JudikaturJustiz5Ob145/05t

5Ob145/05t – OGH Entscheidung

Entscheidung
04. Oktober 2005

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Floßmann als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Baumann, Dr. Hurch, Dr. Kalivoda und Dr. Höllwerth als weitere Richter in der außerstreitigen Mietrechtssache des Antragstellers Eduard H*****, vertreten durch Dr. Roland Kassowitz, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Antragsgegner Werner D*****, vertreten durch Mag. Dr. Till Hausmann, Rechtsanwalt in Wien, wegen § 37 Abs 1 Z 8 MRG, über den ordentlichen Revisionsrekurs des Antragstellers gegen den Sachbeschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 26. Jänner 2005, GZ 38 R 11/05g-13, mit welchem der Sachbeschluss des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 26. November 2004, GZ 45 Msch 31/04a-7, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Sachbeschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der Sachbeschluss des Rekursgerichts wird dahingehend abgeändert, dass der erstinstanzliche Sachbeschluss wiederhergestellt wird.

Text

Begründung:

Der Antragsteller ist Eigentümer der Liegenschaft *****. Der Antragsgegner ist Hauptmieter der dort gelegenen Werkstätte top Nr 1B samt 4 Stellplätzen im Hof. Der Antragsgegner hat die im Mietobjekt betriebene Kfz-Reparaturwerkstätte am 7. 7. 1999 von seinem Vater übernommen, weshalb seit 1. 1. 2000 eine 15-tel Anhebung gemäß § 12a Abs 1, 2 und 4 MRG erfolgt. Der zum 7. 7. 1999 angemessene Mietzins beträgt 6.328 Schilling. Seit zumindest Mai 1994 wurde ein Erhaltungs- und Verbesserungsbeitrag (EVB) eingehoben. Der Hauptmietzins ohne EVB und 15-tel Anhebung, welchen der Vater des Antragsgegners bezahlte, betrug 206,67 Schilling (= 15,02 Euro). Bis 2003 lag der Berechnung der 15-tel Anhebung als „bisher bezahlter Hauptmietzins" der Betrag von 15,02 Euro zu Grunde. Ab Jänner 2004 bringt der Antragsteller von der Zielstufe den - den (früheren) EBV enthaltenden - Betrag von 118,36 Euro als „bisher bezahlten Hauptmietzins § 45 MRG" in Abzug. Je nach „bisher bezahltem Hauptmietzins" (118,36 Euro bzw 15,02 Euro) ergibt sich folgende Berechnung der 15-tel Anhebung:

„bisher bezahlter Hauptmietzins" = 118,36 Euro:

Zielstufe (angemessener monatlicher

Nettohauptmietzins) 483,14 Euro

abzüglich „bisher bezahlter Hauptmietzins" 118,36 Euro

Differenz 364,78 Euro

davon 5/15-tel (gerundet) 121,59 Euro

zuzüglich „bisher bezahlter Hauptmietzins" 118,36 Euro

neuer Hauptmietzins 239,95 Euro

„bisher bezahlter Hauptmietzins" = 15,02 Euro:

Zielstufe (angemessener monatlicher

Nettohauptmietzins) 483,14 Euro

abzüglich „bisher bezahlter Hauptmietzins" 15,02 Euro

Differenz 468,12 Euro

davon 5/15-tel (gerundet) 156,04 Euro

zuzüglich „bisher bezahlter Hauptmietzins" 15,02 Euro

neuer Hauptmietzins 171,06 Euro

Der Antragsteller begehrt festzustellen, er habe durch die Vorschreibung eines Nettohauptmietzinses von 239,95 Euro den zulässigen Hauptmietzins nicht überschritten. Mit der Mietrechtsnovelle (MRN) 2001 sei der vormaligen EVB zum Hauptmietzins ohne Sonderschicksal geworden und deshalb bei der Berechnung der 15-tel Anhebung als Mietzins nach § 45 MRG zugrundezulegen. Der Antragsgegner wendet ein, die bloße Umbenennung des EVB habe nach dem erklärten Willen des historischen Gesetzgebers zu keiner wirtschaftlichen Änderung, insbesondere zu keiner Mehrbelastung des Mieters führen sollen. Für die Berechnung der 15-tel Anhebung sei daher als bisher bezahlter Hauptmietzins der Betrag von 15,02 Euro maßgeblich.

