JudikaturJustiz6Ob161/04a

6Ob161/04a – OGH Entscheidung

Entscheidung
23. September 2004

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Ehmayr als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Huber, Dr. Prückner, Dr. Schenk und Dr. Schramm als weitere Richter in der Pflegschaftssache der minderjährigen Camille F*****, über den Revisionsrekurs der Stadt Wien (Amt für Jugend und Familie - Rechtsfürsorge, Bezirke 1, 4, 5, 6, 7, 8, 9, 1060 Wien, Amerlingstraße 11) als Jugendwohlfahrtsträger gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 18. März 2004, GZ 48 R 57/04v 8, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 5. Jänner 2004, GZ 3 P 262/03g 2, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Die Eltern der minderjährigen Camille beabsichtigen, die volljährige Nichte der Mutter zu adoptieren.

Das Erstgericht bestellte ohne vorherige Einholung einer Einverständniserklärung die Stadt Wien (Amt für Jugend und Familie) als Jugendwohlfahrtsträger zum Kollisionskurator für die Minderjährige zur Vertretung in diesem Adoptionsverfahren.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Jugendwohlfahrtsträgers nicht Folge und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Der Jugendwohlfahrtsträger könne auch ohne seine Zustimmung nach § 213 ABGB bestellt werden, wenn eine andere Person mit der Obsorge für einen Minderjährigen ganz oder teilweise zu betrauen sei und sich dafür Verwandte oder andere Nahestehende oder sonst besonders geeignete Personen nicht fänden. Dies sei hier der Fall, weil bei den Verwandten ebenfalls eine Kollision zu besorgen sei und daher auch die nachträglich namhaft gemachte Schwester der vorgesehenen Wahlmutter wegen der Gefahr einer ebenfalls bestehenden Kollision nicht zur Wahrung der Interessen ihrer minderjährigen Nichte im Adoptionsverfahren geeignet sei.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs des Jugendwohlfahrtsträgers ist nicht berechtigt.

Der Oberste Gerichtshof hat zwar bisher überwiegend die Ansicht vertreten, dass der Jugendwohlfahrtsträger nicht zum Kollisionskurator bestellt werden könne und § 213 ABGB dahin ausgelegt, dass diese Bestimmung im Kollisionsfall zwischen einem Minderjährigen und seinen Obsorgeberechtigten nicht zum Tragen komme (SZ 67/134; 5 Ob 100/03x; RIS Justiz RS0117868; gegenteilig: 6 Ob 511/90). Die diesbezüglichen Entscheidungen ergingen jedoch vor dem Familien- und Erbrechts Änderungsgesetz (FamErbRÄG) 2004, BGBl I Nr 58/2004 vom 21. 6. 2004.

§ 213 ABGB idF des KindRÄG (Kindschaftsrechts Änderungsgesetz) 2001, BGBl I Nr 135/2000, lautet: "Ist eine andere Person mit der Obsorge für einen Minderjährigen ganz oder teilweise zu betrauen und lassen sich dafür Verwandte oder andere nahe stehende oder sonst besonders geeignete Personen nicht finden, so hat das Gericht die Obsorge dem Jugendwohlfahrtsträger zu übertragen."

Mit Art I Z 23 FamErbRÄG 2004 wird dem § 213 ABGB der Satz angefügt: "Gleiches gilt, wenn einem Minderjährigen ein Kurator zu bestellen ist". Diese "Klarstellung der Aufgaben des Jugendwohlfahrtsträgers als Kollisionkurator" wird in den Gesetzesmaterialien (RV 471 BlgNR 22. GP) als einer der wesentlichen Inhalte der Novelle bezeichnet. Konkret wird hiezu ausgeführt, dass in der Rechtsprechung im Hinblick auf die Entscheidung 5 Ob 100/03x Unklarheit herrsche, ob die Gerichte in Ermangelung anderer geeigneter gesetzlicher Vertreter einem Minderjährigen auch den Jugendwohlfahrtsträger zum gesetzlichen Vertreter - etwa als Kollisionskurator nach § 271 ABGB - bestellen könnten. Da gerade in Abstammungssachen - trotz der durch das Kindschaftsrechts Änderungsgesetz 2001 vorgenommenen Einschränkung des Anwendungsbereichs des § 271 ABGB - immer wieder Kollisionsfälle auftreten könnten, solle - in Übereinstimmung mit der "bisher überwiegenden" Rechtsprechung - klargestellt werden, dass der Jugendwohlfahrtsträger auch als Kollisionskurator bestellt werden könne (Vorblatt und zu Z 23 [§213] der Regierungsvorlage). Ungeachtet dessen, dass die novellierte Bestimmung erst am 1. 1. 2005 in Kraft tritt (Art IV § 1 FamErbRÄG 2004), ist im Hinblick auf diese unmissverständliche Klarstellung des Gesetzgebers die Divergenz in der Rechtsprechung hinsichtlich der Auslegung des § 213 ABGB im Sinn der von der neueren Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abweichenden Rechtsprechung des Gerichts zweiter Instanz, die in der bekämpften Entscheidung fortgeführt wurde, zu lösen. Der Anrufung eines verstärkten Senats bedarf es im Hinblick darauf, das das Inkrafttreten der insoweit klarstellenden Gesetzesnovelle unmittelbar bevorsteht, nicht.

Dem Revisionsrekurs ist zwar dahin beizupflichten, dass das Gericht vor Bestellung des Jugendwohlfahrtsträgers zum Kollisionskurator zu prüfen hat, ob andere geeignete Personen im Sinn des § 213 ABGB vorhanden sind, die mit diesem Amt betraut werden können. Hier hat sich die Schwester der zukünftigen Wahlmutter (zugleich die Tante der Minderjährigen) als Kuratorin angeboten. Das Rekursgericht hat aber zu Recht darauf hingewiesen, dass ihr Verwandtschaftsverhältnis zu den an der geplanten Adoption beteiligten Personen schon aus objektiver Sicht die unvoreingenommene Ausübung dieses Amtes nicht gewährleistet und dass deshalb weder sie noch sonstige Verwandte oder den Beteiligten nahestehende Personen zur Vertretung der Minderjährigen im Adoptionsverfahren in Frage kommen (vgl. SZ 40/5; Stabentheiner in Rummel ABGB I ³ §§ 271, 272 Rz 4 mwN; Schlemmer in Schwimann ABGB ² § 271 Rz 6).

Der angefochtene Beschluss ist daher zu bestätigen.