JudikaturJustiz4Ob518/87

4Ob518/87 – OGH Entscheidung

Entscheidung
19. Mai 1987

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof.Dr.Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Gamerith, Dr.Petrag, Dr.Kodek und Dr.Niederreiter als Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Max W***, Hauseigentümer, 2. Valerie W***, Hauseigentümerin, beide Schleifmühlgasse 5, 1040 Wien, vertreten durch Dr. Herwig Kubac und Dr. Harald Svoboda, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Dr. Othmar N***, Universitätsdozent, Schleifmühlgasse 5/17, 1040 Wien, vertreten durch Dr. Karl Zingher, Rechtsanwalt in Wien, wegen Räumung (81.098,88 S) und 57.092,15 S samt Anhang (Revisionsinteresse 57.092,15 S), infolge Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien als Berufungsgerichtes vom 5.Februar 1987, GZ 41 R 499/86-11, womit infolge Berufung der klagenden Parteien das Urteil des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 20.Juni 1986, GZ 44 C 32/86-7, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagenden Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 3.737,08 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 339,73 S Umsatzsteuer) zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Kläger sind Eigentümer des Hauses 1040 Wien, Schleifmühlgasse 5. Im Jahre 1940 mietete Dr. Franz N***, der Vater des Beklagten, die Wohnung top. Nr. 17 in diesem Haus. Er bewohnte sie bis zu seinem Tod im Jahr 1954 gemeinsam mit seiner Frau Margarethe und den beiden Söhnen Johannes und Othmar, dem Beklagten. Im Zeitpunkt seines Todes hatte der Beklagte das 21. Lebensjahr noch nicht vollendet. Er verblieb ebenso wie Margarethe und Johannes N*** in der Wohnung. Johannes N*** zog einige Zeit danach aus und verunglückte 1957 tödlich. Sodann lebte der Beklagte mit seiner Mutter Margarethe N*** bis zu deren Tod am 24. Jänner 1985 im gemeinsamen Haushalt in dieser Wohnung. Bis zu ihrem Ableben wurden die Mietzinse immer unter dem Namen der Margarethe N*** vorgeschrieben und eingezahlt; sie trat auch gegenüber der Hausverwaltung als Mieterin auf.

Nach dem Tod seiner Mutter teilte der Beklagte den Hauseigentümern mit, daß seine Mutter verstorben sei und er beabsichtige, das Mietverhältnis fortzusetzen.

Die Wohnung weist eine Nutzfläche von 202 m 2 auf und war bei Abschluß des Mietvertrages der Ausstattungskategorie B zuzuordnen. Die Kläger begehren vom Beklagten den Betrag von 57.092,15 S samt 4 % Zinsen seit 3. Juni 1986 sowie die Räumung der Wohnung. Sie hätten vom Beklagten, der in den Hauptmietvertrag seiner Mutter eingetreten sei, ab dem auf den Eintritt folgenden Zinstermin, sohin ab 1. Februar 1985 einen Mietzins von 6.758,24 S verlangt. Dessen ungeachtet habe der Beklagte monatlich weiterhin nur 3.024,23 S gezahlt, woraus sich eine monatliche Mietzinsdifferenz von 3.733,81 S ergebe. Da der Beklagte trotz Nachfristsetzung den Mietzinsrückstand nicht beglichen habe, erklärten sie den Rücktritt vom Vertrag.

