JudikaturJustiz54R368/96y

54R368/96y – LG Salzburg Entscheidung

Entscheidung
20. November 1996

Kopf

Das Landesgericht Salzburg als Berufungsgericht hat durch Dr. Bauer als Vorsitzenden sowie Dr. Hemetsberger und Dr. Purkhart in der Rechtssache des Klägers R***** F*****, 5026 S***** vertreten durch Dr. H***** H*****, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, gegen die beklagte Partei I*****, 5021 S*****, vertreten durch Dr. L*****H*****, Rechtsanwalt in 5020 S*****, wegen S 5.200,-- s.A., über die Berufung der beklagten Partei gegen das Urteil des Bezirksgerichtes Salzburg vom 29.7.1996, 34 C 373/95f - 10, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, dem Kläger binnen 14 Tagen die mit S 2.031,36 (darin S 338,56 USt.) bestimmten Kosten der Berufungsbeantwortung zu ersetzen.

Die Revision ist jedenfalls unzulässig.

Entscheidungsgründe :

Text

Der Kläger begehrt den der Höhe nach unstrittigen Klagsbetrag mit der Behauptung, er habe sich rechtsfreundlicher Vertretung bedienen müssen, um von der beklagten Partei, seinem Unfallversicherer, eine vertragsgemäße Leistung zu erhalten.

Er habe sich ursprünglich selbst an die beklagte Partei gewendet. Es sei ihm aber nur eine unzureichende Entschädigung angeboten worden. Nach Einschaltung eines Rechtsfreundes und Durchführung des in den Versicherungsbedingungen vorgesehenen Verfahrens vor der Ärztekommission seien ihm dann letztlich S 91.575,-- angeboten worden, was er akzeptiert habe. Die Beklagte habe auch noch nach Vorliegen der Entscheidung der Ärztekommission ein weiteres Mal eine ungenügende Leistung angeboten, weil sie vertragswidrig dem Kläger viel zu hohe Kosten für das Verfahren vor der Schiedskommission auferlegt habe. Erst durch die Intervention des klägerischen Beistandes seien die Kosten auf das vertragsgemäße Maß reduziert worden. Die Beklagte würde sich weigern, die aufgelaufenen Vertretungskosten zu tragen, ignoriere dabei aber, daß sie dem Kläger eine ungenügende Leistung angeboten habe, weshalb sie jedenfalls nach schadenersatzrechtlichen Grundsätzen verpflichtet sei, dem Kläger diesen Aufwand zu ersetzen.

Die beklagte Partei bestritt und beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Nach § 66 Abs. 2 VersVG habe der Versicherer die Kosten, die einem Versicherungsnehmer durch Beiziehung eines Beistandes entstehen, nicht zu ersetzen. Der anwaltliche Aufwand wäre zur Ermittlung und Feststellung des Umfanges der Leistungspflicht nicht geboren gewesen. Der Kläger sei darüber hinaus auch gar nicht legitimiert, diese Kosten selbst zu verlangen, weil er wegen einer bestehenden Rechtsschutzversicherung gar keinen Schaden erlitten habe und auch in Zukunft nicht erleiden werde.

Das Erstgericht hat mit dem angefochtenen Urteil dem Klagebegehren stattgegeben und folgenden Sachverhalt festgestellt :

Der bei der beklagten Partei unfallversicherte Kläger erlitt am 14.2.1993 einen Unfall, bei welchem er sich das linke Kniegelenk schwer verletzte, woraus letztlich auch eine teilweise Invalidität verblieb. Am 15.4.1993 meldete der Kläger den Schaden der beklagten Partei und erhielt sofort das Taggeld abgerechnet. In der Folge machte der Kläger unter Vorlage eines Privatgutachtens, welches eine 30 %ige Invalidität bestätigte, weitere Ansprüche geltend. Die beklagte Partei hat sodann von ihrem Vertrauensarzt ein Gutachten erstellen lassen und dem Kläger eine Entschädigungssumme von S 64.750,-- angeboten. Mit diesem Anbot war der Kläger aber nicht einverstanden. Er hat zunächst selbst noch einmal die Versicherung aufgefordert, die angebotene Leistung zu erhöhen. Dies wurde seitens der Beklagten mit Schreiben vom 6.6.1994 unter Hinweis auf Vorschädigungen abgelehnt.

