JudikaturJustiz6Ob14/88

6Ob14/88 – OGH Entscheidung

Entscheidung
16. Juni 1988

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schobel, Dr. Melber, Dr. Schlosser und Dr. Redl als weitere Richter in der Handelsregistersache der prot. Firma L***-L***-P*** Handelsgesellschaft mbH, mit dem Sitz in Wien, infolge Revisionsrekurses der Susanna S***, Geschäftsfrau, Bessemerstraße 18/4/13, 1210 Wien, vertreten durch Dr. Peter Schnabl, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgerichtes vom 8. April 1988, GZ 6 R 94/87-13, womit der Beschluß des Handelsgerichtes Wien vom 18. August 1987, GZ 7 HRB 24.629/b-9, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Gesellschafter der Firma L***-L***-P*** Handelsgesellschaft mbH sind mit gleicher Beteiligung die Peter D*** Gesellschaft mbH und Susanna S***. Mit Gesellschafterbeschluß vom 20. und 23. März 1987 wurden Peter D*** und Susanna S*** zu Geschäftsführern bestellt. Geschäftsführerin der Peter D*** Gesellschaft mbH ist Gertrude M***. Punkt Neuntens des Gesellschaftsvertrages der Firma L***-L***-P*** Handelsgesellschaft mbH regelt die Generalversammlung und enthält unter anderem folgende Bestimmungen: "Gegenstände, die nicht in die in der Einladung enthaltene Tagesordnung aufgenommen wurden, können in der Generalversammlung lediglich erörtert werden. Eine Beschlußfassung kann nur erfolgen, wenn sämtliche Gesellschafter anwesend oder vertreten sind und mit einer Beschlußfassung einverstanden sind. .... Die Beschlüsse werden, soweit Gesetz oder Gesellschaftsvertrag nicht etwas anderes bestimmen, durch Dreiviertelmehrheit der abgegebenen Stimmen gefaßt. Bei der Abstimmung im schriftlichen Wege wird die zu einer Beschlußfassung der Generalversammlung erforderliche Mehrheit nicht nach der Zahl der abgegebenen Stimmen berechnet; je S 1.000,- (Schilling eintausend) der übernommenen Stammeinlage gewähren eine Stimme, doch muß jedem Gesellschafter mindestens eine Stimme zustehen." (AS 12 f). Gertrude M*** forderte die Geschäftsführer der Firma L***-L***-P*** Handelsgesellschaft mbH mit Schreiben vom 17. Juni 1987 (AS 57 bis 60) gemäß § 37 GmbHG auf, eine außerordentliche Generalversammlung zu einer im Schreiben genau angeführten Tagesordnung (darunter die Abberufung der Geschäftsführer Peter D*** und Susanna S***) einzuberufen. Da dieser Aufforderung nicht entsprochen wurde, berief Gertrude M*** gemäß § 37 Abs 2 GmbHG mit Schreiben vom 10. Juli 1987 (AS 61 bis 64) für den 21. Juli 1987 die Generalversammlung zu der schon im Aufforderungsschreiben genannten Tagesordnung ein. Susanna S*** hatte mit Schreiben vom 7. Juli 1987 (AS 65) mitgeteilt, daß ihr für die Generalversammlung ein Termin zwischen dem 21. und 23. Juli am angenehmsten wäre. Mit Schreiben vom 13. Juli 1987 (AS 85) berief Rechtsanwalt Dr. Peter S*** im Auftrag von Susanna S*** eine Generalversammlung für den 23. Juli 1987 ein und teilte am 29. Juli 1987 mit, diese Generalversammlung habe infolge einer Verspätung nicht abgehalten werden können, sie werde auf 28. August 1987 verlegt (AS 87). Bereits am 21. Juli 1987 hatte aber die von Gertrude M*** einberufene Generalversammlung in der Kanzlei des Notars Dr. Heinrich P*** stattgefunden, zu welcher für Gertrude M*** Rechtsanwalt Dr. Norbert K***, für Susanna S*** jedoch niemand erschienen war. In dieser Generalversammlung wurde einstimmig die Abberufung der Geschäftsführer Peter D*** und Susanna S*** beschlossen (AS 47 ff).

Am 22. Juli 1987 beantragte Gertrude M***, gemäß § 15 a GmbHG durch das Gericht einen Geschäftsführer zu bestellen (AS 48). Das Erstgericht bestellte gemäß § 15 a GmbHG Rechtsanwalt Dr. Werner P*** zum Geschäftsführer.