Der Beklagte beantragte die Abweisung der Klage. Er sei bereits nach dem Tod seines Vaters im Jahr 1954 gemeinsam mit seiner Mutter in die Mietrechte eingetreten. Im Jahre 1985 habe daher kein Mieterwechsel stattgefunden.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es beurteilte den eingangs wiedergegebenen Sachverhalt rechtlich wie folgt:

Nach § 19 Abs 2 Z 11 MG seien unter anderem der Ehegatte und Verwandte in gerader Linie, die schon bisher im gemeinsamen Haushalt mit dem Mieter in der Wohnung gewohnt hätten, eintrittsberechtigt gewesen. Diese Personen seien, falls sie nicht binnen 14 Tagen nach dem Tod des Mieters dem Vermieter bekanntgeben, daß sie das Mietverhältnis nicht fortsetzen wollten, in den Mietvertrag eingetreten. Seien mehrere nahe Angehörige eintrittsberechtigt gewesen, dann seien sie gemeinsam in den Mietvertrag eingetreten und hätten dann für den Mietzins zur ungeteilten Hand gehaftet. Demnach seien der Beklagte und seine Mutter beim Tod seines Vaters gemeinsam in den Mietvertrag eingetreten. Daß der Beklagte damals bekanntgegeben hätte, er wolle das Mietverhältnis nicht fortsetzen, sei nicht behauptet worden. Die Frage, ob sich Margarethe N*** in der Folge als alleinige Hauptmieterin gefühlt habe, sei unerheblich. Ein Verzicht des Beklagten auf seine Mitmietrechte könne aus seinem Verhalten nicht abgeleitet werden. Der Beklagte sei daher beim Tod seiner Mutter nicht in den Mietvertrag eingetreten, sondern ihm seien ihre Mietrechte zugewachsen. Es fehlten folglich die Voraussetzungen für eine Mietzinsanhebung nach § 46 Abs 2 MRG:

Diese Bestimmung, insbesondere auch ihr letzter Satz, sei nur anwendbar, wenn der nahe Angehörige nach dem 31. Dezember 1981 in einen Mietvertrag eingetreten sei, der vor diesem Termin abgeschlossen worden war. Da der Eintritt des Beklagten in das Mietverhältnis bereits 1954 stattgefunden habe, vermöge der Umstand, daß seine Mutter nun gestorben und er mittlerweile großjährig geworden sei, eine Berechtigung zur Erhöhung des Hauptmietzinses nicht zu begründen.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil; es sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes 60.000 S, nicht aber 300.000 S übersteige und die Revision zulässig sei. Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes als das Ergebnis eines mängelfreien Verfahrens und einer unbedenklichen Beweiswürdigung und billigte seine rechtliche Beurteilung. Es führte rechtlich aus:

Ein Verzicht des Beklagten auf seine Mietrechte könne in der Tatsache, daß er dem Vermieter gegenüber nicht durch positive Handlungen zu erkennen gegeben habe, daß er an den Mietrechten festhalten wolle, nicht erblickt werden. Da der Eintritt nach § 19 Abs 2 Z 11 MG von Gesetzes wegen erfolgt sei, komme dem Umstand, daß der Beklagte beim Tod seines Vaters noch minderjährig war, keine Bedeutung zu. Dieses Eintrittsrecht sei vom Erbrecht unabhängig. Sei aber davon auszugehen, daß der Beklagte und seine Mutter nach dem Tode seines Vaters als Mitmieter in dessen Mietrechte eingetreten seien, so liege kein Anwendungsfall für eine Anhebung des Mietzinses im Sinne des § 46 MRG vor. Diese Bestimmung habe zur Voraussetzung, daß Personen in den Mietvertrag eintreten, die bisher keine Haupt(mit-)mieter waren, also Hauptmietrechte nicht schon auf Grund eines bestehenden Vertrages ausgeübt haben. Daran ändere sich auch nichts durch die nach Meinung der Kläger "konstitutive Erklärung des Beklagten", daß er in Unkenntnis der Mitmietereigenschaft dem Hauseigentümer den Eintritt nach dem Tod seiner Mutter angezeigt habe. Der Beklagte sei eben nicht erst durch den Tod seiner Mutter zum Hauptmieter geworden.

