ist natürlich der Einsatz einer Waffe zwecks Drohung bzw eben zur Untermauerung einer Drohung auch ein Einsatz – wird „Einsatz der Waffe“ jedoch als bestimmungsgemäßes tatsächliches Verwenden, also dem Zustechen oder dem Abfeuern etc interpretiert, ist gut denkbar, dass der Gesetzgeber zur Klarstellung die „Drohung mit der Waffe“ gesondert anführte: Wer eine Faustfeuerwaffe bei der Begehung des Raubes drohend vorhält (und somit mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben droht), der droht nur mit der Waffe, er setzt sie aber idS nicht ein, solange er sie nicht abfeuert.

Bei dieser (wohl zutreffenden) Gesetzesauslegung wäre die Anwendung der genannten, das Mindestmaß erhöhenden Norm zu Unrecht und zu Ungunsten des Angeklagten erfolgt.

Bei der Strafbemessung wurden mildernd der ordentliche Lebenswandel des Angeklagten, der mit der ihm angelasteten "Tat" in krassem Widerspruch steht, seine - soweit ihm möglich - geständige und reumütige Verantwortung, die zu sämtlichen Tathandlungen stark verminderte Zurechnungsfähigkeit, die gegenüber C***** M***** geleistete vollständige Schadensgutmachung und der Umstand, dass es beim Delikt des Widerstands gegen die Staatsgewalt beim Versuch geblieben sei, gewertet, erschwerend demgegenüber das Zusammentreffen mehrerer Vergehen mit einem Verbrechen.

Mit Blick auf den - irrig angewendeten - Strafrahmen von einem bis zu fünf Jahre Freiheitsstrafe erachtete die Einzelrichterin die ausgemittelte Strafe als schuld- und tatangemessen und eine Anwendbarkeit des § 43a Abs 2 StGB in der referierten Form als gegeben. Mit Blick auf den ordentlichen Lebenswandel des Angeklagten, seine Bestrebungen, den Kontakt mit C***** M***** zu meiden und sein Alkoholproblem in den Griff zu bekommen, bedürfe es in Verbindung mit der angeordneten Bewährungshilfe und der Weisung zur Suchtberatung nicht des Vollzugs der Freiheitsstrafe, um den Angeklagten oder Dritte von der Begehung weiterer strafbarer Handlungen abzuhalten.

Die Höhe des einzelnen Tagessatzes begründete die Einzelrichterin mit den festgestellten Einkommens- und Vermögensverhältnissen des Angeklagten, die Verpflichtung zum Kostenersatz und die Vorhaftanrechnung stützte sie auf die angeführten Gesetzesstellen.

Während der Angeklagte dieses Urteil unbekämpft ließ, hat die Staatsanwaltschaft Innsbruck fristgerecht eine Berufung wegen Nichtigkeit und wegen des Ausspruchs über die Strafe zugunsten des Angeklagten angemeldet (ON 14) und das Rechtsmittel in der Folge fristgerecht schriftlich ausgeführt (ON 18). Unter Geltendmachung des Nichtigkeitsgrundes nach §§ 489 Abs 1 iVm  281 Abs 1 Z 11 erster Fall StPO mündet das Rechtsmittel in den Antrag, in Stattgebung der Berufung wegen Nichtigkeit das angefochtene Urteil im Strafausspruch aufzuheben und eine schuld- und tatangemessene Strafe zu verhängen, in eventu in Stattgebung der Berufung wegen des Ausspruchs über die Strafe, diese auf ein schuld- und tatangemessenes Ausmaß herabzusetzen.

Der Angeklagte, der keine schriftlichen Gegenausführungen eingebracht hat, hat sich in der Berufungsverhandlung den Ausführungen der Staatsanwaltschaft angeschlosssen.

Die Oberstaatsanwaltschaft erachtet in ihrer Stellungnahme die Nichtigkeitsberufung für berechtigt und zog in der Berufungsverhandlung ausdrücklich die nach §§ 489 Abs 1, 467 Abs 3 StPO in der Berufung wegen Nichtigkeit implizierte Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld ebenso zurück wie die nach § 498 Abs 3 StPO implizierte Beschwerde gegen den Beschluss nach § 494 StPO.

Mit Blick auf die ausdrückliche Zurückziehung der Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld ist der Schuldspruch in Rechtskraft erwachsen. Gründe für ein amtswegiges Einschreiten nach §§ 489 Abs 1, 471, 290 Abs 1 zweiter Fall StPO in Ansehung des Schuldspruchs liegen nicht vor.

Im Übrigen ist die gegen den Sanktionsausspruch gerichtete Berufung nach §§ 489 Abs 1, 281 Abs 1 Z 11 erster Fall StPO im Recht.

