JudikaturJustiz6Ob556/92

6Ob556/92 – OGH Entscheidung

Entscheidung
25. Juni 1992

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Vogel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schobel, Dr.Redl, Dr.Kellner und Dr.Schiemer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr.Ernst P*****, Rechtsanwalt, ***** vertreten durch Dr.Robert Krepp, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei T***** Corporation), ***** Japan, vertreten durch Dr.Christian Gassauer-Fleissner, Rechtsanwalt in Wien, wegen 123.866,80 sA , infolge Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgerichtes vom 20. März 1992 , GZ 4 R 40/92-15, womit der Beschluß des Handelsgerichtes Wien vom 13. Dezember 1991, GZ 25 Cg 189/90-10, abgeändert wurde, den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 6.412,40 (darin S 754,40 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Der Kläger machte gegen die Beklagte einen Honoraranspruch von zuletzt S 123.866,80 sA geltend und brachte hiezu im wesentlichen vor, die Beklagte, die ihren Firmensitz in Japan hat, habe ihn in Österreich im August 1989 beauftragt, auf ihre Kosten an den Eigentümer der Liegenschaft EZ 326 KG I***** ein Kaufanbot zu einem Kaufpreis von S 240 Millionen zu verfassen. Diesen Auftrag habe der Kläger erfüllt. Die Beklagte habe die Zahlung des hiefür aufgelaufenen Honorares in Höhe des Klagsbetrages abgelehnt. Da die Beklagte Minderheitsgesellschafterin der beim Handelsgericht Wien protokollierten T***** GesmbH sei, sei der Gerichtsstand des Vermögens gem § 99 JN gegeben.

Die Beklagte wandte zur Zuständigkeit ein, ihr in Österreich befindliches Vermögen übersteige nicht 10 % des Streitgegenstandes. Der Vermögensgerichtsstand sei daher nicht gegeben. Sie habe dem Kläger keinen Auftrag erteilt, auf ihre Kosten ein Kaufanbot zu verfassen.

Nach Durchführung eines Beweisverfahrens zur Frage der örtlichen Zuständigkeit stellte der Kläger außer Streit, daß die Voraussetzungen für die Zuständigkeit des Handelsgerichtes Wien gem § 99 JN nicht vorlägen, stellte jedoch einen Ordinationsantrag gem § 28 Abs 1 JN mit dem Vorbringen, es liege eine ausreichende Inlandsbeziehung für die inländische Gerichtsbarkeit vor. Eine Klagsführung in Japan sei nicht zumutbar, weil der gesamte Handakt des Klägers in die japanische Sprache übersetzt werden müßte. Das Kaufoffert sowie die Höhe und Angemessenheit des Honorares seien nach österreichischem Recht (unter Zuhilfenahme des Rechtsanwaltstarifes und der allgemeinen Honorarrichtlinien durch einen österreichischen Sachverständigen) zu beurteilen. Verhandlungen vor einem japanischen Gerichtshof seien umständlich und teuer; es sei kaum Kostenersatz vorgesehen. Da die Beklagte an der T***** (Netherlands). B.V. als Gesellschafterin mit einem Kapital von 5 Millionen Hollandgulden beteiligt sei, könne ein in Österreich gefälltes Urteil in den Niederlanden, mit welchen ein Vollstreckungsabkommen bestehe, vollstreckt werden.

Das Erstgericht wies die Klage wegen örtlicher Unzuständigkeit des Handelsgerichtes Wien zurück. In der Begründung dieser Entscheidung erörterte das Erstgericht die Prozeßvoraussetzung der inländischen Gerichtsbarkeit ausführlich und bejahte diese. Trotzdem wurde ohne Vorlage des Ordinationsantrages die Klage wegen örtlicher Unzuständigkeit zurückgewiesen.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Beklagten, welcher sich gegen die Bejahung der inländischen Gerichtsbarkeit in den Entscheidungsgründen wandte, Folge und wies die Klage mangels Vorliegens der inländischen Gerichtsbarkeit zurück.

