JudikaturJustiz5Ob114/11t

5Ob114/11t – OGH Entscheidung

Entscheidung
07. Juli 2011

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Hurch und Dr. Lovrek und die Hofräte Dr. Höllwerth und Mag. Wurzer als weitere Richter in der Grundbuchsache der Antragsteller 1.) B***** Gesellschaft m.b.H., *****, und 2.) Walter L***** GmbH, *****, beide vertreten durch Mag. Harald Rossmann, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen Einverleibungen auf der EZ 1015 GB *****, über den Revisionsrekurs der Antragstellerinnen gegen den Beschluss des Landesgerichts Innsbruck als Rekursgericht vom 5. Mai 2011, AZ 54 R 39/11y, womit infolge Rekurses der Antragsteller der Beschuss des Bezirksgerichts Innsbruck vom 7. April 2011, TZ 3881/11, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass sie zu lauten haben:

„Aufgrund nachfolgender Urkunden:

Mietvertrag vom 19. 4. 2010; Aufsandungsurkunde vom 18. 10. 2010; Firmenbuchauszug Walter L***** GmbH vom 16. 9. 2010; Bestätigung der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck Abteilung Grundverkehr, Bauwesen vom 8. 9. 2010; Vorrangseinräumungserklärung vom 24. 11. 2010; Bestätigung des Markus P***** vom 28. 3. 2011 und Erklärung der B***** Gesellschaft m. b. H. vom 18. 2. 2011

wird auf der EZ 1015 GB ***** die Einverleibung des Bestandrechts gemäß Mietvertrag vom 19. 4. 2010 und Aufsandungsurkunde vom 18. 10. 2010 für die B***** Gesellschaft m. b. H. (FN *****) *****, bewilligt .

Gleichzeitig wird die Einverleibung des Vorrangs dieses Bestandrechts zugunsten der Firma B***** Gesellschaft m. b. H. vor dem zu C LNr 11 einverleibten Pfandrecht der R***** regGenmbH im Höchstbetrag von 130.000 EUR bewilligt .

Davon sind zu verständigen:

1. Mag. Harald Rossmann, Rechtsanwalt in Innsbruck

2. Walter L***** GmbH, *****

3. B***** Gesellschaft m. b. H., *****

4. R***** regGenmbH, *****

5. Markus P*****.“

Der Vollzug dieses Beschlusses und die Verständigung der Beteiligten obliegen dem Erstgericht.

Text

Begründung:

Die Zweitantragsstellerin ist Eigentümerin der Liegenschaft EZ 1015 GB ***** samt dem darauf errichteten Haus mit der Adresse *****. Mit Mietvertrag vom 19. 4. 2010 vermietete sie die genannte Liegenschaft samt Gebäude an die Erstantragstellerin. Dieser Mietvertrag ist von beiden Antragstellerinnen unterfertigt, eine Beglaubigung der Unterschriften auf der Titelurkunde erfolgte nicht.

Die Antragstellerinnen unterfertigten am 10. 9. und 18. 10. 2010 eine Aufsandungserklärung, in der sie in die grundbücherliche Einverleibung des Bestandrechts auf der genannten Liegenschaft für die Erstantragstellerin einwilligten. Beide Unterschriften auf dieser Urkunde sind notariell beglaubigt.

Mit dem verfahrenseinleitenden Grundbuchsantrag begehrten die Antragstellerinnen, aufgrund der aus dem Spruch dieser Entscheidung ersichtlichen und dort jeweils näher bezeichneten Urkunden die Einverleibung des Bestandrechts für die Erstantragstellerin sowie die Einverleibung des Vorrangs dieses Bestandrechts vor dem zu C LNr 11 einverleibten Pfandrecht der R***** regGenmbH im Höchstbetrag von 130.000 EUR, zu bewilligen.

Das Erstgericht wies den Antrag ab. Wenn die Aufsandungserklärung in einer von der Titelurkunde gesonderten Urkunde abgegeben werde, müssten die Unterschriften der vertragschließenden Parteien auch auf der Titelurkunde beglaubigt sein. Gemäß § 31 Abs 1 GBG könne nämlich die Einverleibung nur aufgrund solcher Privaturkunden geschehen, auf denen die Unterschriften der Parteien gerichtlich oder notariell beglaubigt seien. Diesfalls müssten also beide Urkunden beglaubigt unterfertigt werden.