Der Kläger beauftragte daraufhin am 21.6.1994 den Klagsvertreter, ihn in dieser Angelegenheit zu vertreten. In einem ersten Anspruchsschreiben begehrte dieser für den Kläger eine Entschädigung von S 199.800,--, basierend auf der Invaliditätseinschätzung des klägerischen Privatgutachtens. Dies lehnte die beklagte Partei ab und wies den Klagsvertreter darauf hin, daß nach den Versicherungsbedingungen die Ärztekommission einzuberufen wäre, wofür jedoch der Kläger Kosten bis 1 % der Versicherungssumme selbst zu tragen hätte. In der Folge kam es über Antrag des Klägers zur Einberufung der Ärztekommission und bot nach der Entscheidung dieser Kommission die beklagte Partei am 2.1.1995 dem Kläger als Entschädigung S 97.125,-- an. Der Kläger war mit diesem Anbot prinzipiell einverstanden. Allerdings hat die beklagte Partei in diesem Anbot vom 2.1.1995 die Kosten, die der Versicherungsnehmer für die Ärztekommission zu tragen hat, falsch berechnet und dem Kläger dafür S 34.808,-- in Rechnung gestellt, sodaß sich, ausgehend von der erwähnten Entschädigungssumme nur ein auszuzahlender Betrag von S 63.317,-- ergeben hätte. Dies hat der Klagsvertreter reklamiert, worauf die beklagte Partei letztlich die vom Kläger zu tragenden anteiligen Kosten auf S 5.500,-- reduziert wurden und die auszuzahlende Entschädigungssumme auf S 91.575,-- erhöht wurde. Dies hat der Kläger auch akzeptiert. Die Kosten des Einschreitens des Klagsvertreters zu bezahlen, hat sich die beklagte Partei geweigert. Diese Kosten hat der Klagsvertreter dem Kläger mit Schreiben vom 17.3.1995 zwar fällig gestellt, ihm aber gleichzeitig mitgeteilt, daß er diese Kosten aufgrund einer bestehenden Rechtsschutzversicherung vorerst nicht zu tragen habe.

Im Zuge der rechtlichen Beurteilung ging das Erstgericht davon aus, daß ein Versicherungsnehmer in der Regel nach § 66 Abs. 2 VersVG die Kosten eines von ihm beigezogenen Rechtsbeistandes selbst zu tragen habe. Ein Versicherungsnehmer dürfe nicht von vornherein auf Kosten des Versicherers einen Rechtsanwalt mit Regulierungsverhandlungen beauftragen. Dies gelte aber dann nicht mehr, wenn der Versicherer den Vertrag verletzte, zum Beispiel in Verzug gerate oder falsche Rechtsansichten vertrete. Diesfalls schulde er die Kosten des Versicherungsnehmers für die Beiziehung eines Anwaltes nach schadenersatzrechtlichen Gesichtspunkten. Es müsse aber immer erkennbar ein Zusammenhang zwischen der Vertragsverletzung und den Anwaltskosten gegeben sein. Dem Kläger, der ohnehin vorerst selbst versucht hatte, die ihm gebührende Leistung zu erhalten, sei ein ungenügendes Anbot vorgelegt worden. Damit habe die beklagte Partei ihre Vertragspflicht verletzt. Sohin habe der Kläger zu Recht Anspruch auf Ersatz der Kosten der Beiziehung seines Anwaltes, habe dieser doch schlußendlich auch eine beträchtliche Erhöhung der Versicherungsleistung erreicht. Auch hätte sich die beklagte Partei noch ein weiteres Mal erheblich vertragswidrig verhalten, als sie dem Kläger wesentlich überhöhte Kostenanteile des Sachverständigenverfahrens auferlegt habe.

