JudikaturJustiz6Ob510/89

6Ob510/89 – OGH Entscheidung

Entscheidung
26. Januar 1989

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schöbel, Dr. Melber, Dr. Schlosser und Dr. Redl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Martin M***, Angestellter, Wien 8, Josefstädterstraße 29/51, vertreten durch Dr. Gottfried Peloschek und Dr. Wolf-Dieter Arnold, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Peter A***, Landwirt und Liftwart, Kirchbach im Gailtal, Tresdorf 6, vertreten durch Dr. Dieter Havranek, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wegen 75.000,-- S samt Nebenforderungen, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 3. November 1988, GZ 4 a R 177/88-11, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom 12. Juli 1988, GZ 25 Cg 194/88-7, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird stattgegeben und in Abänderung der vorinstanzlichen Entscheidungen das auf Zahlung eines Betrages von 75.000,-- S samt 4 % Zinsen seit 1. April 1984 gerichtete Klagebegehren abgewiesen.

Der Kläger ist schuldig, dem Beklagten die mit 13.707,15 S bestimmten Kosten des Verfahrens aller drei Instanzen (darin enthalten an Barauslagen 500,-- S und an Umsatzsteuer 1.200,65 S) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger verlor am Samstag, dem 31. März 1984, als Schifahrer in einem durch Schilifte erschlossenen Gelände seine Herrenarmbanduhr. Diese Uhr besaß einen Zeitwert von 75.000,-- S. Der Kläger meldete seinen Verlust noch am selben Tag einem Gendarmeriebeamten.

Ein unbekannt gebliebener Schifahrer fand die Uhr und übergab sie dem als Liftwart tätigen Beklagten. Der Beklagte nahm die Uhr an sich, berichtete am folgenden Morgen dem ihm im Liftunternehmen vorgesetzten Betriebsleiter von der erfolgten Fundübernahme und dieser riet dem Liftwart, den Fundgegenstand in der Rezeption eines nahe gelegenen Hotels abzugeben. (Der Geschäftsführer der Komplementärgesellschaft jener Gesellschaft mbH und Co KG, die das Liftunternehmen betreibt, bei der sowohl der Betriebsleiter als auch der Beklagte beschäftigt waren, führte gemeinsam mit seiner Ehefrau das erwähnte Hotel.) Ein in der Hotelrezeption tätiger Lehrling übernahm den Fundgegenstand. Der Fundgegenstand wurde in der Folge im Hotelsafe verwahrt. Erst am 9. April 1984 erstattete eine Hotelangestellte auf Weisung der Hotelbetriebsmitunternehmerin fernmündlich beim nächsten Gendarmeriepostenkommando eine Fundanzeige, mußte aber, als sie um eine nähere Beschreibung der Uhr ersucht wurde und diese aus dem Safe nehmen wollte, das Verschwinden der Uhr feststellen. Der Verbleib der Uhr konnte bisher nicht aufgeklärt werden.

Der Kläger begehrte zunächst vom Hotelbetriebsmitinhaber Schadenersatz wegen des von diesem zu vertretenden Unterbleibens der Fundanzeige und einer Verletzung von Verwahrungsobsorgepflichten, für die der Kläger ebenfalls den Hotelier haftbar machte. In jenem Rechtsstreit erging die, einen berufungsgerichtlichen Aufhebungsbeschluß bestätigende Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 27. November 1986, 6 Ob 658/85 = JBl 1987, 382. Das gegen den Hotelier gerichtete Schadenersatzbegehren des Klägers verfiel letztlich der Abweisung.

Am 26. März 1987 brachte der Kläger eine Schadenersatzklage gegen den Liftwart an. Der Kläger machte den Beklagten dabei insbesondere wegen schadensursächlicher Vernachlässigung der Fundanzeigepflichten nach § 389 ABGB (§ 392 ABGB) haftbar. Der Beklagte bestritt vor allem, durch die Ansichnahme der ihm vom Schifahrer als Fundgegenstand übergebenen Armbanduhr selbst Rechte und Pflichten eines Finders übernommen zu haben, weil er die Uhr ausschließlich in seiner Eigenschaft als Liftwart übernommen und auf Weisung seines Vorgesetzten in einem Hotel abgegeben habe. Das Prozeßgericht erster Instanz gab dem auf Zahlung eines Betrages von 75.000,-- S samt 4 % Zinsen seit 1. April 1984 gerichteten Ersatzbegehren statt.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil. Dazu sprach es aus, daß die Revisionszulässigkeitsvoraussetzung nach § 502 Abs 4 Z 1 ZPO vorliege.

