JudikaturJustiz6Ob72/22i

6Ob72/22i – OGH Entscheidung

Entscheidung
18. Mai 2022

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Hofrat Dr. Nowotny als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Hargassner, Dr. Hofer Zeni Rennhofer, Dr. Faber und Mag. Pertmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei W*, vertreten durch Mag. Stephan Bertuch, Rechtsanwalt in Graz, gegen die beklagten Parteien 1. F*, 2. A* und 3. K*, alle vertreten durch Friedl Holler Rechtsanwälte GmbH in Leibnitz, wegen Feststellung, über die Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 4. Februar 2022, GZ 2 R 1/22t 25, mit dem das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 15. Oktober 2021, GZ 23 Cg 65/21x 21, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagten Parteien sind schuldig, der klagenden Partei die mit 1.984,34 EUR (darin 330,72 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

[1] Die Zurückweisung einer ordentlichen Revision wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 Satz 4 ZPO):

[2] 1. Das Berufungsgericht stützte den Ausspruch über die Zulässigkeit der ordentlichen Revision auf die Vermutung, bei Erstellung des Gesellschaftsvertrags (der hier betroffenen Jagdgesellschaft) sei ein „gängiges“ Muster verwendet worden; es könne eine „vergleichbare Vereinbarungslage bei vier Gesellschaftern einer GesbR natürlich jederzeit vorkommen“.

[3] Die Beklagten lassen diese Annahme unerwähnt und nehmen dazu gar nicht Stellung.

[4] Der Kläger weist dagegen in seiner Revisionsbeantwortung zu Recht darauf hin, dass für diese Vermutung jeder Hinweis im Akt fehlt.

[5] Wenn die Beklagten in der Revision bloß die vom Berufungsgericht vorgenommene Auslegung in Kritik ziehen, können sie nicht darlegen, warum die Auslegung dieses Gesellschaftsvertrags über den konkreten Rechtsstreit hinaus von Bedeutung sein sollte.

[6] Fragen der Vertragsauslegung kommt nämlich in aller Regel keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zu, sofern keine Fehlbeurteilung vorliegt, die im Interesse der Rechtssicherheit auch im Einzelfall wahrgenommen werden müsste (vgl RS0112106 [T1]). Eine derartige Verkennung der Auslegungsgrundsätze können die Beklagten in der Revision nicht aufzeigen:

[7] 2. Der Kläger sollte aus einer (aus insgesamt vier Mitgliedern bestehenden) Jagdgesellschaft ausgeschlossen werden.

[8] Die Ausschließung von Mitgliedern ist gemäß § 11 des Gesellschaftsvertrags der Beschlussfassung in einer Sitzung der Jagdgesellschaft vorbehalten. Auf den in der Klage behaupteten Umlaufbeschluss kommen die Beklagten (wie schon in der Berufung) ohnehin nicht mehr zurück. Es geht daher allein um die Frage, ob in der am 26. 6. 2020 abgehaltenen Sitzung ein wirksamer Beschluss über den Ausschluss gefasst werden konnte. Zu dieser Sitzung waren alle vier Gesellschafter geladen worden; der Drittbeklagte war jedoch aus gesundheitlichen Gründen verhindert gewesen.

[9] § 10 des Gesellschaftsvertrags normiert, dass die Sitzung nur dann beschlussfähig ist, „ wenn sämtliche Mitglieder ordnungsgemäß einberufen wurden und mindestens zwei Drittel derselben an der Sitzung und Beschlußfassung teilnehmen.

Eine Ausnahme hievon findet statt, wenn die Mitglieder zum zweiten Mal zur Beratung über denselben Gegenstand einberufen wurden, jedoch nicht in genügender Zahl erschienen sind. […]

Mitglieder, deren Gebarung, Handlungen oder Verhalten den Gegenstand der Beratung und Schlußfassung [sic] der Sitzung bilden, dürfen an der Beratung nur zur Auskunftserteilung teilnehmen, müssen sich jedoch vor der Beschlußfassung entfernen. […]

Zu einem gültigen Beschluss ist die einfache Stimmenmehrheit der anwesenden Gesellschaftsmitglieder einschließlich des Vorsitzenden erforderlich. […] “