Der Kläger sei auch zur Klagsführung legitimiert. Daß seine Rechtsschutzversicherung den Schaden möglicherweise endgültig tragen würde, nehme dem Kläger nicht die Berechtigung, die Kosten vorerst selbst von der beklagten Partei zu begehren. Die Verpflichtung, dem Kläger die Kosten zu ersetzen, führe auch zu keiner zusätzlichen Belastung der beklagten Partei.

Gegen dieses Urteil in seinem gesamten Umfang richtet sich die Berufung der beklagten Partei wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Begehren, es im klagsabweisenden Sinne abzuändern.

Die klagende Partei beantragt in ihrer Berufungsbeantwortung, dem Rechtsmittel nicht Folge zu geben.

Die Berufung ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Die Auffassung der beklagten Partei, daß sie durch das ursprüngliche Anbot einer geringeren Entschädigung keine Vertragsverletzung begangen habe, kann das Rekursgericht nicht teilen. Gemäß § 918 ABGB hat jeder Vertragsteil zu gehöriger Zeit, am gehörigen Ort und auf die bedungene Weise zu leisten. Daß die bedungene, also gemäß dem Versicherungsvertrag vereinbarte Leistung aus der Unfallversicherung wohl nur jene sein kann, die im Streitfall nach der Entscheidung der Ärztekommission oder letztlich vom Gericht getroffen wird, kann wohl keine Frage sein. Jedes davon abweichende Anbot ist unzweifelhaft nicht vertragsgemäß. Auch nutzt es in diesem Zusammenhang der beklagten Partei nichts, sich auf das Gutachten des von ihr bestellten Sachverständigen zu berufen, denn bei ihm handelt es sich um ihren Erfüllungsgehilfen, für dessen Verhalten sie gemäß § 1313 a ABGB einzustehen hat. Die Anrufung und Unterwerfung unter die Entscheidung der Ärztekommission rechtfertigt das zu geringe Anbot natürlich auch keinesfalls. Diese Einrichtung ist ja nichts anderes als eine vor eine gerichtliche Auseinandersetzung geschaltete Schiedskommission. Nach Artikel 14 Ziffer 1 der AUVB 1988 hat nämlich der Versicherer eine Erklärung über seine Leistungspflicht schon abzugeben, noch bevor die Ärztekommission überhaupt angerufen werden kann. Die Entscheidung der Ärztekommission ist also vielmehr ein Instrumentarium zur Überprüfung der Vertragsgemäßheit des ursprünglichen Anbotes.

Nach § 1298 ABGB genügt es, wenn der Geschädigte beweist, daß sein Vertragspartner schlecht erfüllt hat (Dietrich - Tades, ABGB, 34. Auflage, § 1298/2 mwH). Dem ist im Rahmen von Vertragsverhandlungen gleichzuhalten, daß ein Teil dem anderen ein vertragswidriges Anbot macht. Ergeben sich deswegen Mehraufwendungen, so hat derjenige, der nicht bereit war, vertragsgemäß zu erfüllen, diesen Schaden zu ersetzen, so er nicht beweist, daß ihn an seiner Schlechterfüllung kein Verschulden trifft.

Der Kläger ist seiner Behauptungs- und Beweispflicht nachgekommen. Er hat nach den bindenden Feststellungen von der beklagten Partei auch noch nach seiner weiteren persönlichen Intervention nur ein unzureichendes Anbot, eine Entschädigungsquittung zu unterfertigen, erhalten. Dies war Ursache für den Kläger, mit der Durchsetzung seiner berechtigten Ansprüche einen Rechtsbeistand zu beauftragen. Der Kläger hat also die (beabsichtigte) Schlechterfüllung und die Kausalität des von ihm getätigten Aufwandes hinreichend bewiesen. Diesen Mehraufwand, durch den auch letztlich die angemessene Entschädigung erreicht werden konnte, hat die beklagte Partei zu ersetzen, hat sie doch den Entlastungsbeweis, daß sie oder ihre Erfüllungsgehilfen kein Verschulden trifft, gar nicht angetreten. Ein Verschulden des Klägers, welches beispielsweise darin liegen könnte, daß er unzureichende Unterlagen zur Verfügung gestellt hat, ist ohnehin nicht aktenkundig.

