JudikaturJustiz6Ob128/02w

6Ob128/02w – OGH Entscheidung

Entscheidung
29. August 2002

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber, Dr. Prückner, Dr. Schenk und Dr. Schramm als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dipl. Ing. Valentin A*****, vertreten durch Dr. Harald Christandl, Rechtsanwalt in Graz, gegen die beklagte Partei Einlagensicherung der Banken und Bankiers GesmbH, 1013 Wien, Börsegasse 11, vertreten durch Univ. Prof. Dr. Hanns F. Hügel, Rechtsanwalt in Wien, wegen 13.385,55 EUR, über die Revisionen der klagenden und der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 28. Jänner 2002, GZ 15 R 84/01k-13, mit dem das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 12. Februar 2001, GZ 34 Cg 219/00p-7, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Den Revisionen wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat der beklagten Partei die mit 665,66 EUR (darin enthalten 110,94 EUR USt) bestimmten Kosten deren Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Die beklagte Partei hat der klagenden Partei die mit 333,12 EUR (darin enthalten 55,52 EUR USt) bestimmten Kosten deren Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Schwiegervater des Klägers eröffnete im Auftrag des Klägers und seiner Tochter, der Ehefrau des Klägers, für diese beiden Personen bei der B***** AG (B*****), einer Gesellschafterin der Beklagten, ein auf Überbringer lautendes Sparbuch mit Losungswort. Er legte insgesamt 1,300.000 S auf dieses Sparbuch ein. Hievon waren ihm 450.000 S vom Kläger und 850.000 S von seiner Tochter übergeben worden. In der Folge behob er namens seiner Tochter Beträge von 300.000 S, 4.695 S und 45.000 S. Für den Kläger wurden keine Abhebungen vorgenommen.

Am 16. 1. 1995 wurde über die B***** die Geschäftsaufsicht verhängt und am 17. 3. 1995 über ihr Vermögen der Konkurs eröffnet. Das Sparbuch wies zu diesem Zeitpunkt einen Einlagestand von 1,014.498,18 S auf. Der Kläger und seine Ehefrau beantragten bei der Beklagten die Auszahlung des Einlagensicherungshöchstbetrages von je 200.000 S und meldeten zudem ihre Forderung im Konkursverfahren an. Der Masseverwalter anerkannte eine Konkursforderung von insgesamt 818.618,78 S, worauf eine Ausschüttung mit einer Quote von 77,5 % erfolgte. Die Beklagte zahlte der Ehefrau des Klägers 200.000 S, lehnte jedoch eine Zahlung an den Kläger ab.

Der Kläger begehrte den Einlagensicherungsbetrag von 184.189,22 S. Es habe sich um ein gemeinsames Sparbuch von ihm und seiner Ehefrau gehandelt, dem er selbst 450.000 S zugeführt habe. Gemäß § 93 Abs 2 BWG (Stammfassung) sei der gesicherte Betrag von 200.000 S nicht pro Sparbuch oder Konto, sondern pro berechtigter natürlicher Person auszuzahlen. Der begehrte Betrag errechne sich unter Berücksichtigung der bereits ausgeschütteten Quote.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Bei anonymen Sparbüchern sei eine mehrfache Auszahlung nicht vorgesehen. Der Kläger habe seine materielle Berechtigung am Sparbuch nicht nachgewiesen. Er müsse sich zumindest die ausgeschüttete Konkursquote anrechnen lassen.

Das Erstgericht erkannte dem Kläger in der Hauptsache 180.068,63 S (13.086,10 EUR) zu und wies das Mehrbegehren von 4.120,59 S sowie ein Zinsenteilbegehren ab. Zu den gesicherten Einlagen zählten auch anonyme Sparbücher. Im Fall der Legitimierung des berechtigten Eigentümers seien Mehrfachauszahlungen zulässig.

