JudikaturJustiz4Ob604/81

4Ob604/81 – OGH Entscheidung

Entscheidung
12. Oktober 1982

Kopf

SZ 55/146

Spruch

Für den Eigentumserwerb nach § 399 ABGB kommt es allein darauf an, wer den Gegenstand "entdeckt" hat, auch wenn der Fund in diesem Zeitpunkt noch gar nicht als "Schatz" erkennbar war

OGH 12. Oktober 1982, 4 Ob 604/81 (OLG Wien 12 R 110/81; LGZ Wien 1 Cg 5/79)

Text

Der Kläger verlangt vom Beklagten 140 000 S samt Anhang. Er habe Anfang März 1975 im Zuge von Abbrucharbeiten auf einem Grundstück des Beklagten einen Tonkrug mit mehr als 3 000 Silbermünzen aus dem 15. Jahrhundert freigelegt. Der Beklagte habe das Verlangen des Klägers nach Herausgabe einer Hälfte dieses Fundes abgelehnt und den gesamten Schatz um nur 200 000 S an die Niederösterreichische Landesregierung verkauft; er verweigere die Zahlung des dem Hälfteanteil des Klägers (§ 399 ABGB) entsprechenden Geldbetrages von (zumindest) 140 000 S.

Der Beklagte beantragt die Abweisung des Klagebegehrens. Der Tonkrug mit den Silbermünzen sei nicht vom Kläger, sondern von dessen Bruder Rudolf H entdeckt worden, sodaß nur dieser zur Klage legitimiert wäre. Der Krug sei offensichtlich von einem Rechtsvorgänger des Beklagten eingemauert worden und deshalb im Wege der Universalsukzession in das Eigentum des Beklagten übergegangen; die jetzt "gefundenen" Münzen seien weder "verloren" noch ein "Schatz", sondern "verborgene Sachen" iS des § 395 ABGB. Da bei einem Schatzfund nur Leistung in natura verlangt werden könne, die Münzen jedoch schon verkauft worden seien, könnten allfällige Ansprüche des Klägers oder seines Bruders nur gegen "das Amt der Niederösterreichischen Landesregierung" geltend gemacht werden. Solche Ansprüche bestunden aber auch deshalb nicht zu Recht, weil der Kläger und sein Bruder ohne die nach § 11 Abs. 1 des Denkmalschutzgesetzes notwendige Bewilligung des Bundesdenkmalamtes gegraben und sich damit einer "unerlaubten Handlung" iS des § 400 ABGB schuldig gemacht hätten. Die Forderung wäre schließlich auch schon verjährt, weil ihr ein Schadenersatzanspruch (§ 1489 ABGB) zugrunde liege und der Kläger den Sachverhalt schon im Herbst 1975 gekannt habe.

Das Erstgericht wies die Klage ab und stellte folgenden wesentlichen Sachverhalt fest:

