JudikaturJustiz6Ob79/19i

6Ob79/19i – OGH Entscheidung

Entscheidung
29. August 2019

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Schramm als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Gitschthaler, Univ. Prof. Dr. Kodek, Dr. Nowotny sowie die Hofrätin Dr. Faber als weitere Richter in der Firmenbuchsache der im Firmenbuch des Landesgerichts Wels 1. zu FN ***** eingetragenen S***** GmbH mit dem Sitz in R*****, 2. zu FN ***** eingetragenen S***** KG mit dem Sitz in G*****, über den Revisionsrekurs der Gesellschaften, beide vertreten durch Rechtsanwälte Haberl und Huber GmbH Co KG in Vöcklabruck, gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Rekursgericht vom 19. März 2019, GZ 6 R 25/19t, 6 R 26/19i-10, mit dem die Beschlüsse des Landesgerichts Wels vom 11. Februar 2019, GZ 29 Fr 91/19p-7 und 29 Fr 87/19k-6, bestätigt wurden, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Im Firmenbuch des Landesgerichts Wels sind zu FN ***** die S***** GmbH und zu FN ***** die S***** KG eingetragen.

Mit Unternehmenskaufvertrag vom 28. 12. 2018 erwarb erstere von letzterer deren gesamtes Unternehmen, wobei dieses am 31. 12. 2018 rechtlich und wirtschaftlich überging (Punkt IV. des Kaufvertrags). Nach Punkt II.b) übernahm erstere – mit Ausnahme der im Vertrag explizit als übernahmegegenständlich beschriebenen Verbindlichkeiten – keine Verbindlichkeiten von letzterer, die wegen der Fortführung des Unternehmens von Dritten gegen diese geltend gemacht werden. In Punkt IX. Abs 4 vereinbarten die Vertragsparteien gegenüber Dritten einen Haftungsausschluss gemäß § 38 Abs 4 UGB für sämtliche aufgrund unternehmensbezogener Rechtsverhältnisse entstandener Verbindlichkeiten, welche nicht von ersterer übernommen werden. Diese werde zum Zweck der erforderlichen Publizität zeitnah nach dem Übertragungsstichtag einen Antrag betreffend die Eintragung dieses Haftungsausschlusses sowie des vereinbarten Nichteintritts in unternehmensbezogene Vertrags- und Rechtsverhältnisse durch erstere beim Firmenbuch einbringen und veröffentlichen lassen.

Am 11. 1. 2019 gaben die beiden Unternehmen dem Erstgericht bekannt, dass die Zweitantragstellerin ihr gesamtes Unternehmen an die Erstantragstellerin veräußert habe und beantragten unter Vorlage eines Auszugs des Kaufvertrags folgende Eintragungen:

1) Kaufvertrag vom 28. 12. 2018

Übertragung des gesamten Unternehmens von der [ Zweitantragsgegnerin ] an die [ Erstantragsgegnerin ].

2) Kaufvertrag vom 28. 12. 2018

Ausschluss einer Nachfolgehaftung der Erwerberin – [ Erstantragsgegnerin ] – gemäß § 38 Abs 4 UGB.

Am 18. 1. 2019 trug das Erstgericht den Antragstellerinnen auf, binnen 14 Tagen eine vollständige Abschrift des Kaufvertrags (beglaubigte Kopie) – ausgenommen Kaufpreis – vorzulegen. Es bedürfe zur Information des Rechtsverkehrs und zur Entscheidung des Gerichts des Nachweises der sonstigen übrigen wesentlichen Vertragsbestimmungen. Die bisherige Vorlage der Seiten 1 (ohne wesentliche Vertragsbestimmungen) sowie 8 bis 9 (Abschlussklausel und Unterschriften) genüge nicht.

Am 1. 2. 2019 ersuchten die Antragstellerinnen um Fristerstreckung bis 8. 2. 2019, welchem Ersuchen am 5. 2. 2019 stattgegeben wurde. Daraufhin legten die Antragstellerinnen am 8. 2. 2019 eine beglaubigte Kopie des Unternehmenskaufvertrags vor.