Es führte aus, die wesentlichen Ausführungen in der Begründung des erstgerichtlichen Beschlusses hätten das Vorliegen der inländischen Gerichtsbarkeit zum Gegenstand. Das Erstgericht habe diese bejaht. Aus diesem Grund sei ein Rekursinteresse der Beklagten (eine Beschwer) als Voraussetzung der Rechtsmittelzulässigkeit trotz der rechtskräftigen Zurückweisung der Klage wegen örtlicher Unzuständigkeit des angerufenen Gerichtes zu bejahen. Wenn auch die Beklagte keine entsprechende Einrede erhoben habe, sei das Erstgericht doch verpflichtet gewesen, zur Frage der inländischen Gerichtsbarkeit Stellung zu beziehen, weil diese vor der Zuständigkeitsfrage zu prüfen sei. Eine positive Entscheidung müsse mangels Vorliegens einer Einrede nicht in Spruchform gekleidet sein. Die in der Begründung enthaltene Entscheidung sei der Rechtskraft fähig; bei Nichtanfechtung der Bejahung der inländischen Gerichtsbarkeit könne dieses Prozeßhindernis in höherer Instanz nicht mehr wahrgenommen werden.

Im vorliegenden Fall sei kein inländischer Gerichtsstand gegeben. Es sei daher zu prüfen, ob eine ausreichende inländische Nahebeziehung gegeben sei, welche eine Ordination gem § 28 JN durch den Obersten Gerichtshof ermögliche. Eine solche ausreichende Inlandsbeziehung liege nicht vor. Der Umstand, daß der Kläger seinen Wohnsitz in Wien habe und nach seinen Behauptungen für die Beklagte eine Tätigkeit bezüglich einer in Österreich gelegenen Liegenschaft entfaltet habe, sei nicht ausreichend, denn Streitgegenstand sei lediglich die Honorarforderung gegenüber der Beklagten. Nur "rein faktisch" bestehe hinsichtlich dieses Streitgegenstandes - im Umweg über das behauptete Geschäft - eine Beziehung zum Inland, welche zur Begründung der inländischen Gerichtsbarkeit nicht ausreiche. Daher sei nicht mehr zu prüfen, ob dem Kläger die Rechtsverfolgung im Ausland möglich oder zumutbar wäre.

Das Rekursgericht sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei, weil keine Rechtsprechung zur Frage, ob die beklagte Partei, die die Einrede der mangelnden inländischen Gerichtsbarkeit nicht erhoben habe, zum Rekurs legitimiert sei, wenn über das Vorliegen der inländischen Gerichtsbarkeit von Amts wegen lediglich in der Begründung abgesprochen worden sei, vorliege. Auch die Frage, ob im konkreten Fall ein hinreichender inländischer Anknüpfungspunkt gegeben sei, sei eine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung.

Rechtliche Beurteilung

Dem Revisionsrekurs kommt im Ergebnis keine Berechtigung zu.

Die Ausführungen des Rekursgerichtes, daß die nicht ausdrücklich in Spruchform ergehende nur in den Entscheidungsgründen enthaltene Entscheidung über die inländische Gerichtsbarkeit der Rechtskraft fähig ist, sind zutreffend und entsprechen der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (§ 510 Abs 3 ZPO). Da der Mangel der inländischen Gerichtsbarkeit in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen und wahrzunehmen ist, ist eine ausdrückliche Einrede der beklagten Parteien nicht Voraussetzung für die Anfechtung einer - auch nur in der Begründung der Entscheidung - enthaltenen positiven Entscheidung über die inländische Gerichtsbarkeit.

