JudikaturJustiz4Ob82/06x

4Ob82/06x – OGH Entscheidung

Entscheidung
20. Juni 2006

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Griß als Vorsitzende und durch die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel, Dr. Jensik und Dr. Musger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Christian Kurz und Mag. Johannes Götsch, Rechtsanwälte in Innsbruck, wider die beklagten Parteien 1. Roland P*****, 2. Petra M*****, beide vertreten durch Dr. Karl Hepperger, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen 7.992 EUR sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 14. Oktober 2005, GZ 3 R 253/05k-16, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichts Hall in Tirol vom 12. Juni 2005, GZ 6 C 995/04g-12, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien die mit 732,23 EUR (darin 122,03 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Die am 28. März 2006 überreichte (zweite) Revisionsbeantwortung der beklagten Parteien wird zurückgewiesen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Beklagten unterfertigten als Käufer am 2. 3. 2004 ein Kaufangebot der Klägerin als Verkäuferin über den Erwerb eines Reihenhauses im Erstbezug zum Kaufpreis von 339.000 EUR. Am 9. 3. 2004 erklärten die Beklagten gegenüber der Klägerin schriftlich den Rücktritt vom Kaufangebot.

Vor dem 2. 3. 2004 führten die Beklagten Gespräche mit dem Geschäftsführer der Klägerin über die Finanzierung des geplanten Hauskaufs. Der Geschäftsführer der Klägerin war früher im Bankwesen tätig und mit Kreditvergaben beschäftigt. Er berechnete für die Beklagten aufgrund ihrer Angaben über ihre Vermögensverhältnisse den erforderlichen Kreditbetrag und die daraus resultierende monatliche finanzielle Belastung für die Beklagten. Seiner Berechnung lagen ein Einkommen der Beklagten von zusammen 3.080 EUR und Eigenmittel in Höhe von 68.500 EUR zugrunde. Tatsächlich besaßen die Beklagten aber keine Eigenmittel, sondern der Geschäftsführer der Klägerin erklärte, die Klägerin werde den Beklagten ein Darlehen über 68.500 EUR gewähren; gegenüber der Bank sollten die Beklagten diesen Betrag als Eigenmittel angeben, um so eine Darlehensfinanzierung durch die Bank zu erreichen.

Am 24. 2. 2004 sprachen die Beklagten bei einer Bank vor und legten dort der Mitarbeiterin die Kreditberechnung des Geschäftsführers der Klägerin vor. Sie erklärten - wie mit dem Geschäftsführer der Klägerin vereinbart - gegenüber ihrer Gesprächspartnerin, Eigenmittel von 68.500 EUR zu besitzen. Am 27. 2. 2004 gab die Bank den Beklagten eine Finanzierungszusage für ein Darlehen von 219.000 EUR. Bei Kenntnis der wahren Vermögensverhältnisse der Beklagten hätte die Bank keine Kreditzusage gemacht. Mittlerweile waren die Beklagten zur Auffassung gekommen, sich aufgrund ihrer Einkommensverhältnisse den beabsichtigten Hauskauf nicht leisten zu können. Am 5. 3. 2004 teilte die Zweitbeklagte der Bank telefonisch mit, dass der geplante Erwerb des Reihenhauses für die Beklagten nicht leistbar sei, weil die angegebenen Eigenmittel von 68.500 EUR in Wahrheit nicht vorhanden seien, sondern es sich dabei um ein Darlehen des Bauträgers handle. Aufgrund dieser Mitteilung erklärte eine Mitarbeiterin der Bank, dass unter diesen Voraussetzungen die zugesagte Finanzierung hinfällig sei. Daraufhin erklärten die Beklagten gegenüber der Klägerin schriftlich den Rücktritt vom Kaufvertrag. Das den Beklagten angebotene Reihenhaus wurde an Dritte verkauft; dabei fiel eine Maklerprovision von 7.992 EUR an, deren Ersatz die Klägerin mit Schreiben vom 25. 6. 2004 von den Beklagten verlangte. Die Klägerin nimmt die Beklagten auf Zahlung von 7.992 EUR Schadenersatz in Anspruch. Trotz Finanzierungszusage hätten die Beklagten aus finanziellen Gründen ihren Rücktritt vom Kaufvertrag erklärt. Es liege kein zulässiger Rücktrittsgrund vor. Durch den Rücktritt habe die Klägerin einen Schaden in Höhe der von ihr zu tragenden Maklerprovision erlitten.

