JudikaturJustiz5Ob90/02z

5Ob90/02z – OGH Entscheidung

Entscheidung
23. April 2002

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Klinger als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Floßmann und Dr. Baumann und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr. Hurch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Anneliese P*****, vertreten durch Dr. Andreas Ladstätter, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Angela S*****, vertreten durch Dr. Markus Freund, Rechtsanwalt in Wien, wegen EUR 3.939,67 (S 54.211) sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 10. Oktober 2001, GZ 36 R 354/01b-13, womit das Urteil des Bezirksgerichtes Floridsdorf vom 20. Mai 2001, GZ 28 C 2583/00g-9, in der Hauptsache bestätigt wurde, zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, dass die Entscheidung insgesamt zu lauten hat:

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei EUR 3.939,67 (S 54.211) samt 4 % Zinsen seit 7. Dezember 2000 und die mit EUR 3.078,66 (darin EUR 324,80 Umsatzsteuer und EUR 1.129,84 Barauslagen) bestimmten Kosten aller drei Instanzen binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Mutter der Klägerin war Hauptmieterin einer Wohnung im Haus einer gemeinnützigen Bauvereinigung. Sie verstarb am 23. 3. 1980. Als Alleinerbin wurde der Klägerin der gesamte Nachlass ihrer Mutter eingeantwortet. In die Mietrechte an deren Wohnung trat deren vormaliger Lebensgefährte ein. Dieser verstarb am 19. 5. 2000, worauf die gemeinnützige Bauvereinigung an die Beklagte als dessen Alleinerbin gemäß § 17 WGG den Rückzahlungsbetrag von S 54.211 leistete. Für den Zeitpunkt des Todes der Mutter der Klägerin errechnete sich dieser Betrag mit S 32.832.

Die Klägerin begehrte in ihrer Klage von der Beklagten Zahlung von S

54.211 sA. Sie habe als Alleinerbin ihrer Mutter, nachdem das Mietverhältnis durch den Tod des eintrittsberechtigten Lebensgefährten der Mutter aufgelöst worden sei, Anspruch auf Rückzahlung des von der Mutter beim Mietvertragsabschluss geleisteten Finanzierungsbeitrags nach § 17 WGG. Die Beklagte sei durch die Auszahlung des Finanzierungsbeitrages unrechtmäßig bereichert, weil weder sie noch ihr Rechtsvorgänger den Baukostenbeitrag geleistet hätten.

Die Beklagte wendete ein, das Mietverhältnis sei am 31. 8. 2000 einvernehmlich aufgelöst worden. Zum Zeitpunkt des Ablebens der Mutter der Klägerin sei ein Rückforderungsanspruch im Sinne des § 17 WGG nicht entstanden, habe daher nicht zu den Nachlassaktiven gezählt und daher auch nicht zu einer Forderung der Klägerin werden können. Hilfsweise wurde eingewendet, dass ein Anspruch der Klägerin nur in Höhe des zum Todeszeitpunkt ihrer Mutter anzunehmenden Rückzahlungsanspruches in der Höhe von S 32.832 bestehen könne. Der zuletzt infolge Aufwertung ausgezahlte Betrag von S 54.211 stehe hingegen nicht zu.

Das Erstgericht wies die Klage ab. Der Rückforderungsanspruch gemäß § 17 WGG zähle nicht zu den Aktiven des Nachlasses, weil durch den Tod des Mieters bzw Nutzungsberechtigten im Anwendungsbereich des WGG der Mietvertrag nicht aufgelöst werde. Es sei im Übrigen derjenige Mieter anspruchsberechtigt, der den Vertrag auflöse oder demgegenüber der Mietvertrag aufgelöst werde, ohne Rücksicht darauf, ob er Erbe des verstorbenen Mieters gewesen sei, der den Baukostenzuschuss geleistet habe. Das sei im vorliegenden Fall die Beklagte als Alleinerbin des in den Mietvertrag gemäß § 14 Abs 1 MRG eingetretenen Lebensgefährten der Mutter der Klägerin. Die Beklagte habe das Mietverhältnis einvernehmlich aufgelöst. Von einer rechtsgrundlosen Bereicherung der Beklagten könne keine Rede sein.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil in der Hauptsache und sprach aus, dass die Revision zulässig sei, weil zur Frage, ob Ausgleichsansprüche des Nachlasses bzw der Erben gegenüber den in ein Miet- oder Nutzungsverhältnis infolge der wohnrechtlichen Sondererbfolge (§ 14 MRG) Eintretenden bestünden, bislang oberstgerichtliche Rechtsprechung nicht vorliege.

Gegen diese Berufungsentscheidung richtet sich die Revision der Klägerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im klagsstattgebenden Sinne abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Beklagte beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig; sie ist auch berechtigt.

Die Rechtsmittelwerberin macht im Wesentlichen geltend, sie habe als Universalsukzessorin einen Ausgleichsanspruch gegen die Erbin des Sonderrechtsnachfolgers auf geleistete Beiträge der Erblasserin, der spätestens zum Zeitpunkt der Auszahlung gemäß § 17 WGG fällig geworden sei. Die Rechtsansicht der Vorinstanzen würde zum unbilligen Ergebnis führen, dass die von einem verstorbenen Mieter geleisteten Beträge dessen Erben für immer ersatzlos entzogen würden und ein Dritter, der niemals aus seinem Vermögen geleistet habe, bereichert sei. Überdies sei die Beklagte nie Mieterin der Wohnung geworden.