Das Rekursgericht geht sohin mit der in Prölls - Martin - Voith, Versicherungsvertragsgesetz, § 66 Anm 52 veröffentlichen Meinung und Judikatur (insbesondere VersR 168, 959) konform : Die Grundregel des § 66 Absatz 2 VersVG, wonach jeder Versicherungsnehmer die Kosten eines Rechtsbeistandes selbst zu tragen hat, gilt dann nicht, wenn die Beiziehung wegen vertragswidrigen Verhaltens des Versicherers geboten war. Ein solches liegt schon dann vor, wenn der Versicherer ein unzureichendes Entschädigungsanbot macht und er nicht beweist, daß ihn daran kein Verschulden trifft. Dies hat hier das Erstgericht schon zutreffend erkannt, weshalb die in der Berufung dargelegten Argumente nicht überzeugen.

Des weiteren bestreitet die beklagte Partei in ihrer Berufung - so wie auch schon in erster Instanz - die Forderungslegitimation des Klägers. Unbekämpft steht aber fest, daß der Kläger seinen Rechtsbeistand beauftragt hat, ihn gegenüber der beklagten Partei zu vertreten. Dieser hat seine Leistungen nach Beendigung seiner Tätigkeit dem Kläger auch in Rechnung gestellt, jedoch gleichzeitig mitgeteilt, daß der Kläger diese Kosten im Hinblick auf die bestehende Rechtsschutzversicherung vorerst nicht zu tragen brauche.

Auf die Rechtsschutzversicherung geht nun die Forderung erst über, sobald diese dem Versicherungsnehmer den Schaden ersetzt hat (§ 67 VersVG). Dies ist unbestritten hier nicht der Fall, daher liegt schon deswegen die Forderungskompetenz nach wie vor beim Kläger. Die Feststellungen des Erstgerichtes sind vielmehr so zu verstehen und rechtlich zu beurteilen, daß die Rechtsschutzversicherung nur dann diese Kosten übernehmen würde, würde sie der Kläger nicht als Schadenersatz von der beklagten Partei erlangen können. Daß der Kläger wirtschaftlich mit diesen Kosten niemals belastet sein wird - in diesem Sinne ist das Schreiben des Klagsvertreters vom 17.3.1995 zu verstehen - bedeutet aber nicht, daß der Kläger nicht berechtigt wäre, diese Kosten vom Schadenersatzpflichtigen zu verlangen. Immerhin ist er mit der Forderung belastet und genügt für das Bestehen eines Schadens, wenn sich die Verbindlichkeiten des Geschädigten vermehren (SZ 52/146 u.v.a.). Der Kläger ist nämlich nicht verpflichtet, zur Entlastung des Schädigers vorerst seine Versicherung in Anspruch zu nehmen (ähnlich für eine Kaskoversicherung : ZVR 1980/300).

Soweit sich die beklagte Partei zuletzt auf § 185 VersVG beruft, ist daraus schon deswegen nichts zu gewinnen, weil sich aus dieser Norm für die Beiziehung eines Rechtsbeistandes absolut nichts ableiten läßt, befaßt sich diese Bestimmung doch nur mit den Kosten der Schadensfeststellung und geht insofern konform mit § 66 Absatz 1 VersVG. Mit der hier von der beklagten Partei, allerdings zu Unrecht, reklamierten Bestimmung des § 66 Absatz 2 VersVG besteht jedoch kein Zusammenhang.

Der Berufung ist daher nicht Folge zu geben und das angefochtene Urteil vollinhaltlich zu bestätigen.

Die Kostenentscheidung gründet auf den §§ 41 und 50 ZPO.

Streitwertbedingt ist eine Revision jedenfalls unzulässig (§ 502 Absatz 2 ZPO).