Das Erstgericht gab dem Antrag statt und sprach aus, der Antragsteller habe durch Vorschreibung eines Nettohauptmietzinses von 239,95 Euro den zulässigen Hauptmietzins nicht überschritten. Seit der MRN 2001 bildeten der bisher bezahlte Mietzins zusammen mit dem (seither nicht mehr existierenden) EVB den bisher bezahlten Hauptmietzins, der für die Berechnung der 15-tel Anhebung maßgeblich sei.

Das Rekursgericht gab dem gegen diese Entscheidung erhobenen Rechtsmittel des Antragsgegners Folge und sprach aus, der Antragsteller habe durch Vorschreibung eines Nettohauptmietzinses von 239,95 Euro das gesetzlich zulässige Zinsausmaß um 68,89 Euro überschritten. Der maßgebliche Zeitpunkt für die Ermittlung des angemessenen Mietzinses sei nach den Ausführungen im Ausschussbericht der nicht näher erläuterte „Zeitpunkt des Eintrittes"; daraus lasse sich der Wille des Gesetzgebers erkennen, dass für die Berechnung nicht auf die jeweiligen Zeitpunkte der weiteren 15-tel Schritte abzustellen sei, sondern am ehesten auf den Jänner desjenigen Jahrs, für welches erstmals die Mietzinsanhebung vorgeschrieben werde. Dieser Stichtag müsse dann konsequenterweise auch für den bisher bezahlten Mietzins maßgeblich sein. Das Rekursgericht sprach aus, der Wert des Entscheidungsgegenstands übersteige 10.000 Euro und der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil zur Berechnung der 15-tel Anhebung keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshof vorliege.

Gegen diesen Entscheidung des Rekursgerichts richtet sich der Revisionsrekurs des Antragstellers mit dem Antrag auf Abänderung im Sinne der Wiederherstellung des erstinstanzlichen Sachbeschlusses. Auch das Rekursgericht gehe davon aus, dass der vom Mieter in den Anhebungsjahren zu bezahlende Mietzins jedes Jahr neu zu berechnen sei; dabei sei die Valorisierung der Zielstufe und eine allfällig vereinbarte Wertsicherung des bisher bezahlten Mietzinses zu berücksichtigen. Es sei dann aber inkonsequent, als bisher bezahlten Mietzins jenen heranzuziehen, der zum Zeitpunkt des Anhebungsbegehrens zu entrichten gewesen sei. Auch in Fällen einer Staffelung des Mietzinses oder nach dessen Erhöhung gemäß § 18 MRG müssten die sich daraus ergebenden Änderungen bei der jährlichen Neuberechnung des zu bezahlenden Mietzinses im Rahmen der 15-tel Anhebung berücksichtigt werden; dies müsse dann auch für den EVB gelten, der mit der MRN 2001 zum Hauptmietzins geworden sei. Der Antragsgegner erwidert in seiner Revisionsrekursbeantwortung, es sei der Rechtsansicht des Rekursgerichts schon aus objektiv-teleologischer Sicht zu folgen, weil Eingriffe in bestehende Verträge möglichst restriktiv gehandhabt werden müssten. Überdies habe der historische Gesetzgeber ausdrücklich darauf hingewiesen, das „Umtaufen" des EVB bringe keine materiellrechtliche Änderung und insbesondere keine Mietzinserhöhung.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil zur Berechnung der 15-tel Anhebung nach der durch die MRN 2001 erfolgten Überführung des EVB ins Zinsrecht keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs vorliegt; der Revisionsrekurs ist auch berechtigt.

1. Die vom Antragsteller geltend gemachte 15-tel Anhebung beruht auf § 46a Abs 2 MRG (iVm § 12a Abs 2 und 4 MRG). Nach § 46a Abs 2 MRG darf der Vermieter im Fall eines am 1. März 1994 bestehenden Hauptmietvertrags über eine Geschäftsräumlichkeit, sofern der bisherige Hauptmietzins niedriger als der angemessene Hauptmietzins nach § 16 Abs 1 MRG ist, vom Rechtsnachfolger des Hauptmieters ab dem auf den Anlassfall folgenden 1. Jänner die schrittweise Anhebung des bisherigen Hauptmietzinses bis zu dem für die Geschäftsräumlichkeit nach § 16 Abs 1 MRG zulässigen Betrag innerhalb von 15 Jahren in der Weise verlangen, dass der Hauptmietzins für jedes Kalenderjahr um jeweils ein Fünfzehntel des bis zum angemessenen Hauptmietzins nach § 16 Abs 1 MRG fehlenden Betrags angehoben wird, wobei eine Valorisierung dieses Betrags entsprechend der Regelung des § 16 Abs 6 MRG zu erfolgen hat, ein Überschreiten der Indexschwelle aber erst ab dem jeweils folgenden Kalenderjahr zu berücksichtigen ist.