Hiezu wurde erwogen:

Das Schicksal eines nach den Bestimmungen des WGG geleisteten Baukostenbeitrages bei Eintritt der Sondererbfolge gemäß § 14 MRG ist in der Lehre umstritten:

Würth vertritt (zu WoBl 1992, 194/127; ebenso in Würth/Zingher, Miet- und Wohnrecht20 § 17 WGG Rz 3) die Ansicht, der Rückforderungsanspruch nach § 17 WGG gehöre nicht zu den Aktiven des Nachlasses, weil durch den Tod des Mieters/Nutzungsberechtigten der Mietvertrag nicht aufgelöst werde. Anspruchsberechtigt sei derjenige Mieter, der den Vertrag auflöse oder demgegenüber der Vertrag aufgelöst werde, ohne Rücksicht darauf, ob er Erbe des verstorbenen Mieters gewesen sei, der den Baukostenzuschuss geleistet habe. Dieser Ansicht folgen Wieser/Schuchter in Schwimann ABGB IV² § 17 WGG Rz 3.

Hingegen gelangt Vonkilch in einer ausführlichen Untersuchung (Mietzinsvorauszahlungen, Baukostenbeiträge und wohnrechtliche Sondererbfolge [§ 14 MRG], NZ 2000, 321, 328) zum Ergebnis, dass die in das Miet- bzw Nutzungsverhältnis Eintretenden einem Ausgleichsanspruch des Nachlasses bzw der Erben für noch nicht abgewohnte Baukostenbeiträge ausgesetzt seien, dessen nähere Bestimmung sich an den Grundsätzen des § 1042 ABGB orientiere. Der erkennende Senat hat in 5 Ob 1023/92 = WoBl 1992, 194/127 (Call, Würth) ausgesprochen, dass der Anspruch des Mieters auf Rückzahlung eines bezahlten Grund- und Baukostenbeitrages die Vertragsauflösung voraussetze. Diese Anspruchsvoraussetzung fehle, wenn der Lebensgefährte in den Mietvertrag eingetreten sei. Die Frage, ob ein Anspruch des Erben gegen den Eintretenden bestehen könnte, musste nicht erörtert werden.

In 5 Ob 216/01b = EvBl 2002/34 hat der erkennende Senat allerdings jüngst nicht dem Eintretenden, sondern der Verlassenschaft des verstorbenen Mieters das Recht zur Rückforderung nicht verbrauchter Erhaltungs- und Verbesserungsbeiträge, die der Verstorbene entrichtet hatte, zuerkannt. Er hat hiezu Folgendes ausgeführt:

§ 14 MRG sehe eine kraft Gesetzes eintretende Sonderrechtsnachfolge in das Hauptmietverhältnis über eine Wohnung mit dem Tod des Hauptmieters vor, welche die allgemeine Erbfolge - ausnahmsweise - ausschließe. Zweck der Bestimmung sei die Absicherung des dringenden Wohnbedürfnisses haushaltszugehöriger naher Angehöriger des verstorbenen Hauptmieters. Dieser Zweck erfordere es nicht, die allgemeine Erbfolge nicht nur für die Wohnungsnutzung, sondern auch für Rückforderungsansprüche wie den gegenständlichen zu durchbrechen. Dem (nicht selbst eintrittsberechtigten) Erben solle durch den Eingriff des Gesetzgebers nicht mehr "weggenommen" werden, als unbedingt nötig.

Im vorliegenden Fall ist zunächst davon auszugehen, dass gegenüber der gemeinnützigen Bauvereinigung gemäß § 17 Abs 1 WGG der ausscheidende Mieter, also auch ein gemäß § 14 MRG eingetretener Mieter bzw dessen Erbe anspruchsberechtigt ist. Was das Verhältnis zwischen diesem und dem Erben des früheren Mieters, der den Baukostenbeitrag geleistet hat, anlangt, ist der erkennende Senat im Anschluss an 5 Ob 216/01b der Meinung, dass der Zweck des § 14 MRG, das dringende Wohnbedürfnis haushaltszugehöriger naher Angehöriger des verstorbenen Hauptmieters abzusichern, es nicht erfordert, die allgemeine Erbfolge nicht nur für die Wohnungsnutzung zu durchbrechen, sondern dem in das Vertragsverhältnis Eintretenden (bzw dessen Erben) auch einen gemäß § 17 WGG von der gemeinnützigen Bauvereinigung zurückbezahlten Baukostenbeitrag, den der ursprüngliche Mieter und nicht der Eintretende bezahlt hat, zu belassen. Dem (nicht selbst eintrittsberechtigten) Erben soll durch den Eingriff des Gesetzgebers auch insoweit nicht mehr entzogen werden, als unbedingt nötig.

Als Grundlage für den vorzunehmenden Ausgleich kann § 1042 ABGB (per analogiam; vgl Vonkilch aaO) dienen.

Herauszugeben ist die Zahlung der gemeinnützigen Bauvereinigung in voller Höhe, wie sie gemäß § 17 Abs 4 WGG errechnet wurde (vgl zur Aufwertung von Verwendungsansprüchen Rummel in Rummel, ABGB³ § 1041 Rz 14 mwN, § 1042 Rz 9); auf eine zum Todestag der ursprünglichen Mieterin angestellte fiktive Berechnung des Rückzahlungsbetrages (Abschreibung und Aufwertung des Baukostenbeitrages) kommt es nicht an.

Dem Klagebegehren war daher in Abänderung der vorinstanzlichen Entscheidungen stattzugeben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

Rechtssätze
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