In E (NÖ) geht die Sage, daß das dortige Schloß durch unterirdische Gänge mit anderen Gebäuden verbunden war. Der Kläger hatte deshalb schon einmal mit dem Beklagten gesprochen, weil sich ein derartiger Eingang angeblich beim Haus des Beklagten befinden sollte. Anfang März 1975 erhielt der Kläger - ein Deichgräber - vom Beklagten den Auftrag, dessen Wirtschaftsgebäude niederzureißen. Nach Beendigung dieser Arbeit, an welcher sich der Beklagte durch Abtransportieren des Schuttes beteiligt hatte, kam zum Erstaunen des Beklagten plötzlich Rudolf H, ein Bruder des Klägers, dazu. Als der Beklagte nach dem Abtransport des letzten Schuttes zurückkam, sah er, wie Rudolf H mit einem Suchgerät an einer bestimmten Stelle der 220 m2 großen Grundfläche des abgerissenen Gebäudes suchte. Der Beklagte sagte daraufhin zum Kläger und dessen Bruder, daß sie nun aufhören sollten; zugleich stellte er ihnen, etwa 10 m von der genannten Stelle entfernt, eine Flasche Bier hin und zahlte sodann am Tisch den Kläger aus. Plötzlich erklärte Rudolf H daß sie es noch einmal versuchen wollten. Beide Brüder gingen wieder zu derselben Stelle zurück; der Kläger fuhr sofort mit seinem Bagger los und legte damit einen Krug frei. Rudolf H, welcher unten stand, sah den Krug naturgemäß zuerst und rief dem Kläger zu, er solle aufhören; man solle alles absperren, damit keine Leute zuschauen könnten. Die beiden Brüder gruben schließlich den Krug aus, wobei ihnen der Beklagte half. Mit Ausnahme von sieben Münzen, welche Rudolf H bereits in Händen hatte, blieben alle anderen Münzen beim Beklagten. Hinsichtlich dieser sieben Münzen sagte der Beklagte Rudolf H, daß er sie behalten könne. Die Abbrucharbeiten waren schon beendet; das Ausgraben der Münzen durch die beiden Brüder geschah eigenmächtig, wenngleich der Beklagte dann beim Bergen der Münzen half. Die Behörde war von diesen Ausgrabungsarbeiten nicht verständigt worden. Der Tonkrug enthielt insgesamt 3 063 Münzen, durchwegs aus dem 15. und 16 Jahrhundert. Der Fund wurde vom Beklagten ordnungsgemäß gemeldet und im Wiener Münzkabinett gereinigt, katalogisiert und mit 200 000 S bewertet. Um diesen Betrag verkaufte der Beklagte sodann die Münzen an das Niederösterreichische Landesmuseum. Der Verkehrswert des gesamten Fundes beträgt etwa 150 000 S; die sieben Münzen, welche der Beklagte Rudolf H überlassen hatte, sind höchstens 3700 S wert.

Rechtlich meinte das Erstgericht, daß es sich bei den hier aufgefundenen Münzen tatsächlich um einen "Schatz" iS des § 398 ABGB gehandelt habe. Der Kläger und sein Bruder hätten diesen Schatz nicht zufällig gefunden (§ 401 ABGB), sondern bewußt danach gegraben. Da sie hiezu keine Bewilligung des Bundesdenkmalamtes iS des § 11 Abs. 1 des Denkmalschutzgesetzes eingeholt und ihre Suche überdies gegen den Willen des beklagten Gründeigentümers vorgenommen hätten, falle ihnen eine "unerlaubte Handlung" iS des § 400 ABGB zur Last, welche jeden Anspruch auf "Finderlohn" ausschließe. Ein solcher Anspruch nach § 392 ABGB wäre im übrigen bereits verjährt, weil der Schatz im März 1975 gefunden worden, die Klage jedoch erst am 8. 1. 1979 eingebracht worden sei.

Die Berufung des Klägers blieb erfolglos. Von der unbekämpft gebliebenen Feststellung des Ersturteils ausgehend, wonach der Kläger mit seinem Bagger zwar den Krug freigelegt, sein Bruder Rudolf H aber "den Krug naturgemäß zuerst gesehen" habe, verneinte das Berufungsgericht die Aktivlegitimation des Klägers: Erwerbsgrund für den Finder sei gemäß § 399 ABGB schon die "Entdeckung" und nicht etwa erst die Aneignung oder Ergreifung des Schatzes. Da auch ein Finder, dem der Aneignungswille fehlt, auf Grund der angeführten Gesetzesstelle (Hälfte )Eigentümer des Schatzes werde, der Kläger aber nicht der "Finder" des Kruges mit den Münzen gewesen sei, müsse seine Klage schon aus diesem Grund erfolglos bleiben.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Klägers nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Der Kläger meint, daß es für die Frage des Eigentumserwerbes nach § 399 ABGB nicht auf das Zuvorkommen beim "Entdecken" des Tonkruges, sondern nur darauf ankomme, welcher der beiden Brüder H als erster den Inhalt des Kruges und damit den eigentlichen "Schatz" erkannt habe; das Fehlen von Feststellungen in dieser Richtung begrunde einen auf unrichtiger rechtlicher Beurteilung beruhenden Feststellungsmangel des angefochtenen Urteils.