Gegen dieses Urteil wenden sich die Kläger mit Revision wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, es dahin abzuändern, daß dem Klagebegehren insoweit, als es auf Zahlung von 57.092,15 S s.A. gerichtet ist, stattgegeben werde. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Beklagte beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Die Kläger treten der mit der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (MietSlg 33.365 ua) im Einklang stehenden Rechtsauffassung der Vorinstanzen, der Beklagte sei schon im Zeitpunkt des Todes seines Vaters (Mit )Mieter der umstrittenen Wohnung geworden, nicht entgegen. Auf diese Frage ist demnach nicht mehr einzugehen.

Mit ihren Revisionsausführungen, die Erklärung des Beklagten, er trete in die Mietrechte seiner verstorbenen Mutter ein, sei eine "konstitutive Erklärung" im Sinne eines Verzichtes auf sein Mietrecht, müssen die Kläger schon daran scheitern, daß sie in erster Instanz einen solchen Verzicht nicht behauptet haben. Die Kläger halten der Rechtsansicht, daß die Bestimmung des § 46 Abs 2 MRG auf den vorliegenden Fall keine Anwendung finde, entgegen, daß der Beklagte beim Tod seiner Mutter von einem zahlreichen Beschränkungen unterliegenden Mitmieter zum Alleinmieter der Wohnung geworden und in die Rechte seiner bisherigen Mitmieterin eingetreten sei. Eine Anhebung des Mietzinses in einem solchen Fall entspräche der Absicht des Gesetzgebers, bestehende Altverträge schrittweise und bestmöglich an die tatsächlichen Verhältnisse anzugleichen.

Diese Ausführungen sind nicht stichhältig. § 46 Abs 2 MRG gestattet dem Vermieter, eine bestimmte Erhöhung des bisherigen Hauptmietzinses von solchen Personen zu verlangen, die in das Hauptmietrecht auf Grund eines bei Inkrafttreten des Bundesgesetzes - das ist der 1. Jänner 1982 (§ 58 Abs 1 MRG) - bestehenden Mietvertrages eintreten, also anstelle des früheren Mieters nun selbst Mieter werden. Dies trifft auf den Beklagten, der schon seit 1954 Mieter der Wohnung ist, nicht zu. Die von den Klägern angestrebte Auslegung, daß die Anhebung des Mietzinses auch gegenüber einem Mitmieter zulässig sei, der zum Alleinmieter werde, ist mit dem Wortlaut des Gesetzes unvereinbar. Grundsätzlich sollten die Mietzinse für "Altverträge" - also vor dem Inkrafttreten des MRG geschlossene Verträge - unverändert bleiben (Würth in Korinek-Krejci, Handbuch zum Mietrechtsgesetz 362). Derselbe Grundsatz gilt bezüglich des Hauptmietzinses auch beim Eintritt von Angehörigen in Altverträge. Eine Ausnahme besteht lediglich dann, wenn in den Mietvertrag nur Angehörige eintreten, die nicht zum engsten Familienkern (§ 46 Abs 1 MRG) zählen, oder wenn zwar ursprünglich Angehörige im Sinne des § 46 Abs 1 MRG gemeinsam mit anderen Angehörigen in den Mietvertrag eingetreten, später aber durch Verlassen der Wohnung oder durch Erreichung der Großjährigkeit weggefallen sind. Nur in diesem Sonderfall kann der Vermieter nach § 46 Abs 2 MRG eine Anhebung des Zinsen verlangen (Fenyves aaO, 312).

Die Auslegung der Kläger hätte zur Folge, daß der mit dem Beklagten seit 1954 bestehende Mietvertrag in Ansehung des Hauptmietzinses zu seinen Lasten verändert würde. Dies widerspräche, wie dargelegt, dem MRG (vgl. § 45 Abs 1 MRG; Würth aaO 362). Die Revision mußte mithin erfolglos bleiben.

Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO. Als Bemessungsgrundlage war - im Gegensatz zur Verzeichnung des Beklagten - lediglich der für das Revisionsverfahren maßgebliche Streitwert von 57.092,15 S heranzuziehen.