JudikaturJustiz6Ob178/97p

6Ob178/97p – OGH Entscheidung

Entscheidung
17. Juli 1997

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kellner, Dr.Schiemer, Dr.Prückner und Dr.Schenk als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1.) Hedwig K*****,

2.) Adolf K*****, beide vertreten durch Dr.Martin Wandl und Dr.Wolfgang Krempl, Rechtsanwälte in St.Pölten, wider die beklagte Partei Josef H*****, vertreten durch Dr.Peter Eigenthaler, Rechtsanwalt in Lilienfeld, wegen Aufkündigung, infolge ordentlicher Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Landesgerichtes St.Pölten als Berufungsgerichtes vom 19.Februar 1997, GZ 29 R 41/97i-16, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Hainfeld vom 29.November 1996, GZ 1 C 381/96p-9 idF des Berichtigungsbeschlusses ON 12, abgeändert wurde, den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird aufgehoben. Die Sache wird zur neuerlichen Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Die Kläger gaben am 4.6.1996 vor dem Erstgericht unter Verwendung eines Formblattes eine gerichtliche Aufkündigung zu Protokoll, mit der sie die an den Beklagten vermietete Wohnung unter Einhaltung einer Frist von einem Monat zum 31.7.1996 aufkündigten. Als Kündigungsgrund wurde nur das Wort "Eigenbedarf" angegeben.

Der Beklagte erhob Einwendungen. Er bestritt das Vorliegen eines Eigenbedarfs der Vermieter. Der Beklagte, seine Lebensgefährtin und ein minderjähriges Kind seien auf die Mietwohnung angewiesen.

Erst mit dem Schriftsatz vom 15.7.1996 erstatteten die Kläger ein näheres Sachvorbringen zu den Kündigungstatbeständen des § 30 Abs 2 Z 8 und 9 MRG. Der 26-jährige Sohn der Kläger plane die Gründung einer Familie. Er benötige die Wohnung. Der Beklagte habe die ihm angebotenen, zumutbaren Ersatzwohnungen abgelehnt.

Das Erstgericht hielt die Kündigung aufrecht. Hinsichtlich einer Wohnung im Haus der Kläger sei ein mündlicher Mietvertrag abgeschlossen worden. Der Beklagte sei im November 1989 eingezogen. Der Zweitkläger habe dem Beklagten erklärt, er könne so lange in der Wohnung bleiben, bis der Sohn der Kläger die Wohnung benötige. Über eine konkrete Dauer des Mietverhältnisses sei nicht gesprochen worden. Im zweiten Haus der Kläger wohnten im ersten Stock ein Sohn der Kläger mit seiner Familie, die Kläger bewohnten das Parterre mit dem zweiten Sohn. Diesem stehe ein Zimmer zur Verfügung. Der Sohn plane die Gründung einer Familie. Seine Freundin habe keine eigene Wohnung. Der Zweitkläger habe im Oktober 1995 dem Beklagten mitgeteilt, daß er sich bis Mai 1996 eine Wohnung suchen solle, weil der Sohn der Kläger die Wohnung benötige. Der Beklagte habe darum gebeten, daß man ihm bei der Wohnungssuche helfen möge. Dem Beklagten seien mehrere Wohnungen in der Umgebung angeboten worden, die er aber nicht angemietet habe. Der Beklagte bewohne die Mietwohnung zumindest seit Juli 1995 gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin.

In rechtlicher Hinsicht vertrat das Erstgericht die Auffassung, daß der Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 8 MRG vorliege. Beim Sohn der Kläger sei ein Wohnungsnotstand zu bejahen. Die bloß hypothetische Möglichkeit, daß der andere Sohn der Kläger aus dem elterlichen Haus ausziehen und in das von ihm renovierte Haus ziehen könne, schließe das Bestehen des Eigenbedarfs infolge des Wohnbedürfnisses des zweiten Sohnes nicht aus. Ein Verstoß gegen die Eventualmaxime liege nicht vor. Die Kläger hätten den Kündigungsgrund des Eigenbedarfs genannt und in der weiteren Folge lediglich präzisiert. Die Interessenabwägung falle zugunsten der Kläger aus. Diese hätten sich um eine Wohnungsbeschaffung für den Beklagten gekümmert. Hätte dieser mehr Interesse gezeigt, hätte er schon eine Wohnung bekommen können.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten Folge, hob die Aufkündigung vom 4.6.1996 auf und wies die Klage auf Räumung des Mietobjektes ab. Es ging nur auf den geltend gemachten Berufungsgrund der Verletzung der Eventualmaxime nach § 33 Abs 1 Satz 2 MRG ein und bejahte eine derartige Verletzung. Die geltend gemachten Kündigungsgründe müßten bereits in der Kündigung individualisiert werden. Die Angabe einer bestimmten Gesetzesstelle genüge nur dann, wenn diese lediglich einen Tatbestand enthalte. Andernfalls müsse der angezogene Grund weiter individualisiert werden, wobei eine schlagwortartige Angabe genüge. Dann komme es nur auf die Tatsachenbehauptungen an. Eine mangelhafte oder unklare Bezeichnung der Kündigungsgründe gehe zu Lasten des Kündigenden. Unter dem Schlagwort "Eigenbedarf" kämen die Kündigungstatbestände nach § 30 Abs 2 Z 8 und 9 MRG in Betracht. Der Kündigunggrund müsse daher näher individualisiert werden. Beim Kündigungstatbestand des § 30 Abs 2 Z 8 MRG sei ein überwiegendes Interesse des Vermieters an der Kündigung darzulegen. Es seien Behauptungen zur Interessenabwägung erforderlich. Die fehlende Individualisierung des Kündigungsgrundes könne im Zuge des Verfahrens nicht mehr saniert werden.