Die Berufungswerberin moniert die Anwendung des § 39a Abs 1 Z 4 iVm Abs 2 Z 3 StGB zusammengefasst mit der Begründung als rechtsfehlerhaft, weil der Angeklagte nach den Urteilsannahmen bei der ihm zur Last gelegten Äußerung „I hol jetzt die Puffn und daschiaß enk olle“ zwar mit dem Einsatz, nicht aber (unmittelbar) mit einer Waffe gedroht habe, was aber Voraussetzung für die Anwendbarkeit der kritisierten Bestimmung sei. Dies erschließe sich ergänzend zu den bereits zutreffenden Ausführungen des Erstgerichts auch aus den bezugnehmenden parlamentarischen Materialien, wonach Mindeststrafen für vorsätzlich begangene Straftaten „unter besonderen Tatbegehungsumständen“ eingeführt werden sollten. Da andernfalls die - in der forensischen Praxis häufig vorkommenden - den Einsatz einer Waffe logisch voraussetzenden gefährlichen Drohungen (wie zB mit dem Erschießen, Abstechen, Aufschlitzen) nach der Wortinterpretation auch zu „besonderen Tatumständen“ zählen würden und sich auch in diesen Fällen die Mindeststrafdrohung erhöhen würde, sei die Wendung „unter Einsatz oder Drohung mit einer Waffe“ teleologisch zu reduzieren.

Dazu ist auszuführen:

Rechtliche Beurteilung

Mit dem Strafrechtsänderungsgesetz 2015, BGBl I Nr. 112/2015, wurde - soweit hier von Relevanz - in Umsetzung des Europaratsübereinkommens zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt (Istanbul-Konvention; BGBl III Nr. 164/2014) der besondere Erschwerungsgrund der Tatbegehung einer vorsätzlich strafbaren Handlung nach dem ersten bis dritten oder zehnten Abschnitt des Besonderen Teils „unter Einsatz oder Drohung mit einer Waffe“ (§ 33 Abs 3 Z 4 idF BGBl I 2015/112) geschaffen. Der dieser Strafschärfung zugrundeliegende Artikel 46 lit g der Istanbul-Konvention begründet diesen Erschwerungsgrund damit, dass dadurch der besonders sträfliche Charakter eines Verhaltens, bei dem auf eine Waffe zurückgegriffen wird und es so zu schweren Verletzungen oder sogar zum Tod des Opfers kommen kann, unterstrichen werden soll (EB zum Übereinkommen Abs 242). Die Gefährlichkeit der Waffe erfordert damit eine räumliche Nähe zwischen Täter und Opfer, da es ansonsten an der durch den Einsatz einer Waffe akut erhöhten Gefährdung des Opfers mangelt.

Gleiches muss damit aber auch für den seit 1.1.2020 durch BGBl I Nr. 105/2019 neu geschaffenen und eine Änderung der Strafdrohung bei bestimmten Gewalttaten bedingenden § 39a Abs 1 StGB gelten, dessen Z 4 "unter Einsatz oder Drohung mit einer Waffe" wortgleich dem bereits vorangeführten Erschwerungsgrund - nunmehr § 33 Abs 2 Z 6 StGB - entspricht. Das wird auch durch die Materialien untermauert, die erneut auf „besondere Tatbegehungsumstände“ Bezug nehmen (Initiativantrag 970/A XXVI.GP, S 33f).

Die Strafrahmenvorschrift des § 39a Abs 1 Z 4 zweite Alternative StGB („oder Drohung mit einer Waffe“) umfasst dem äußersten Wortsinn nach ( Markel , WK-StPO § 1 Rz 35ff) neben Drohungen unter tatsächlicher Verwendung einer Waffe (im funktionalen Sinn) bei der Tatbegehung (durch Vorhalten eines Messers, einer Pistole, etc) auch alle Fälle bzw Sachverhaltskonstellationen, in denen mit dem ausdrücklichen oder stillschweigend vorausgesetzten Einsatz (vgl bloße Drohungen mit dem Erschießen, mit dem Abstechen etc) einer tatsächlich bei Tatbegehung nicht verwendeten Waffe gedroht wird. Nur bei der ersten Fallgruppe wird tatsächlich auf eine Waffe zurückgegriffen und dadurch ein besonders sträflicher Charakter des Verhaltens einhergehend mit besonderen, eine erhöhte Gefährdung des Opfers bedingenden Tatbegehungsumständen, begründet. Die Einbeziehung letzterer Fallgruppe ohne solche besonderen Tatbegehungsumstände in den Anwendungsbereich der Strafrahmenvorschrift ist nach der ratio legis sachlich nicht zu rechtfertigen und mit den teleologischen Grundprinzipien und Ausrichtungen der Vorschrift nicht vereinbar. Damit fehlt eine Ausnahmevorschrift für solche tatsächlich vom Gesetz nicht gemeinte Fallgruppen.

Das Berufungsgericht vertritt daher in teleologischer Reduktion (RIS-Justiz RS0008979) die Auffassung, dass die Strafrahmenvorschrift nach § 39a Abs 2 Z 4 zweite Alternative StGB „oder Drohung mit einer Waffe“ auf jene Fälle zu beschränken ist, in denen der Einsatz einer tatsächlich bei Tatbegehung präsenten und als qualifiziertes Mittel der Drohung verwendeten Waffe im funktionalen Sinn zur Untermauerung der Ernstlichkeit der Drohung angekündigt wird.