Einen Verbesserungsauftrag erteilte das Erstgericht nicht, weil es sich vorliegendenfalls um einen Urkundenmangel handle.

Dem dagegen von den Antragstellerinnen erhobenen Rekurs gab das Gericht zweiter Instanz nicht Folge. Es teilte die Rechtsansicht des Erstgerichts, dass zufolge § 31 Abs 1 GBG Privaturkunden, aufgrund deren eine Einverleibung begehrt werde, beglaubigt unterfertigt sein müssten. Zufolge § 32 Abs 1 lit b GBG müsse die ausdrückliche Erklärung desjenigen, dessen Recht beschränkt, belastet, aufgehoben oder auf eine andere Person übertragen werden solle, dass er in die Einverleibung einwillige, jedenfalls mit den Erfordernissen zur Einverleibung versehen sein (§ 32 Abs 2 GBG). Das bedeute bei gesonderter Ausfertigung der Titelurkunde und der Aufsandungserklärung, dass beide Urkunden beglaubigt unterfertigt sein müssten.

In zweitinstanzlicher Rechtsprechung sei diese Frage bisher divergierend beurteilt worden. Während die Ansicht des Rekursgerichts durch die Entscheidungen RPflgSlgG 996; G 571; G 889; G 2392 gestützt werde, sei in der Entscheidung des LGZ Wien EvBl 1951/47 = RPflgSlgG 321 davon abweichend die Notwendigkeit einer doppelten Beglaubigung verneint worden. § 32 GBG enthalte nämlich keine Zitierung des § 31 Abs 1 GBG. Damit genüge es, dass nur die Urkunde, in der die Einverleibungsbewilligung abgegeben werde, diesem besonderen Erfordernis entspreche. Dieser Ansicht hätten sich auch Feil (Grundbuchsgesetz 3 Rz 1 zu § 31 GBG), Spielbüchler (in Rummel 3 Rz 6 zu § 433 ABGB) und Rechberger (in NZ 1981, 51) angeschlossen.

Der Argumentation Rechbergers sei damit der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung 5 Ob 36/07s ausdrücklich gefolgt und habe ausgeführt, dass die Echtheit der Unterschrift sowohl des berechtigten Teils als auch des belasteten Teils unzweifelhaft feststehen müsse. Werde der Vorschrift des § 32 Abs 2 GBG iVm § 31 Abs 1 GBG durch gerichtliche oder notarielle Beglaubigung in einer gesondert abgegebenen Aufsandungserklärung entsprochen, müsse die Echtheit der Unterschrift des berechtigten Teils entweder in der Titelurkunde (§ 31 Abs 1 GBG) oder auf dem Grundbuchsgesuch durch notarielle oder gerichtliche Beglaubigung nachgewiesen werden. Gegenstand dieser Entscheidung sei allerdings die Frage gewesen, ob ein Nachtrag zu einer Titelurkunde einer neuerlichen Unterschriftsbeglaubigung des berechtigten Teils bedürfe. Für diesen Fall habe der Oberste Gerichtshof ausgesprochen, dass eine neuerliche Beglaubigung der Unterschriften der Parteien auf der Nachtragsurkunde dann nicht zu verlangen sei, wenn durch den Nachtrag keine Aufsandungserklärung mit neuem Inhalt erforderlich werde (RIS Justiz RS0121908).

Der gegenständliche Fall sei jedoch davon zu unterscheiden, sodass zu der zu lösenden Rechtsfrage höchstgerichtliche Rechtsprechung fehle.

Das Rekursgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteigt und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei.

Gegen diesen Beschluss richtet sich der Revisionsrekurs der Antragstellerinnen mit dem Antrag auf Abänderung der Entscheidungen der Vorinstanzen im Sinne einer Bewilligung ihres Grundbuchsantrags.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig und berechtigt.