[10] 3. Das Berufungsgericht erläuterte den Beklagten, der Kläger, dessen Verhalten den Gegenstand der Beschlussfassung (Ausschluss) gebildet habe, hätte vertragsgemäß nur an der Beratung zur Auskunftserteilung teilnehmen dürfen. Vor der Beschlussfassung hätte er sich aber entfernen müssen und daher keinen Beitrag zur Erfüllung des Präsenzquorums (für die Beschlussfassung) leisten können. Da aber unstrittig der Drittbeklagte gefehlt habe, sei nur die Hälfte, nicht aber zwei Drittel der Mitglieder bei der Beschlussfassung anwesend gewesen, sodass die Sitzung nicht beschlussfähig gewesen sei. Eine Auslegung in die Richtung, dass das Mitglied, dessen Verhalten Gegenstand der Beratung und Beschlussfassung sei, bei der Ermittlung des erforderlichen Präsenzquorums (für die Beschlussfassung) als anwesend gezählt (oder einfach als nicht existent betrachtet) werde, erscheine deswegen nicht angebracht, weil das Mitglied, das den Gegenstand der Beschlussfassung bilde, keineswegs „vergessen“, sondern vielmehr ausdrücklich darauf Bezug genommen worden sei, sodass keine Regelungslücke angenommen werden könne. Im konkreten Fall wäre eine Sanierung durchaus einfach – auch bei fortbestehender Erkrankung des Drittbeklagten – möglich gewesen, weil eine zweite Einberufung mit einem niedrigeren Präsenzquorum möglich gewesen wäre.

[11] Das Berufungsgericht pflichtete daher dem Ergebnis des Erstgerichts, ein wirksamer Beschluss sei nicht gefasst worden, bei.

[12] 4. Dagegen können die Beklagten keine Bedenken wecken. Anders als sie behaupten, wurde vom Berufungsgericht bei Auslegung des Vertrags nicht verkannt, dass es lediglich den übrigen Gesellschaftern (nicht aber dem von der Ausschließung Betroffenen) zukommt, das Gestaltungsrecht auf Ausschluss eines Gesellschafters auszuüben (RS0022170; vgl auch RS0124525). Während im vierten wiedergegebenen Absatz des § 10 des Gesellschaftsvertrags das Konsensquorum nur anhand der anwesenden Mitglieder bestimmt und die im dritten Absatz angeordnete Entfernung des von der Beschlussfassung betroffenen Gesellschafters berücksichtigt wird, wird im ersten Absatz zur Frage des Präsenzquorums für die Beschlussfassung darauf gerade nicht Bedacht genommen. Die (zur notwendigen Anzahl an Gesellschaftern [auch] bei der Beschlussfassung gebrauchte) Formulierung „ zwei Drittel derselben “ im ersten Absatz bezieht sich auf die zuvor genannten „ sämtliche[n] Mitglieder “ (die einzuberufen sind) und damit auf alle Mitglieder der Gesellschaft.

[13] Wenn es im Übrigen der herrschenden Ansicht entspricht, dass bei der Ermittlung eines vertraglichen Anwesenheitsquorums die vom Stimmrecht ausgeschlossenen Gesellschafter mitgezählt werden (s Thöni in Zib/Dellinger , UGB § 119 Rz 24 mwN, wobei auf die zu dieser Bestimmung ergangene Rechtsprechung und Literatur zurückgegriffen werden kann, weil sie wortgleich als § 1192 ABGB idF des GesbR-Reformgesetzes – GesbR-RG, BGBl I 2004/83, in das Recht der GesbR übernommen wurde: Rauter in Rummel/Lukas , ABGB 4 § 1192 Rz 7; vgl auch ders aaO Rz 36 zur Auslegung in diesem Sinne „im Zweifel“), können die Beklagten für den vorliegenden Fall keinesfalls eine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung des Berufungsgerichts darlegen, und zwar auch nicht mit ihrer Argumentation, der Gesellschaftsvertrag gebe damit zur Teilnahme des Mitglieds, das ausgeschlossen werden soll, nur an der Beratung (und nicht auch an der Abstimmung) bloß die Gesetzeslage wieder, zumal deren Wiedergabe jedenfalls in Teilen des Gesellschaftsvertrags durchaus häufig vorkommt.

[14] 4. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf §§ 41, 50 ZPO. Der Kläger hat auf die fehlende Zulässigkeit der Revision in seiner Revisionsbeantwortung hingewiesen (RS0112296).

Rechtssätze
2