Dieser Auffassung kann nicht gefolgt werden. Gemäß § 399 ABGB fällt der Schatz mit seiner Entdeckung - und nicht etwa erst mit der Aneignung oder Ergreifung - kraft Gesetzes zur Hälfte dem Finder und zur Hälfte dem Eigentümer der bergenden Sache zu (s. dazu Klang[2] II 270 f.; Ehrenzweig[2] I/2, 175; Gschnitzer, Sachenrecht 80; Wolff, Grundriß des bürgerlichen Rechts[4], 244). Dieser Eigentumserwerb vollzieht sich gegebenenfalls auch ohne Wissen und Willen der Berechtigten (Wolff aaO); auch ein Finder, dem mangels Kenntnis der Rechtslage der Aneignungswille fehlt, erwirbt gemäß § 399 ABGB im Augenblick der Entdeckung das Eigentum an der Hälfte des von ihm aufgefundenen Schatzes (Ehrenzweig aaO; Klang aaO bei FN 8). Damit kann aber der Eigentumserwerb nach § 399 ABGB auch nicht vom Bewußtsein des Finders abhängen, einen "Schatz" entdeckt zu haben. Es kommt nicht darauf an, wer als erster den Wert der gefundenen Sache - oder sonstige Umstände, die sie als "Schatz" im Sinne des § 398 ABGB erscheinen lassen - erkannt hat; maßgebend ist allein, wer den Gegenstand "entdeckt" hat, mag auch der Fund in diesem Zeitpunkt vielleicht noch gar nicht als "Schatz" erkennbar gewesen sein.

Geht man aber von dieser Rechtsansicht aus, dann ist der vom Kläger gerügte Feststellungsmangel nicht gegeben. Ob es im vorliegenden Fall tatsächlich - wie die Revision behauptet - der Kläger war, der den wertvollen Inhalt des freigelegten Kruges noch vor seinem Bruder erkannt hat, ist aus den angeführten Erwägungen ohne rechtliche Bedeutung. Entscheidend ist, daß nach den - insoweit unbekämpft gebliebenen - Feststellungen der Vorinstanzen der Bruder des Klägers "diesen Krug ... zuerst gesehen" und damit "entdeckt" (§ 398 ABGB) bzw. "gefunden" (§ 399 ABGB) hat. Nicht dem Kläger, sondern nur seinem Bruder Rudolf H könnte deshalb allenfalls gemäß § 399 ABGB das (Hälfte )Eigentum an dem in Rede stehenden Schatz zugefallen sein. Für die gegenteilige Auffassung der Revision ist auch mit dem Hinweis darauf, daß die Brüder H "gemeinsam die Grabung durchgeführt und gemeinsam den Krug zutage gefördert" hätten, nichts gewonnen. Gerade der vom Kläger immer wieder hervorgehobene Umstand, daß sein Bruder und er nicht etwa bewußt nach einem Schatz gegraben hätten, sondern bei der Suche nach verborgenen unterirdischen Gängen "zufällig" (§ 401 ABGB) auf den Tonkrug gestoßen seien, führt notwendig zu dem Ergebnis, daß nur derjenige der beiden Brüder (Hälfte )Eigentümer des gefundenen Schatzes geworden sein kann, der ihn - sei es auch unabsichtlich und ohne zunächst den tatsächlichen Wert zu erkennen - als erster "entdeckt" hat. Daß dies hier aber nicht der Kläger, sondern sein Bruder gewesen war, wird in der Revision nicht mehr bestritten.