Am 11. 2. 2019 trug das Erstgericht bei beiden Gesellschaften die Übertragung des Unternehmens ein und wies die Anträge auf Eintragung des Haftungsausschlusses gemäß § 38 Abs 4 UGB ab. Für die Wirksamkeit der Eintragung eines Haftungsausschlusses müsse ein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen dem vertraglichen Übergabsstichtag (hier: 31. 12. 2018) und dem Publizitätsakt im Firmenbuch gewahrt werden. Dieser enge zeitliche Zusammenhang habe nicht gewahrt werden können, weil seit dem Stichtag mehr als fünf Wochen verstrichen seien. Der erforderliche Publizitätsakt in Form der Eintragung des Haftungsausschlusses im Firmenbuch und dessen Veröffentlichung wären nicht mehr wirksam geworden und daher die begehrte Eintragung des Haftungsausschlusses unwirksam gewesen.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig ist; es sei nicht mit der Entscheidung 6 Ob 2/92 konform gegangen, mit der der Oberste Gerichtshof dem (dortigen) Erstgericht eine neuerliche Entscheidung fast sechs Monate nach Erlassung des erstinstanzlichen, abweisenden Beschlusses auf Eintragung des Haftungsausschlusses aufgetragen habe.

In der Sache selbst vertrat das Rekursgericht die Auffassung, es entspreche ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, dass der Publizitätsakt beim Unternehmensübergang und damit binnen Monatsfrist ab dem im Titelgeschäft vorgesehenen Erfüllungszeitpunkt zu erfolgen habe. Die Antragstellerinnen hätten hier zwar die Eintragung fristgerecht beantragt, aufgrund des berechtigten Verbesserungsauftrags des Erstgerichts zur Vorlage des vollständigen Kaufvertrags und der sodann erfolgten Antragsabweisung habe aber jedenfalls das Rekursgericht die Monatsfrist nicht mehr wahren können; eine Entscheidung wäre frühestens am 5. 3. 2019 möglich gewesen.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig; er ist aber nicht berechtigt.

1. Der Fachsenat des Obersten Gerichtshofs hat in der Entscheidung 6 Ob 242/11y (RWZ 2012/13 [ Wenger ] = JAP 2011/2012/27 [ Rauter ] = GES 2012, 178 [ Jennewein , 167]) ausgeführt, die Eintragung des Haftungsausschlusses müsse – wenn dies der Publizitätsakt nach § 38 Abs 4 UGB ist – „beim Unternehmensübergang“ in das Firmenbuch eingetragen werden. Nach herrschender Auffassung reiche dabei zwar ein enger zeitlicher Zusammenhang aus. Ein derartiger enger zeitlicher Zusammenhang werde aber in der Literatur bereits bei Ablauf eines Monats seit dem Unternehmensübergang verneint. Dem sei angesichts des anzuwendenden strengen Maßstabs und der Formulierung des § 38 Abs 4 UGB („Eintragung ins Firmenbuch bei Unternehmensübergang“) beizupflichten; die Eintragung des Haftungsausschlusses solle den Gläubigern signalisieren, dass unter Umständen rasches Vorgehen gegen den Unternehmensveräußerer angebracht ist. Die hier erst am 25. 7. 2011 und damit erst knapp fünf Wochen nach der Eintragung des Einbringungsvertrags in das Firmenbuch beantragte Eintragung des Haftungsausschlusses sei somit verspätet, weil sie nicht mehr im engen zeitlichen Zusammenhang mit der Einbringung des Teilbetriebs erfolgte.

Die Entscheidung 6 Ob 80/18k (GesRZ 2018, 299 [ Schuhmacher ] = RWZ 2018/75 [ Wenger ]) hielt in Anbetracht des zwischen dem Stichtag und dem Eintragungsbegehren liegenden Zeitraums von etwa sechs Wochen die Verneinung der erforderlichen zeitlichen Nähe zum Übergang des Unternehmens für vertretbar.