Das Berufungsgericht sprach aus, daß die ordentliche Revision zulässig sei. Zur Frage der notwendigen Individualisierung des Kündigungsgrundes nach § 30 Abs 2 Z 8 MRG liege keine jüngere höchstgerichtliche Judikatur vor.

Mit ihrer ordentlichen Revision beantragen die Kläger die Abänderung dahin, daß die Entscheidung des Erstgerichtes wiederhergestellt werde.

Der Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen; hilfsweise wird beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig. Sie ist im Sinne einer Aufhebung der Entscheidung des Berufungsgerichtes zur weiteren Behandlung der Berufung des Beklagten berechtigt.

Der Vermieter hat gemäß § 33 Abs 1 MRG in der Kündigung die Kündigungsgründe kurz anzuführen; andere Kündigungsgründe kann er in diesem Verfahren nicht mehr geltend machen. Die geltend gemachten Kündigungsgründe müssen nach der Rechtsprechung schon in der Kündigung individualisiert werden. Dabei genügt eine schlagwortartige Angabe; das Gericht darf bei der Wertung des Vorbringens nicht kleinlich vorgehen (4 Ob 2135/96s mwN). Es trifft zu, daß der Eigenbedarf des Vermieters (oder seiner im Gesetz angeführten nahen Angehörigen) die Grundvoraussetzung (das wesentliche Tatbestandsmerkmal) zweier Kündigungsgründe darstellt, nämlich einerseits des Kündigungsgrundes nach § 30 Abs 2 Z 8 MRG, bei dem eine Interessenabwägung zwischen den beiderseitigen Interessen vorzunehmen ist, und andererseits des Kündigungsgrundes nach der Z 9 leg cit, bei dem der Vermieter dem Mieter Ersatz zu beschaffen hat. Zutreffend verweist das Berufungsgericht auf die Judikatur, wonach es beim zweitgenannten Kündigungsgrund erforderlich ist, daß der Vermieter schon in der Kündigung eine Ersatzwohnung konkret anbietet (vgl MietSlg 30.462) oder sich schon in der Kündigung ein solches Anbot vorbehält (§ 32 Abs 1 MRG). Da beides hier in der Kündigung nicht geschehen ist, kann mit dem unter dem Schlagwort "Eigenbedarf" angeführten Kündigungsgrund nur derjenige nach § 30 Abs 2 Z 8 MRG verstanden werden. Bei diesem Kündigungsgrund (allenfalls hätte auch die ziffernmäßige Bezeichnung des Kündigungsgrundes genügt: MietSlg 27.441) bedarf es weder der Behauptung eines näheren Sachverhalts zur Begründung des Eigenbedarfs noch näherer Ausführungen zur Interessenabwägung. Beides kann im Fall der Erhebung von Einwendungen durch den beklagten Mieter ohne Verstoß gegen § 33 Abs 1 MRG nachgeholt werden. Die gegenteilige Auffassung wäre mit dem Gesetzeswortlaut, wonach der Kündigungsgrund nur "kurz" angeführt werden muß und mit dem Grundsatz, daß dabei nicht kleinlich vorgegangen werden dürfe, unvereinbar. Da der vom Berufungsgericht angenommene formelle Grund für eine Aufhebung der Aufkündigung nicht vorliegt, wird es die von ihm nicht behandelten weiteren Berufungsgründe (Verfahrensmängel des Verfahrens erster Instanz, Rechtsrüge zur Interessenabwägung) zu erledigen haben.

Der Vorbehalt der Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf § 52 ZPO.