Die Beklagten beantragen die Abweisung des Klagebegehrens. Der Geschäftsführer der Klägerin habe dazu geraten, entgegen der wahren Sachlage Eigenmittel von 68.500 EUR gegenüber der finanzierenden Bank anzugeben. Der Rücktritt vom Kaufvertrag sei daher auf das Verhalten des Geschäftsführers der Klägerin zurückzuführen und durch Bestimmungen des Konsumentenschutzgesetzes gerechtfertigt. Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Wegen gegenüber der Bank vorgetäuschter Eigenmittel habe keine Kreditfinanzierung des Hauskaufs erreicht werden können. Die ursprüngliche Finanzierungszusage der Bank sei vom Geschäftsführer der Klägerin durch Täuschung herbeigeführt worden, weil sich die Beklagten an seine Vorgaben gehalten hätten. Die Beklagten seien daher gem § 3a Abs 1 und Abs 2 Z 4 KSchG berechtigt gewesen, vom Kaufangebot zurückzutreten.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil und sprach - auf Antrag der Klägerin gemäß § 508 Abs 1 ZPO - aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zum Maßstab der vom Verbraucher einzuhaltenden Sorgfalt im Zusammenhang mit einem Rücktritt vom Verbrauchergeschäft gem § 3a Abs 4 Z 1 KSchG fehle. Der Geschäftsführer der Klägerin habe gegenüber den Beklagten eine Finanzierung durch eine Bank als wahrscheinlich dargestellt. Dass es nicht zur Kreditfinanzierung gekommen sei, hätten nicht die Beklagten veranlasst. Die Voraussetzungen für einen Rücktritt nach § 3a KSchG seien daher gegeben. Der Ausschlussgrund des § 3a Abs 4 Z 1 KSchG liege nicht vor. An die diesbezüglich vom Verbraucher einzuhaltende Sorgfalt sei kein allzu strenger Maßstab anzulegen. Den Beklagten habe angesichts ihrer Einkommensverhältnisse nicht bewusst sein müssen, dass bei wahrheitsgemäßen Angaben gegenüber der Bank eine Kreditvergabe keinesfalls möglich gewesen wäre. Der Rücktritt sei auch rechtzeitig iSd § 3a Abs 5 KSchG iVm § 3 Abs 4 KSchG erfolgt.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig; das Rechtsmittel ist aber nicht berechtigt.

Die Klägerin macht geltend, der Geschäftsführer der Klägerin habe die Beklagten darauf hingewiesen, dass eine Kreditfinanzierung ohne Eigenmittel nicht möglich sei; die Klägerin habe demnach keinen für die Einwilligung in den Vertrag maßgeblichen Umstand als wahrscheinlich dargestellt und die Beklagten auch nicht über einen für den Vertragsabschluss kausalen Umstand getäuscht. Auch hätten die Beklagten die zum Vertragsrücktritt führenden maßgeblichen Umstände - nämlich dass sie über keine Eigenmittel verfügten - gekannt; damit sei der Ausschlussgrund des § 3a Abs 4 Z 1 KSchG gegeben.

1. Unstrittig ist, dass das zwischen den Streitteilen zustandegekommene Rechtsgeschäft (Kaufvertrag über ein Reihenhaus) für die Klägerin zum Betrieb ihres Unternehmens gehörte, während dies auf die Beklagten nicht zutraf. Die Rechtmäßigkeit des (unbestritten rechtzeitigen) Rücktritts vom Vertrag ist daher nach Konsumentenschutzrecht zu beurteilen (§ 1 Abs 1 KSchG).

2. Der Verbraucher kann von seinem Vertragsantrag oder vom Vertrag zurücktreten, wenn ohne seine Veranlassung für seine Einwilligung maßgebliche Umstände, die der Unternehmer im Zuge der Vertragsverhandlungen als wahrscheinlich dargestellt hat, nicht oder nur in erheblich geringerem Ausmaß eintreten (§ 3 Abs 1 KSchG). Ein maßgeblicher Umstand im Sinn dieser Bestimmung ist ua die Aussicht auf einen Kredit (§ 3 Abs 2 Z 4 KSchG).

3. Der Rücktritt soll nach § 3a KSchG nur dann zulässig sein, wenn der Unternehmer im Zuge der Vertragsverhandlungen verstärkt auf den Willensbildungsprozess des Verbrauchers eingewirkt hat (vgl auch 6 Ob 243/04k). Nur unter dieser Voraussetzung erscheint es gerechtfertigt, das Risiko des Nichteintritts des betreffenden Umstandes auch dem Unternehmer aufzubürden (RV 311 BlgNR 20. GP 17). Geschützt wird das Vertrauen des Verbrauchers in das Bestehen von Begleitumständen, die für ihn vertragswesentlich sind (Kalss/Lurger, Zu einer Systematik der Rücktrittsrechte insbesondere im Verbraucherrecht, JBl 1998, 89, 153, 165, 219 [159] mwN). Der Eindruck unumstößlicher Sicherheit muss dabei nicht entstehen. Sofern der Unternehmer allerdings so tut, als sei mit Sicherheit mit den dargestellten Umständen zu rechnen, unterfällt sein Verhalten der Regel des § 3a KSchG (Krejci in Rummel, ABGB³ § 3a KSchG Rz 7).