Das Berufungsgericht änderte dieses Urteil dahin ab, dass es die Beklagte schuldig erkannte, dem Kläger 3.270,28 EUR zu zahlen und das Mehrbegehren abwies. Es teilte die Rechtsansicht des Erstgerichtes, dass auch bei anonymen Sparbüchern der Auszahlung des Einlagensicherungshöchstbetrages an mehrere wirtschaftliche Eigentümer der Einlage nichts im Wege stehe. Die Bestimmung des § 93 BWG idF BGBl 1996/445, wonach Mehrfachauszahlungen nur bei legitimierten Konten möglich seien, spreche nicht für, sondern gegen den Standpunkt der Beklagten, dass auch schon bei der hier maßgebenden Rechtslage Mehrfachauszahlungen bei anonymen Konten unzulässig seien. Das Erstgericht habe jedoch zu Unrecht die im Konkurs erlange quotenmäßige Befriedigung außer Acht gelassen. Die Auszahlung der Konkursquote von 77,5 % beziehe sich auf den vom Masseverwalter anerkannten Einlagestand von 818.618,78 S. Dieser beinhalte auch den auf den Kläger entfallenden Einlagensicherungshöchstbetrag von 200.000 S, der somit lediglich in einem Ausmaß von 22,5 %, das sind 45.000 S (3.270,28 EUR) unberichtigt aushafte. Dies ergebe sich schon aus der Erwägung, dass die Höhe des durch die Einlagensicherungseinrichtung zu zahlenden Betrages nicht davon abhängen könne, ob der Einleger seinen Anspruch zuerst gegenüber dem Masseverwalter oder gegenüber der Einlagensicherungseinrichtung geltend mache. Hätte der Kläger - dem Regelfall entsprechend - zunächst die Zahlung des Einlagensicherungshöchstbetrages von 200.000 S von der Beklagten erlangt, so hätte er im Konkurs lediglich eine um diesen Betrag verminderte Forderung erfolgreich anmelden können, und es wäre dementsprechend die darauf entfallende Konkursquote (77,5 % von 200.000 S) nicht ausgeschüttet worden. Dass die Auszahlung der Konkursquote nicht an den Kläger, sondern an dessen Ehefrau erfolgt sei, sei schon im Hinblick darauf unerheblich, dass beim Überbringersparbuch der jeweilige Inhaber zur Ausübung des verbrieften Rechtes befugt sei und die Zahlung daher schuldbefreiend auch an eine andere berechtigte Person als den Kläger erfolgen habe können.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass die Revision zulässig sei, weil eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Frage fehle, wie die ausgeschüttete Konkursquote bei der Ermittlung der Höhe des Anspruches gegen die Einlagensicherungseinrichtung zu berücksichtigen sei.

Rechtliche Beurteilung

Die Revisionen beider Parteien sind zulässig, aber nicht berechtigt.

Anzuwenden ist hier § 93 BWG idF des am 1. 1. 1994 in Kraft

getretenen Art I BGBl 1993/532 (Finanzmarktanpassungsgesetz 1993),

also noch die Gesetzeslage vor der am 1. 8. 1996 in Kraft getretenen

Novelle BGBl 1996/445. Danach haben Kreditinstitute, die Einlagen auf

Konten von Verbrauchern oder Spareinlagen natürlicher Personen

entgegennehmen, der Einlagensicherungseinrichtung im Rahmen ihres

Fachverbandes anzugehören (Abs 1); diese

Einlagensicherungseinrichtungen haben zu gewährleisten (Abs 2),

"dass, falls über ein Mitgliedsinstitut der Konkurs eröffnet wird,

die Geschäftsaufsicht angeordnet wird (§ 83 BWG) oder hinsichtlich

der gesicherten Einlagen eine Zahlungseinstellung behördlich verfügt

wird, die Einlagen gemäß Abs 1 bis zu einem Höchstbetrag von S

200.000 oder Gegenwert in fremder Währung pro natürlicher Person auf

deren Verlangen und nach Legitimierung innerhalb von längstens drei

Monaten ausbezahlt werden; soziale Härtefälle können zeitlich

bevorzugt behandelt werden". Der Oberste Gerichtshof hat sich schon

einmal mit der Frage der Zulässigkeit von Mehrfachauszahlungen auf

Grund eines Kontos, auf dem sich Einlagen mehrerer Berechtigter

befanden, auseinandergesetzt (7 Ob 246/99y = RZ 2000/14 [70] = ZIK

2000/87 = ÖBA 2000/880 [536] = EvBl 2000/77 [345]).