Das Rekursgericht gab dem dagegen gerichteten Rekurs der Susanna S*** nicht Folge. Es führte im wesentlichen aus, Gertrude M*** sei als Geschäftsführerin der Peter D*** Gesellschaft mbH zur Aufforderung auf Einberufung einer Generalversammlung, zu deren Anordnung sowie zur Vertretung der genannten Gesellschaft bei der Generalversammlung befugt gewesen. Wenn Susanna S*** an der von Gertrude M*** wirksam einberufenen Generalversammlung nicht teilgenommen habe, habe sie es sich selbst zuzuschreiben, wenn Beschlüsse gefaßt worden seien, mit denen sie nicht einverstanden sei. Die im Rekurs vertretene Meinung, ohne ihre Teilnahme wäre gemäß Punkt Neuntens des Gesellschaftsvertrages die Generalversammlung nicht beschlußfähig gewesen, sei verfehlt. Die Bestimmung des Gesellschaftsvertrages darüber, eine Beschlußfassung könne nur erfolgen, wenn sämtliche Gesellschafter anwesend oder vertreten und mit der Beschlußfassung einverstanden seien, beziehe sich nur auf Gegenstände, die in die in der Einladung enthaltene Tagesordnung nicht aufgenommen worden seien. Die Beschlüsse über die Abberufung der beiden Gesellschafter seien daher gesetz- und satzungsmäßig zustandegekommen. Mit einer einverständlichen Bestellung neuer Geschäftsführer sei nicht zu rechnen. Insbesondere zur Herbeiführung des der gesellschaftlichen Wirklichkeit (Abberufung der beiden bisherigen Geschäftsführer) entsprechenden Handelsregisterstandes fehlen die zur Vertretung der Gesellschaft erforderlichen Geschäftsführer. Da es sich dabei im Hinblick auf die Publizitätswirkung des Handelsregisters um einen dringenden Fall im Sinne des § 15 a GmbHG handle, habe das Erstgericht zu Recht einen Notgeschäftsführer bestellt.

Rechtliche Beurteilung

Der von Susanna S*** gegen den Beschluß des Rekursgerichtes erhobene, "insbesondere auf offenbare Gesetzesverletzung sowie offenbare Verletzung der Verfahrensvorschriften" gestützte Revisionsrekurs ist nicht zulässig. Da das Rekursgericht den Beschluß des Erstgerichtes bestätigte, ist gemäß § 16 Abs 1 AußStrG eine Anfechtung nämlich nur im Falle einer offenbaren Gesetz- oder Aktenwidrigkeit der Entscheidung oder einer begangenen Nullität möglich. Derartige Gründe werden jedoch nicht geltend gemacht. Die Revisionswerberin versucht zunächst, darzutun, daß gemäß Punkt Neuntens des Gesellschaftsvertrages die Generalversammlung nur beschlußfähig ist, wenn sämtliche Gesellschafter anwesend sind. Gründe, weshalb die Ansicht des Rekursgerichtes, aus dem systematischen Zusammenhang ergebe sich, daß die Anwesenheit sämtlicher Gesellschafter nur bei Beschlußfassung über nicht angekündigte Gegenstände erforderlich sei (§ 38 Abs 4 GmbHG), offenbar gesetzwidrig sein sollte, werden jedoch nicht angeführt. Die Ausführungen, durch eine Beschlußfassung bei Anwesenheit sämtlicher Gesellschafter seien die Geschäftsführer "zementiert" worden, das Vertrauen auf die gegenständliche Vertragsbestimmung habe dazu geführt, daß man zur zweiten Generalversammlung nicht mehr gekommen sei, lassen unberücksichtigt, daß als Gegenstand der Generalversammlung unter anderem die Abberufung der Gesellschafter bekannt gegeben worden war. Der Hinweis auf das Vertrauen auf früher gefaßte Generalversammlungsbeschlüsse ist daher verfehlt. Der Ansicht, gemäß Punkt Neuntens des Gesellschaftsvertrages seien für die Gültigkeit von Beschlüssen drei Viertel aller Stimmen bezogen auf die gesamte Stammeinlage erforderlich, ist entgegenzuhalten, daß bei Beschlußfassung in der Generalversammlung die Mehrheit von drei Viertel der abgegebenen Stimmen genügt. Nur bei Abstimmungen im schriftlichen Wege sind drei Viertel bezogen auf die Stammeinlagen erforderlich.

Schließlich wendet sich die Revisionsrekurswerberin dagegen, daß das Rekursgericht davon ausging, die Generalversammlung vom 21. Juli 1987 sei legitim einberufen worden. Die Revisionsrekurswerberin führt dazu aus, Gertrude M*** sei nicht legitimiert gewesen, eine Generalversammlung einzuberufen, die Generalversammlung vom 21. Juli 1987 sei wirkungslos, weil die Gesellschafterin Susanna S***, wenn auch verspätet, eine Generalversammlung für den 23. Juli 1987 einberufen habe. Auch diese Ausführungen sind verfehlt. Da Gertrude M*** als Vertreterin eines Gesellschafters, dessen Stammeinlagen 50 % des Stammkapitals beträgt, gemäß § 37 Abs 1 GmbHG berechtigt war, die Einberufung einer Generalversammlung zu verlangen, und dieser Aufforderung nicht entsprochen wurde, war sie gemäß § 37 Abs 2 GmbHG legitimiert, die Generalversammlung einzuberufen. Eine Regelung, daß diese Einberufung ihre Wirksamkeit verliert, wenn nachträglich die Geschäftsführer eine Generalversammlung einberufen, enthält das Gesetz nicht. Es ist daher keinesfalls offenbar gesetzwidrig, wenn das Rekursgericht von der Wirksamkeit der in der Generalversammlung vom 21. Juli 1987 gefaßten Beschlüsse ausgegangen ist. Aus diesen Gründen war der Revisionsrekurs zurückzuweisen.