JudikaturJustiz5Ob84/98h

5Ob84/98h – OGH Entscheidung

Entscheidung
21. April 1998

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Klinger als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schwarz, Dr. Floßmann, Dr. Baumann und Dr. Hradil als weitere Richter in der Unterbringungssache der Patientin Ulrike K***** infolge Revisionsrekurses der Patientenanwältin Mag. Claudia Schennach, Patientenanwaltschaft Geschäftsstelle Salzburg, Ignaz-Harrer-Straße 79, gegen den Beschluß des Landesgerichtes Salzburg als Rekursgericht vom 4. Februar 1998, GZ 21 R 32/98x-73, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Salzburg vom 19. Dezember 1997, GZ 35 Ub 528/95h-65, bestätigt wurde, den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Mit Beschluß des Rekursgerichts vom 21.10.1997 (ON 51) wurde der Beschluß des Erstgerichts vom 2.10.1997 (ON 46), mit dem die weitere Unterbringung der Patientin für nicht zulässig erkannt wurde, bestätigt. Dieser Beschluß ist in Rechtskraft erwachsen und wurde dem Abteilungsleiter spätestens am 3.11.1997 zugestellt. Die Unterbringung der Patientin wurde bisher (offenbar mangels geeigneter extramuraler Betreuungsmöglichkeit) nicht aufgehoben.

Am 15.12.1997 langte beim Erstgericht ein Antrag des Patientenanwaltes ein, erstens die Unterbringung für unzulässig zu erklären und zweitens "entsprechend § 19 Abs 1 AußStrG Maßnahmen einzuleiten, um diesen rechtswidrigen Zustand zu beenden" (ON 63).

Das Erstgericht wies den erstgenannten Antrag zurück sowie den zweitgenannten Antrag ab. Hiezu führte es im wesentlichen aus, daß gegen die Mißachtung eines bereits wirksam erlassenen gerichtlichen Unzulässigkeitsbeschlusses nach dem UbG kein weiterer gerichtlicher Rechtsweg mehr bestehe, vielmehr damit die Zuständigkeit des unabhängigen Verwaltungssenates gegeben sei. Weder seien weitere Maßnahmen des Gerichts vorgesehen, noch ein neuerliches Überprüfungsverfahren. Weiters scheide in Unterbringungssachen eine gerichtliche Exekution nach § 19 Abs 1 AußStrG aus, weil das Gericht lediglich über die Zulässigkeit der Unterbringung (feststellend) abspreche.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Patientenanwältin nicht Folge und sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs - mangels einschlägiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes - zulässig sei. Es führte folgendes aus:

Nach der Aktenlage sei davon auszugehen, daß jedenfalls im Zeitpunkt der Beschlußfassung erster Instanz, auf den die Überprüfung der Sach- und Rechtslage durch die Rekursinstanz abzustellen habe, eine Verpflichtung des Abteilungsleiters zur sofortigen Aufhebung der Unterbringung infolge der gerichtlichen Unzulässigkeitsentscheidung ON 51 bestanden habe, sodaß die - nach der Aktenlage noch andauernde - Unterbringung der Patientin rechtswidrig sei. Entgegen der Auffassung der Rekurswerberin habe das Erstgericht mit seinem Beschluß vom 13.11.1997 (im Protokoll ON 55 über Antrag der Patientenanwaltschaft ON 53) kein weiteres Unterbringungsverfahren eingeleitet, sondern lediglich deklarativ ausgesprochen, daß die Patientin weiterhin faktisch untergebracht sei und eine solche Unterbringung unzulässig sei. Das Erstgericht habe demnach auch keine Zuständigkeit arrogiert, sodaß die Ausführung der Rekurswerberin über eine zu vermeidende Zweigleisigkeit des Rechtschutzes bei einer rechtswidrigen Fortsetzung der Unterbringung nach dem Wirksamwerden der Unzulässigkeitsentscheidung ins Leere gehe. Das Rekursgericht schließe sich vielmehr jener - soweit überblickbar - herrschenden Meinung an, wonach gegen die Mißachtung eines bereits wirksam erlassenen gerichtlichen Unzulässigkeitsbeschlusses nach dem UbG kein weiterer gerichtlicher Rechtsweg mehr bestehe, der die Zuständigkeit der unabhängigen Verwaltungssenate ausschließen könnte. Insbesondere scheide auch eine gerichtliche Exekution nach § 19 Abs 1 AußStrG aus, weil das Gericht nach § 26 Abs 3 UbG keine Entlassungsverfügung erlassen, sondern lediglich über die Zulässigkeit der Unterbringung absprechen könne. Feststellende Entscheidungen seien einer Vollstreckung aber nicht zugänglich. Die rechtswidrige Fortsetzung der Unterbringung nach dem Wirksamwerden der Unzulässigkeitsentscheidung des Gerichts verletze den Patienten in seinem Recht auf persönliche Freiheit und sei als Ausübung unmittelbarer behördlicher Befehls- und Zwangsgewalt in diesem Fall ausnahmsweise bei den unabhängigen Verwaltungssenaten bekämpfbar. Das Rekursgericht pflichte demnach der Auffassung des Erstgerichts bei, daß die Aufgabe der Justiz mit der Entscheidung über die (Un )Zulässigkeit beendet sei und daher der Antrag der Patientenanwaltschaft ON 63 ohne meritorische Prüfung zurückzuweisen gewesen sei. Auch hinsichtlich der Abweisung des Vollzugsantrages der Patientenanwältin sei der erstgerichtliche Beschluß unter Hinweis auf die oben dargelegte Rechtsauffassung zu bestätigen, wobei die Erwägungen der Rekurswerberin hinsichtlich eines Rechtschutzdefizites im Hinblick auf die dargelegte Zuständigkeit des unabhängigen Verwaltungssenates bezüglich einer rechtswidrigen Fortsetzung der Unterbringung nach dem Wirksamwerden der Unzulässigkeitsentscheidung des Gerichts nicht geteilt würden. Soweit kritisiert werde, die Rechtsprechung in EvBl 1972/56 sei für die hier vorliegende Fallgestaltung nicht einschlägig bzw die dort ausgesprochene Rechtsansicht des Obersten Gerichtshofes sei bereits als überholt anzusehen, so könne dem nicht gefolgt werden. Feststellungs- und Rechtsgestaltungsbeschlüsse bedürften keiner Vollstreckung, sodaß insoweit eine Exekution nach § 19 AußStrG schon begrifflich nicht in Betracht komme.