Da der Angeklagte sohin keine der dem Schuldspruch zugrunde liegenden Handlungen unter Einsatz oder Drohung mit einer Waffe begangen hat, wurde - wie im angefochtenen Urteil selbst ausgeführt - die die Strafuntergrenze zwingend erhöhende Bestimmung des § 39a Abs 1 Z 4 (iVm Abs 2 Z 3 StGB) zu Unrecht angewendet. Damit ist der Strafausspruch mit Nichtigkeit gemäß § 489 iVm § 281 Abs 1 Z 11 StPO behaftet. In Stattgebung der Nichtigkeitsberufung der Staatsanwaltschaft war daher das angefochtene Urteil im Strafausspruch und demgemäß auch in der Vorhaftanrechnung ( Flora in Höpfel/Ratz , WK 2 StGB § 38 Rz 31) und im Beschluss nach § 494 StPO aufzuheben.

Dies bedingt die Neubemessung der Strafe innerhalb des zur Anwendung zu gelangenden Strafrahmens von sechs Monaten bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe. Dabei war mildernd zu berücksichtigen, dass der Angeklagte bisher einen ordentlichen Lebenswandel geführt hat und die Taten mit seinem sonstigen Verhalten in auffallendem Widerspruch stehen (§ 34 Abs 1 Z 2 StGB), seine geständige und reumütige Verantwortung (§ 34 Abs 1 Z 17 StGB), die infolge seiner Alkoholisierung stark verminderte Dispositions- und Diskretionsfähigkeit (§ 34 Abs 1 Z 1 StGB), die gegenüber C***** M***** geleistete vollständige Schadensgutmachung (§ 34 Abs 1 Z 15 StGB) und der Umstand, dass das Verbrechen des Widerstandes gegen die Staatsgewalt beim Versuch geblieben ist (§ 34 Abs 1 Z 13 StGB). Erschwerend ist demgegenüber das Zusammentreffen mehrerer strafbarer Handlungen derselben und verschiedener Art (anlassbezogen das Zusammentreffen eines Verbrechens mit sechs Vergehen) sowie die Opfermehrheit beim Widerstand ( Ebner in WK 2 StGB § 33 Rz 77).

Im Rahmen allgemeiner Strafbemessung stellt das Bemühen des Angeklagten um einen stationären Therapieplatz und die aus eigenem erfolgte Kontaktaufnahme mit der Suchthilfe ein positives Nachtatverhalten im Sinne des § 32 StGB dar und ist sohin geeignet, den Schuldgehalt der ihm zur Last gelegten Taten zu reduzieren.

Ausgehend von den besonderen Strafzumessungsgründen und unter Bedachtnahme auf die allgemeinen Grundsätze der Strafbemessung nach § 32 StGB erscheint eine Freiheitsstrafe in der Dauer von acht Monaten schuld- und tatangemessen. Das Zusammentreffen eines Verbrechens mit sechs Vergehen steht anlassbezogen wegen des intensiven Täterwillens einer Anwendbarkeit des § 37 Abs 1 StGB ebenso entgegen wie die bedingte Nachsicht der gesamten Strafe. Andererseits bedarf es angesichts der Unbescholtenheit des Angeklagten auch nicht des Vollzugs der Freiheitsstrafe, um ihn in Hinkunft von der Begehung strafbarer Handlungen abzuhalten. Somit konnte in Anwendung des § 43a Abs 2 StGB ein Teil der Freiheitsstrafe von zwei Monaten in eine Geldstrafe von 120 Tagessätzen umgewandelt werden, sodass die restliche Freiheitsstrafe von sechs Monaten gemäß § 43 Abs 1 StGB unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen werden konnte. Dies trägt sämtlichen Aspekten hinreichend Rechnung.

Die Höhe des einzelnen Tagessatzes war schon im Hinblick auf das Verschlechterungsverbot erneut mit EUR 4,-- zu bemessen.

Die zutreffende Anrechnung der vom Angeklagten erlittenen Verwahrungshaft gemäß § 38 Abs 1 Z 1 StGB wurde aus dem Ersturteil übernommen.

Mit ihrer Berufung wegen des Ausspruchs über die Strafe war die Staatsanwaltschaft auf die Kassation des Strafausspruchs und die Neubemessung der Strafe zu verweisen.

Infolge Aufhebung des Strafausspruchs waren auch die logisch davon abhängenden Beschlüsse nach § 494 StPO auf Anordnung der Bewährungshilfe und Erteilung einer Weisung aufzuheben. Ob mit Blick auf die neuerliche Gewährung teilbedingter Strafnachsicht eine neuerliche Anordnung der Bewährungshilfe und die Erteilung der Weisung einer Suchtberatung zur Alkoholentwöhnung spezialpräventiv indiziert ist, wird das Erstgericht zu beurteilen haben (RIS-Justiz RS0092156, RS0092379).

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die im Spruch angeführte Gesetzesstelle.