Gem § 28 Abs 1 JN hat der Oberste Gerichtshof, soferne für eine bürgerliche Rechtssache die Voraussetzungen für die örtliche Zuständigkeit eines inländischen Gerichtes im Sinne der JN oder einer anderen Rechtsvorschrift nicht gegeben sind, aus den sachlich zuständigen Gerichten eines zu bestimmen, das für die fragliche Rechtssache als örtlich zuständig zu gelten hat, wenn entweder Österreich auf Grund eines völkerrechtlichen Vertrages zur Ausübung der Gerichtsbarkeit verpflichtet ist oder die Rechtsverfolgung im Ausland nicht möglich oder unzumutbar wäre. Erste Voraussetzung für eine Ordination ist jedenfalls eine ausreichende Inlandsbeziehung. Diese müßte im vorliegenden Fall entgegen der Ansicht des Rekursgerichtes bejaht werden. Der im Inland als Rechtsanwalt tätige Kläger war nach seinem Vorbringen auf Grund eines ihm in Österreich erteilten Mandates für die Beklagte tätig und hat nach seinen Behauptungen seine vertragliche, nicht nur faktische Leistung (ein Anbot zum Erwerb einer Liegenschaft in Österreich) bereits erbracht. Auch die Annahme dieses Anbotes und Durchführung des Kaufvertrages wäre nur im Inland nach österreichischen Rechtsvorschriften möglich gewesen. Auch die Erfüllung der Honorarforderung für die vertraglich erbrachten Leistungen sollte doch wohl in Österreich erfolgen (in diesem Sinne auch JBl 1986, 191; 6 Nd 506/91). Die im vorliegenden Fall gegebene ausreichende Inlandsbeziehung reicht für eine Ordination jedoch nur dann hin, wenn die Rechtsverfolgung im Ausland nicht möglich oder unzumutbar wäre. Hiezu haben Lehre und Rechtsprechung den Grundsatz entwickelt, daß ein besonderes Rechtsschutzbedürfnis Voraussetzung ist, so unter anderem bei Stillstand der Rechtspflege in dem an sich berufenen ausländischen Staat, bei einer die Rechtsverfolgung faktisch vereitelnden Verfahrensverzögerung oder den Rechtszugang faktisch ausschließenden Kostspieligkeit des ausländischen Verfahrens, bei besonderen, die Rechtsdurchsetzung hindernden wirtschaftlichen oder politischen Verhältnissen im Auslandsstaat oder auch dann, wenn die Entscheidungen der Gerichte des berufenen Staates in Österreich vollstreckt werden müßten, hier aber nicht vollstreckbar sind (6 Nd 506/91 mwN). Aber selbst wenn die Rechtsverfolgung nach diesen Kriterien im Ausland unzumutbar wäre - dies kann, den Argumenten des Klägers folgend, hier bejaht werden -, kommt eine Ordination nach § 28 Abs 1 Z 2 JN dennoch nicht in Betracht, wenn ein vor einem österreichischen Gericht durchgeführter Prozeß nur zur Schaffung eines praktisch wertlosen Urteilspapieres, nicht aber zur wirksamen Rechtsdurchsetzung führen könnte (7 Nd 504/89), wenn also nur ein im Ausland eingeleiteter Rechtsstreit zur Durchsetzung der Forderung des Klägers führen kann (JBl 1988, 322, 323). Zwischen Österreich und Japan besteht kein Vollstreckungsabkommen; die Durchsetzung eines in Österreich erwirkten Urteiles in Japan ist rechtlich nicht gesichert. In Österreich müßte die Exekution an mangelndem Vermögen der Beklagten scheitern. Aber auch eine Exekution auf das vom Kläger bescheinigte Vermögen der Beklagten in den Niederlanden kommt nach dem Vollstreckungsabkommen zwischen der Republik Österreich und dem Königreich der Niederlande vom 6.2.1963, BGBl 1966/37, nicht in Betracht. Nach dessen Artikel 2 Abs 1 lit a iVm Art 3 ist die in dem anderen Staat gefällte Entscheidung nur vollstreckbar, wenn a) der Beklagte im Zeitpunkt der Einleitung des Verfahrens seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in dem Staat, dessen Gericht die Entscheidung gefällt hat, hatte; b) der Beklagte in dem Staat, dessen Gericht die Entscheidung gefällt hat, ein Unternehmen oder eine Zweigniederlassung hatte und dort wegen Streitigkeiten, die dieses Unternehmen oder diese Zweigniederlassung betreffen, belangt wurde;

c) sich der Beklagte schriftlich durch eine Zuständigkeitsvereinbarung oder durch Annahme eines Wohnsitzes für einen bestimmten Rechtsstreit der Zuständigkeit des Gerichtes unterworfen hat; d) sich der Beklagte in die Sache selbst eingelassen hat, ohne Einwendungen gegen die Zuständigkeit des Gerichtes erhoben zu haben; oder e) im Falle einer Widerklage, wenn das Gericht im Sinne des Art 3 für die Klage zuständig war. Keine dieser Voraussetzungen ist im vorliegenden Fall gegeben. Das Rekursgericht hat daher im Ergebnis zu Recht die Klage wegen Mangels der inländischen Gerichtsbarkeit zurückgewiesen.

Der Ausspruch über die Kosten der Revisionsrekursbeantwortung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.