2. Mit der MRN 2001 hat der Gesetzgeber verschiedentlich geäußerter Kritik der Lehre (vgl etwa Wilhelm, Erhaltungs- und Verbesserungsbeiträge einst und jetzt, ecolex 1993, 581; Hanel in Würth/Call/Hanel, Die geplanten wesentlichen Änderungen des MRG, WoBl 1993, 149 [161]; Haybäck, Glosse zu 5 Ob 2331/96 = WoBl 1997, 142/37) Rechnung getragen und ist einem von Würth (in „Hausaufgaben" des Gesetzgebers bei der nächsten Wohnrechtsnovelle, WoBl 2001, 273 [274 f]) präsentierten Vorschlag dahin gefolgt, den EVB in der ihm durch das 3. WÄG verliehenen Gestalt ins Zinsrecht zu überführen. Durch die Neufassung des § 45 MRG sollte „der bisherige Erhaltungs- und Verbesserungsbeitrag in nun auch terminologischer Umsetzung der diesbezüglichen Regelungsinhalte des 3. Wohnrechtsänderungsgesetzes in einen Teil des Hauptmietzinses umgewandelt (werden)" (JAB 854 BlgNR 21. GP, 1).

3. Im Zuge der MRN 2001 wurde aufgrund eines Abänderungsantrags die Regelung des früheren § 45 Abs 1a MRG für minderwertige Geschäftsräumlichkeiten „zur gesicherten Vermeidung einer Schlechterstellung von Geschäftsraummietern auch nur in Einzelfällen - als neuer Abs 2 - in die Neuregelung übernommen. In diesem Zusammenhang wird im JAB „nochmals deutlich darauf hingewiesen, dass die Änderung des § 45 MRG nur die bloße „Umwandlung" des bisherigen Erhaltungs- und Verbesserungsbeitrags in einen auch terminologisch so bezeichneten Teil des Hauptmietzinses darstellt, keinesfalls aber ein Mietzinserhöhung mit sich bringt".

4. Für die MRN 2001 hat der Gesetzgeber mit dem § 49d MRG auch eine Übergangsregelung geschaffen. § 49d Abs 3 MRG bestimmt:

„Ein Erhaltungs- und Verbesserungsbeitrag, der vor dem 1. Jänner 2002 eingehoben wurde, ist bei der Anhebung des Hauptmietzinses gemäß § 45 in der Fassung der Mietrechtsnovelle 2001, BGBl I Nr. 161/2001, durch Hinzurechnung zum bisherigen Hauptmietzins zu berücksichtigen, sodass eine Anhebung nur zulässig ist, soweit die Summe aus dem bisherigen Hauptmietzins und dem Erhaltungs- und Verbesserungsbeitrag unter dem jeweils anzuwendenden Betrag nach § 45 Abs 1 liegt. Ein Erhaltungs- und Verbesserungsbeitrag, der nach dem 28. Februar 1994 und vor dem 1. Jänner 2002 eingehoben wurde, gilt ab 1. Jänner 2002 als Teil des Hauptmietzinses; ein nach dem 28. Februar 1994 und vor dem 1. Jänner 2002 gestelltes Verlangen des Vermieters nach Entrichtung eines Erhaltungs- und Verbesserungsbeitrags gilt ab 1. Jänner 2002 als Anhebungsbegehren gemäß § 45 in der Fassung der Mietrechtsnovelle 2001, BGBl I Nr. 161/2001."