Danach ist nach § 93 BWG sowohl alter (BGBl 1993/532) als auch neuer Fassung (BGBl 1996/445) nicht nur der Kontoinhaber forderungsberechtigt, sondern auch jede natürliche Person, die "bloßer wirtschaftlicher Eigentümer der Einlage" ist, von der also das auf dem Konto einbezahlte Geld "stammt". Es sind die Forderungen pro natürlicher Person und nicht pro Einlage gesichert. Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut der Bestimmung alter Fassung unzweifelhaft (vgl auch M. Gerharter, ecolex 2000, 351). Anspruchsberechtigt ist daher nicht nur der verfügungsberechtigte Kontoinhaber, sondern auch eine andere Person, wenn sie sich legitimiert, d.h. ihre Identität offenlegt und den Nachweis erbringt, dass der erliegende Betrag oder ein Teil davon wirtschaftlich aus ihrem Geld stammt. Nur diesbezüglich hat der Oberste Gerichtshof in der zitierten Entscheidung 7 Ob 246/99y ausgesprochen, dass die Novelle BGBl 1996/445 bloß einen bereits bestehenden Rechtszustand zur Missbrauchsverhinderung sprachlich verdeutlicht, jedoch inhaltlich unverändert gelassen hat. In der hier anzuwendenden Fassung des § 93 Abs 2 BWG findet sich aber noch keine Einschränkung dahin, dass das Konto, auf dem die gesicherte Einlage erliegt, legitimiert sein muss. Diese wird erst mit § 93 BWG idF BGBl 1996/445 eingeführt, als angeordnet wurde, dass Mehrfachauszahlungen nur dann zulässig sind, wenn gesicherte Einlagen auf legitimierten Gemeinschaftskonten vorliegen oder wenn die aus einem legitimierten Konto berechtigten Einleger ihren Anspruch nachweisen. In diesem Punkt wurde die Bestimmung des hier anzuwendenden § 93 Abs 2 BWG verschärft. Nach § 93 Abs 2 BWG idF BGBl 1993/532 war die Legitimation des Kontos nicht Anspruchsvoraussetzung (vgl hiezu Zawischa, Die Einlagensicherung nach § 31 KWG und ihre Tücken, ÖBA 1990, 502 [504, 506], der dies bei Behandlung der Vorgängerbestimmung des § 31 KWG als selbstverständlich unterstellt). Dies bedeutet, dass unter Anwendung der oben dargestellten Grundsätze nach § 93 Abs 2 BWG idF BGBl 1993/532 Mehrfachauszahlungen auch hinsichtlich anonymer Konten im Falle der entsprechenden Legitimierung der Berechtigten vorzunehmen sind. Der Anspruch nach § 93 Abs 2 BWG steht kraft Gesetzes also jeder Person zu, die sich im oben dargelegten Sinn legitimieren kann.

Gemäß § 93 Abs 2 BWG idF BGBl 1993/532 hat die Beklagte zu gewährleisten, dass gesicherte Einlagen bis zu einem Höchstbetrag von 200.000 S oder Gegenwert in fremder Währung pro natürlicher Person auf deren Verlangen und nach Legitimierung innerhalb von längstens drei Monaten ausbezahlt werden. Der für das betroffene Kreditinstitut zuständigen Einlagensicherungseinrichtung stehen Rückgriffsansprüche gegen dieses Institut in Höhe der geleisteten Beträge und der nachgewiesenen Kosten zu. Nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut sind Leistungen der Beklagten Auszahlungen der gesicherten Einlagen bis zu einem Höchstbetrag von S 200.000 (durch den Einlagenstand begrenzt). Damit soll bewirkt werden, dass der Einleger einen Rechtsanspruch auf unverzügliche Entschädigung bis zu dem normierten Betrag erhält (vgl Pötzelberger in Fremuth u.a., BWG2, § 93, Rz 2 f). Auch wenn die gesetzliche Regelung interpretationsbedürftig ist, ist doch nach dem Wortlaut und dem Sinn des Gesetzes erkennbar, dass sichergestellt werden soll, dass dem Einleger jedenfalls bis zu 200.000,-- S seine Einlage vollständig ausbezahlt wird, ihn also in diesem Bereich eine Kürzung durch die Konkursquote nicht belastet. Wird der Einlagensicherungsbetrag nun ausbezahlt, so vermindert dies die Forderung gegenüber der Gemeinschuldnerin aus der gesicherten Einlage (in diesem Fall ist die angemeldete Konkursforderung entsprechend einzuschränken) und der Einlagensicherungseinrichtung steht ein Rückgriffsanspruch gegen die Gemeinschuldnerin zu. Der Anspruch nach § 93 Abs 2 BWG soll aber nicht zu einer gesetzlich nicht vorgesehenen Begünstigung des Einlegers führen. Erhält nun der Berechtigte aus dem Konkurs seine auf ihn entfallende Quote ausgezahlt, so ist diese auf die 200.000,-- S anzurechnen, da ihm sonst mehr als die garantierten 200.000,-- S ungekürzt zukämen. Die Richtigkeit dieser Auslegung, die dem Gesetzestext am nächsten kommt, wird auch dadurch bestätigt, dass die Forderungen des Einlegers unabhängig davon gleich hoch sein müssen, ob sie vor oder nach Quotenausschüttung im Konkursverfahren geltend gemacht werden.