2. Im Unterschied zu den Sachverhalten dieser beiden Entscheidungen erfolgte im vorliegenden Fall das Eintragungsbegehren binnen Monatsfrist. Erst aufgrund des Verbesserungsauftrags und der – nach bewilligter Fristerstreckung erfolgten – Vorlage des vollständigen Kaufvertrags am 8. 2. 2019 war die Monatsfrist bereits bei der Entscheidung des Erstgerichts nicht mehr gewahrt; dies galt erst recht für den Entscheidungszeitpunkt des Rekursgerichts.

2.1. In der Entscheidung 6 Ob 2/92, auf die sich die Antragstellerinnen im Revisionsrekurs berufen, hob der Oberste Gerichtshof knapp sechs Monate nach der Entscheidung des Erstgerichts die abweislichen Entscheidungen der Vorinstanzen auf und trug dem Erstgericht eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung über die Eintragung des Haftungsausschlusses nach (damals) § 25 Abs 2 HGB auf. Mit der Frage der Fristwahrung befasste sich der Oberste Gerichtshof nicht; es kann der Entscheidung auch nicht entnommen werden, ob das Eintragungsbegehren ursprünglich fristgerecht erfolgt war. Den Antragstellerinnen und dem Rekursgericht ist zuzugestehen, dass sich diese Entscheidung im Ergebnis dahin interpretieren ließe, dass – bei fristgerecht gestelltem Eintragungsbegehren – die Dauer des Eintragungs- (einschließlich eines allfälligen Rechtsmittel-)verfahrens zu Lasten des Antragstellers unbeachtlich wäre.

2.2. Dem ist allerdings entgegenzuhalten, dass bereits Zib (Zur Eintragung von Haftungsausschlüssen nach § 25 Abs 2 HGB, wbl 1992, 287 und in Zib/Dellinger , UGB I/1 [2010] § 3 FBG Rz 47) unter Hinweis auf deutsche Rechtsprechung die Auffassung vertrat, auch eine ausschließlich durch das Gericht herbeigeführte Verzögerung der Eintragung sei der Risikosphäre des Erwerbers zuzurechnen, müssten doch die Verkehrsteilnehmer abschätzen können, ob die Erwerberhaftung greift. Eine Haftung ohne tragfähigen Zurechnungsgrund liege darin nicht, denn die Haftung werde nicht durch die Nichteintragung ihres Ausschlusses begründet, sondern durch die Unternehmensfortführung. Diese sei aber dem Erwerber durchaus zurechenbar. Diesen Überlegungen schloss sich auch die Entscheidung 6 Ob 242/11y an (ErwGr 5. aE: „Darüber hinaus ist im vorliegenden Fall auch zu berücksichtigen, dass zwischenzeitig [ Zeitpunkt der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs ] seit der Eintragung des Einbringungsvertrags bereits rund sechs Monate vergangen sind.“; vgl jüngst auch Dehn in U. Torggler , UGB³ [2019] § 38 Rz 82 [allerdings unter verfehlter Berufung auf die Entscheidung 6 Ob 2/92]: „Das gilt selbst dann, wenn sich die Verspätung aus einem längeren Firmenbuchverfahren zur Bewilligung der Eintragung des Haftungsausschlusses ergibt.“; Karollus in Astmann , UGB³ § 38 Rz 70). Damit ist der Fachsenat aber – wenn auch bloß implizit – von der Entscheidung 6 Ob 2/92 abgegangen.

2.3. Auf die Frage, ob das Erstgericht zu Recht einen Verbesserungsauftrag erteilte, kommt es somit nicht an. Lediglich der Vollständigkeit halber ist aber darauf zu verweisen, dass dieser bereits am 18. 1. 2019 erfolgte, der vollständige Kaufvertrag von den Antragstellerinnen jedoch erst am 8. 2. 2019 vorgelegt wurde. Eine Wahrung der Monatsfrist wäre den Antragstellerinnen somit jedenfalls möglich gewesen.

3. Dem Revisionsrekurs war damit ein Erfolg zu versagen.