Gegen diese Rekursentscheidung richtet sich der Revisionsrekurs der Patientenanwältin wegen Nichtigkeit und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit einem Aufhebungs- und Rückverweisungsantrag.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig, aber nicht berechtigt.

Die Rechtsmittelwerberin wendet sich insbesondere gegen die Ansicht der Vorinstanzen, der unabhängige Verwaltungssenat sei zuständig. Vielmehr komme bei Maßnahmen des Anstaltspersonals zur Einschränkung der Bewegungsfreiheit den ordentlichen Gerichten eine umfassende Zuständigkeit zur Prüfung der Zulässigkeit einer Unterbringung nach dem UbG zu. Weil das Erstgericht dem Antrag auf neuerliche Überprüfung der Zulässigkeit der Unterbringung nicht entsprochen habe, sei der Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt worden, weshalb ein Nichtigkeitsgrund vorliege. Beschlüsse, mit denen die Unterbringung für unzulässig erklärt werde, seien Gestaltungsverfügungen gleichzuhalten, die die Anordnung der Aufhebung der Unterbringung implizierten; zur Durchsetzung seien gemäß § 19 Abs 1 AußStrG angemessene Zwangsmittel anzuwenden.

Hiezu wurde erwogen:

Die weitere Unterbringung der Patientin ist bereits mit rechtskräftigem Gerichtsbeschluß für unzulässig erklärt worden. Einer neuerlichen Entscheidung hierüber steht - bei unveränderter Sachlage - die Rechtskraft dieses Beschlusses entgegen. Weder gibt es für eine bloße Bekräftigung der Unwirksamerklärung eine Rechtsgrundlage, noch vermag die Rechtsmittelwerberin die Sinnhaftigkeit einer solchen Wiederholung begreiflich zu machen. Daß das Erstgericht auf Antrag der Rechtsmittelwerberin zunächst doch (im Protokoll ON 55) beschlußmäßig zum Ausdruck gebracht hat, es halte in Übereinstimmung mit dem Rekursgericht weiterhin an seiner Ansicht, die Unterbringung sei unzulässig, fest, vermag hier nichts zu ändern.

Dem Rekursgericht ist zuzustimmen, daß sich die Tätigkeit des Unterbringungsgerichts schließlich in der Feststellung der Unzulässigkeit der Unterbringung erschöpft, was die Verpflichtung des Abteilungsleiters, die Unterbringung sogleich aufzuheben, nach sich zieht; die Erlassung einer Entlassungsverfügung ist im § 26 Abs 3 UbG nicht vorgesehen. Eine Feststellungsentscheidung, aus der sich nur mittelbar eine Verpflichtung ergibt, kann aber nicht Gegenstand einer Vollstreckung gemäß § 19 Abs 1 AußStrG sein (vgl Kopetzki, Grundriß des Unterbringungsrechts Rz 784; derselbe, Unterbringungsrecht II 932f mwN; Dolinar, Außerstreitverfahren allgemeiner Teil 152 FN 382; vgl RIS-Justiz RS0000222). Die - von Kopetzki aaO bejahte - Frage der Zuständigkeit des unabhängigen Verwaltungssenates ist vom Obersten Gerichtshof nicht zu prüfen.

Dem Revisionsrekurs war somit ein Erfolg zu versagen.