Dies bedeutet, dass der nach § 93 Abs 2 BWG zu ermittelnde Einlagensicherungsbetrag um jenen Prozentsatz zu mindern ist, mit dem bereits eine quotenmäßige Befriedigung der Ansprüche des Einlegers erfolgt ist. Wurde - wie hier - bereits eine Quote von 77,5 % ausgeschüttet, so besteht nur mehr ein Anspruch auf Bezahlung von 22,5 % von 200.000 S, d.s. 45.000 S.

Für eine Auslegung der strittigen Bestimmung des § 93 Abs 2 BWG aF dahin, dass darin eine Ausfallshaftung in dem Sinn vorgesehen ist, dass der Höchstbetrag von 200.000 S für jene Ausfälle garantiert ist, die die Anleger im Rahmen eines Konkursverfahrens durch Erhalt lediglich einer Quote erleiden, bietet auch die in der Revision des Klägers ins Treffen geführte Richtlinie 94/19/EG des Europäischen Parlaments und Rates vom 30. Mai 1994 über Einlagensicherungssysteme keine Grundlage. Gemäß Art 7 Abs 1 dieser Richtlinie soll vielmehr die Gesamtheit der Einlagen desselben Einlegers bis zu einem Betrag von 20.000 ECU (bzw bis 31. 12. 1999 von 15.000 ECU) durch das Einlagensicherungssystem abgedeckt sein, wobei nicht auf einen Namen lautende Einlagen von dieser Sicherung überhaupt ausgenommen oder in geringerem Umfang gesichert werden können (Art 7 Abs 2 iVm Anhang I Punkt 10.). Abgesehen davon, dass demnach durch innerstaatliche Anordnung anonyme Spareinlagen von der Einlagensicherung ausgenommen hätten werden können, spricht auch der Wortlaut der zitierten Bestimmung dafür, dass im Fall der Insolvenz der Bank lediglich ein bestimmter (in etwa dem in § 93 BWG aF festgelegten Betrag von 200.000 S entsprechender) Mindestbetrag den betroffenen Einlegern jedenfalls zufließen soll. Auch wenn die Konzeption des am 1. 1. 1994 in Kraft getretenen § 93 BWG und dessen Vorgängerbestimmung im KWG von den Intentionen des nationalen und supranationalen Gesetzgebers geprägt war, das Vertrauen auf die Funktionsfähigkeit der in Wirtschaftsprozess verbliebenen Geldinstitute sicherzustellen und den Schutz der Sparer zu erhöhen (Pötzelberger in Fremuth/Laurer/Linc/Pötzelberger/Ruess, BWG2 § 93 Rz 1, 2; Erwägungen des Europäischen Parlaments und des Rates der Europäischen Union zur Richtlinie 94/19/EG)), vermag dies nicht das bereits vom Berufungsgericht aufgezeigte Ergebnis, zu dem die Auffassung des Klägers führen würde, zu rechtfertigen, nämlich dass die Höhe der Befriedigung des Einlegers davon abhängig ist, ob er seine Ansprüche zuerst gegenüber dem Masseverwalter oder gegenüber der Einlagensicherungseinrichtung geltend macht.

Aus den bereits vom Berufungsgericht zutreffend dargelegten Erwägungen war daher der Revision ein Erfolg zu versagen. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.