Das Berufungsgericht führte zu der von ihm angenommenen Haftung des Beklagten aus:

"Der Beklagte hatte die Uhr als Liftwart von einem unbekannten Schifahrer als Fund zur Weiterleitung an den Verlustträger an sich genommen und so die fundrechtlichen Verpflichtungen ausgelöst. Zu den grundsätzlichen Pflichten des Finders gehört nun einerseits die Verständigung der zuständigen Ortsobrigkeit und andererseits die Verwahrung des Fundgegenstandes, soweit der Finder dazu in der Lage ist, ansonsten er die Sache einem Dritten zur Verwahrung zu übergeben hat (§§ 389, 390 ABGB). Diese Pflichten des Finders sind schuldrechtlicher Natur, ihre Verletzung macht schadenersatzpflichtig (Spielbüchler in Rummel, ABGB, Rz 1 zu § 393). Der Beklagte ist daher Geschäftsführer ohne Auftrag, der eigenmächtig Angelegenheiten des Verlustträgers zur Wahrung von dessen Interessen besorgt und zur Fortsetzung des Begonnenen verpflichtet ist (§ 1039 ABGB). Als solcher hatte er bei der Übergabe der Uhr an die Hotelangestellte zwar die Verwahrungspflicht an sie übertragen, nicht jedoch die Meldepflichten. Eine Haftung des Beklagten ist daher wegen der Unterlassung der Anzeige des Fundes und des inzwischen erfolgten Diebstahles nach § 1311 ABGB zu bejahen."

Der Beklagte ficht das bestätigende Berufungsurteil aus dem Revisionsgrund nach § 503 Abs 2 ZPO wegen unrichtiger Lösung einer qualifizierten Frage des materiellen Rechtes mit einem auf Klagsabweisung zielenden Abänderungsantrag an.

Der Kläger erachtet die Revisionszulässigkeit nach § 502 Abs 4 Z 1 ZPO entgegen dem berufungsgerichtlichen Ausspruch als nicht gegeben und begehrt demgemäß die Zurückweisung der Revision. Im übrigen strebt er die Bestätigung der angefochtenen Entscheidung an.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist im Sinne des § 502 Abs 4 Z 1 ZPO zulässig, weil die Entscheidung von der Lösung fundrechtlicher Fragen abhängt, zu denen eine höchstrichterliche Rechtsprechung fehlt. Die Revision ist auch berechtigt.

Der Beklagte hat als Liftwart von einem unbekannt gebliebenen Schifahrer eine als im freien Gelände gefunden bezeichnete, augenscheinlich wertvolle Herrenarmbanduhr übernommen. Dazu wurden weitere Erklärungen des Übergebers oder des Übernehmers weder behauptet noch festgestellt. Nach dem objektiven äußeren Erscheinungsbild wandte sich der Überbringer des Fundgegenstandes aus keinem anderen erkenntlichen Grund an den Beklagten, als daß dieser die Funktion eines Liftwartes ausübte. Dieser hat auch ein Tätigwerden in anderen, insbesondere eigenen Interessen durch nichts erkennen lassen. Er hat sich vielmehr in der Folge wegen des weiteren Vorgehens in Ansehung des in seine Hände geratenen Fundgegenstandes an den ihm vorgesetzten Betriebsleiter gewendet und nach der von diesem geäußerten Meinung gehandelt. Ob dies nachträglich von den Beteiligten als Rat oder als dienstliche Anweisung bezeichnet wurde, ist nicht entscheidend. Wesentlich für die Begründung und allfällige Verletzung von fundrechtlichen Verpflichtungen des Beklagten ist ausschließlich der Umstand, daß der Überbringer des Fundgegenstandes (mag er nun selbst Finder gewesen sein oder in dessen Auftrag gehandelt haben) dem Beklagten die Sache aus dem einzigen äußerlich erkennbaren Grund überließ, daß es sich um einen (und zwar den einzigen an Ort und Stelle erreichbaren) Beschäftigten des Liftunternehmers handelte. Nach den festgestellten äußeren Umständen ist objektiv davon auszugehen, daß der Beklagte in seiner Eigenschaft als Liftwart den Fundgegenstand nicht zur Ausübung einer eigenen Herrschaft über die Sache, sondern ausschließlich zwecks Ausübung der Sachherrschaft durch den Liftunternehmer übergeben erhalten und übernommen hat. Solange der Beklagte nicht erkennbar aus der von ihm bloß für seinen Dienstgeber ausgeübten Stellung trat (indem er etwa dem erklärten oder doch zu vermutenden Willen des Dienstgebers zuwiderhandelte), solange beschränkte sich die Rolle des Beklagten in Ansehung der in seine Hände geratenen Fundsache auf die eines bloßen Dieners in der Innehabung seines Dienstgebers. Fundrechtliche Verpflichtungen konnten daher nur diesen, nicht aber den Beklagten in eigener Person treffen.

In Abänderung der vorinstanzlichen Entscheidungen war daher das gegen den Beklagten gerichtete Schadenersatzbegehren des Verlustträgers abzuweisen.

Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens beruht auf § 41 ZPO, in Ansehung der Kosten des Rechtsmittelverfahrens im Zusammenhang mit § 51 ZPO.