4. Nach den Feststellungen der Tatsacheninstanzen hat der Geschäftsführer der Klägerin mit den Beklagten die Finanzierung des geplanten Hauskaufs besprochen und berechnet. Nach seinem Vorschlag sollte die Klägerin den Beklagten ein Darlehen über 68.500 EUR und ein Bankinstitut - dem gegenüber das Darlehen der Klägerin als Eigenmittel deklariert werden sollte - ein weiteres Darlehen über den erforderlichen Restbetrag gewähren. Grundlage des Finanzierungsvorschlags war daher, dass die Beklagten der Bank das Vorhandensein von Eigenmitteln vortäuschen sollten, um auf diese Weise die Fremdfinanzierung des gesamten Kaufpreises zu erreichen. Der Geschäftsführer der Klägerin hat damit den Beklagten gegenüber als zumindest wahrscheinlich dargestellt, dass eine vollständige Fremdfinanzierung bei ihren Einkommensverhältnissen möglich sei und auch zustande kommen werde. Die Informationen und Berechnungen des Geschäftsführers der Klägerin waren demnach ein wesentlicher Grund für das Vertragsangebot der Beklagten; diese haben darauf vertraut, den Kaufpreis zur Gänze fremdfinanzieren zu können. Damit hat das Verhalten der Klägerin maßgeblich auf den Entschluss der Beklagten eingewirkt, ein Vertragsangebot abzugeben. Die Vorinstanzen sind deshalb zutreffend davon ausgegangen, dass der Rücktrittstatbestand des § 3a Abs 1 KSchG vorliegt.

5. Das Rücktrittsrecht steht dem Verbraucher ua dann nicht zu, wenn er bereits bei den Vertragsverhandlungen wusste oder wissen musste, dass die maßgeblichen Umstände nicht oder nur in erheblich geringerem Ausmaß eintreten werden (§ 3 Abs 4 Z 1 KSchG). An die vom Verbraucher einzuhaltende Sorgfalt ist kein all zu strenger Maßstab anzulegen (vgl RV 311 BlgNR 20. GP 17). Dazu wird vertreten, dass ein verschuldeter Verbraucher, gegen den mehrere Exekutionsverfahren anhängig sind, wissen müsse, dass eine Kreditfinanzierung für eine größere Anschaffung nicht mehr möglich sein werde, sofern nicht der Unternehmer in Kenntnis der Verschuldung die Finanzierung als wahrscheinlich darstellt. Wenn der Unternehmer eine bestimmte Erwartung des Verbrauchers wecke, werde diesem aber nicht grundsätzlich Misstrauen und die Verpflichtung zur eigenen Nachprüfung dieser Informationen auferlegt werden können (Meyer in Kosesnik-Wehrle/Lehofer/Mayer/Langer, KSchG § 3a Rz 28).

6. Entgegen der im Rechtsmittel vertretenen Auffassung liegen die zum Vertragsrücktritt führenden maßgeblichen Umstände nicht darin, dass die Beklagten über keine Eigenmittel verfügten, sondern darin, dass die von der Klägerin in Aussicht gestellte Kreditfinanzierung letztlich nicht zustande gekommen ist. Berücksichtigt man den vom Gesetzgeber geforderten nicht all zu strengen Maßstab, ist der Vorwurf der Klägerin, die Beklagten hätten von Anfang an wissen müssen, dass bei den gegebenen Vermögensverhältnissen eine Kreditfinanzierung ohne Eigenmittel nicht in Frage komme, nicht berechtigt. Der Geschäftsführer der Klägerin hat die Beklagten im Zuge der Vertragsgespräche ja nicht etwa auf die Notwendigkeit der Beibringung entsprechender Eigenmittel als Voraussetzung für eine Kreditfinanzierung hingewiesen, sondern einen entsprechenden Kredit der Klägerin in Aussicht gestellt und damit eine vollständige Fremdfinanzierung als realistische Möglichkeit dargestellt. Den Beklagten kann daher insoweit kein pflichtwidriges Untätigbleiben zur Last gelegt werden (vgl Jaksch-Ratajczak, Der Liegenschaftskauf als Verbrauchergeschäft, wobl 2003, 37 [44]). Ohne entsprechende Aufklärung und ohne entsprechende Vorerfahrungen - solche wurden weder behauptet noch bescheinigt - kann aber auch nicht unterstellt werden, dass die Beklagten bei den gegebenen Vermögensverhältnissen die von der Klägerin in Aussicht gestellte Kreditfinanzierung als unerreichbar hätten erkennen müssen. Der Revision kann somit kein Erfolg beschieden sein.