Zu § 49d MRG heißt es im JAB:

„Durch den ersten Satz des Abs 3 soll eine Interpretation des neuen § 45 MRG dahin, dass bei bisheriger Einhebung eines Erhaltungs- und Verbesserungsbeitrags noch zusätzlich zu diesem eine Mietzinsanhebung zulässig wäre, ohne jeden Zweifel ausgeschlossen werden. Der Vermieter soll - selbstverständlich - nicht zu einer zweimaligen Anhebung (einmal unter dem Titel „EVB" und ein zweites Mal nach dem neuen § 45 MRG) berechtigt sein. Durch den zweiten Satz des Abs 3 wird vor allem klargestellt, dass nach dem 28. Februar 1994 unter dem Titel „Erhaltungs- und Verbesserungsbeitrag" geleistete Zahlungen in allen mietzinsrechtlichen Zusammenhängen als Teil des Hauptmietzinses gelten und dass bei früherer Einhebung eines „neuen" Erhaltungs- und Verbesserungsbeitrags (also eines solchen nach dem 3. Wohnrechtsänderungsgesetz) nun nicht nochmals ein Anhebungsbegehren nach dem neuen § 45 erforderlich ist."

5. Der Antragsgegner beruft sich für seinen Standpunkt auf den Gesetzgeber, der im JAB „deutlich darauf hingewiesen (hat), dass die Änderung des § 45 MRG nur die bloße „Umwandlung" des bisherigen Erhaltungs- und Verbesserungsbeitrags in einen auch terminologisch so bezeichneten Teil des Hauptmietzinses darstellt, keinesfalls aber eine Mietzinserhöhung mit sich bringt"; dieser Hinweis erfolgte allerdings im Zusammenhang mit dem Abänderungsantrag betreffend die Regelung des früheren § 45 Abs 1a MRG für „minderwertige Geschäftsräumlichkeiten". § 46a MRG, insbesondere der in dessen Abs 2 enthaltene, für eine 15-tel Anhebung maßgebliche Begriff des „bisherigen Hauptmietzinses" hat durch die MRN 2001 keine textliche Änderung erfahren. Die Wirkung der „Umwandlung" des EVB in einen Teil des Hauptmietzinses bestimmt sich folglich nach der Übergangsregelung des § 49d Abs 3 Satz 2 MRG, wonach ein Erhaltungs- und Verbesserungsbeitrag, der - wie hier - nach dem 28. Februar 1994 und vor dem 1. Jänner 2002 eingehoben wurde, ab 1. Jänner 2002 als Teil des Hauptmietzinses gilt. Damit wird dem im JAB geäußerten Wunsch des Gesetzgebers entsprochen, „dass nach dem 28. Februar 1994 unter dem Titel „Erhaltungs- und Verbesserungsbeitrag" geleistete Zahlungen in allen mietzinsrechtlichen Zusammenhängen als Teil des Hauptmietzinses gelten". Eine einschränkende Auslegung des Begriffs „bisheriger Hauptmietzins" im Sinne des „Altmietzinses" ohne EVB widerspricht der eindeutigen Übergangsregel des § 49d Abs 3 Satz 2 MRG und findet selbst im äußerst möglichen Wortsinn dieser Bestimmung, die die Grenze jeglicher Auslegung absteckt und auch mit den sonstigen Auslegungsmethoden nicht überschritten werden darf (RIS-Justiz RS0008788), keine Deckung mehr.

6. Zusammengefasst ergibt sich, dass zufolge der mit der MRN 2001 vorgenommenen Überführung des EVB ins Zinsrecht der „bisherige Hauptmietzins", der für die 15-tel Anhebung nach § 46a Abs 2 MRG maßgeblich ist, auch den (früheren) EVB mitumfasst (so auch Würth in Rummel³, § 46a MRG Rz 6; Würth/Zingher/Kovanyi, Miet- und Wohnrecht21, § 46a MRG Rz 5, vgl auch Dirnbacher, MRG 2002, 370); darauf ist, sofern vom Vermieter geltend gemacht, bei der alljährlich vorzunehmenden Ermittlung des Anhebungsbetrags Bedacht zu nehmen, was zu einer entsprechenden Änderung der Fünfzehntelschritte führt. Die vom Antragssteller vorgenommene Berechnung entspricht diesem durch die MRN 2001 begründeten Verständnis des „bisherigen Hauptmietzinses", weshalb in Stattgebung seines Revisionsrekurses der Sachbeschluss des Erstgerichts wiederherzustellen ist.