Entgegen der Ansicht des Rekursgerichts wurde die hier für die Frage der Bewilligungsfähigkeit des Gesuchs maßgebliche Rechtsfrage vom erkennenden Senat allerdings bereits geklärt.

In der Entscheidung 5 Ob 36/07s (= SZ 2007/32 = NZ 2007/66, 280 [zust Hoyer ]) hatte der erkennende Senat wie das Rekursgericht zutreffend ausführt die Frage zu klären, ob bei einem Nachtrag zur Titelurkunde eine beglaubigte Unterfertigung dieses Nachtrags erforderlich war, um den Voraussetzungen des § 31 Abs 1 GBG zu entsprechen. Als entscheidend wurde dabei angesehen, ob die Änderung des Titels (dort wurde der Rechtsgrund „Tausch“ nachgetragen) eine Änderung der Einverleibungsbewilligung (Aufsandungserklärung) erforderlich machte. Weil die Aufsandungsurkunde von sämtlichen Vertragsteilen beglaubigt unterfertigt war, stellte sich die Frage, ob auch die geänderte Titelurkunde beglaubigt zu unterfertigen gewesen wäre; da nur die erstere den Voraussetzungen des § 31 Abs 1 GBG entsprach, nicht aber die (ergänzte) Titelurkunde, stellte sich auch dort die Frage des Erfordernisses der doppelten Beglaubigung im Fall der Trennung von Titel und Aufsandungsurkunde.

Der erkennende Senat folgte der in EvBl 1951/47 = RPflSlgG 321 veröffentlichten zweitinstanzlichen Entscheidung, die diese Notwendigkeit verneinte und der dieser Entscheidung zustimmenden Ansicht Rechbergers (in NZ 1981, 49 [51]) sowie weiterer Autoren ( Feil Grundbuchsgesetz 3 Rz 1 zu § 31 GBG; Spielbüchler in Rummel 3 , Rz 6 zu § 433 ABGB). Demnach muss die Echtheit der Unterschrift sowohl des berechtigten Teils als auch des belasteten Teils zur Identifizierbarkeit unzweifelhaft feststehen. Seit Inkrafttreten des § 31 Abs 1 GBG idF des GUG (BGBl 1980/550) ist § 32 Abs 2 GBG als Ergänzung des § 31 Abs 1 GBG zu verstehen. Es reicht nicht aus, wenn nur die Aufsandungserklärung des belasteten Teils in einer besonderen Urkunde der Vorschrift des § 32 Abs 2 GBG iVm § 31 Abs 1 GBG entspricht, also gerichtlich oder notariell beglaubigt ist. Auch die Echtheit der Unterschrift des berechtigten Teils muss entweder in der Titelurkunde (§ 31 Abs 1 GBG) oder auf dem Grundbuchsgesuch gerichtlich oder notariell beglaubigt sein. Ist aber die Aufsandungserklärung von beiden Parteien mit gerichtlicher oder notarieller Beglaubigung unterfertigt, ist dem Erfordernis des § 31 Abs 1 GBG Genüge getan.

Es ist daher dahin zusammenzufassen :

Zufolge § 32 Abs 2 GBG muss die ausdrückliche Erklärung desjenigen, dessen Recht beschränkt, belastet, aufgehoben oder auf eine andere Person übertragen werden soll, dass er in die Einverleibung einwilligt, in welcher Urkunde auch immer sie abgegeben wird, die Voraussetzungen des § 31 Abs 1 GBG erfüllen, also gerichtlich oder notariell beglaubigt durch den Verpflichteten unterfertigt sein.

Die Unterfertigung des durch die Einverleibung Berechtigten bedarf einmal einer gerichtlichen oder notariellen Beglaubigung, wobei diese entweder in der Titelurkunde, der Aufsandungserklärung oder auch erst im Grundbuchsgesuch abgegeben werden kann.

Damit erweist sich der Revisionsrekurs der Antragsteller als berechtigt. Antragsgemäß war das Grundbuchsgesuch daher zu bewilligen, zumal diesem auch sonst keine Hindernisse entgegenstehen (§ 95 Abs 3 GBG).