JudikaturJustiz4Ob503/80

4Ob503/80 – OGH Entscheidung

Entscheidung
20. Januar 1981

Kopf

SZ 54/8

Spruch

Anders als das kaufmännische Zurückbehaltungsrecht nach § 368 HGB, können die gesetzlichen Pfandrechte des Spediteurs nach § 410 HGB und des Frachtführers nach § 440 HGB sowie das Zurückbehaltungsrecht nach § 471 nur zugunsten "konnexer", also mit dem betroffenen Gegenstand zusammenhängender Forderungen ausgeübt werden

Wird der Schuldner erst während der Ausübung des vom Spediteur (Frachtführer) zunächst widerrechtlich in Anspruch genommenen Pfand- und Zurückbehaltungsrechtes nach § 50 lit. b AÖSp (§ 26 ATL) Eigentümer des zurückbehaltenen Transportgutes, dann ist das Recht mit diesem Zeitpunkt existent geworden; ein noch vor dem Schluß der mündlichen Verhandlung in erster Instanz (§ 406 ZPO) eingetretener Eigentumserwerb ist daher bei der Entscheidung über das Pfand- und Zurückbehaltungsrecht zu berücksichtigen

OGH 20. Jänner 1981, 4 Ob 503/80 (OLG Linz 1 R 133/79; KG Steyr 3 Cg 108/78)

Text

Die Klägerin - eine Speditionsgesellschaft mit dem Sitz in H (Bundesrepublik Deutschland) - transportiert im Auftrag der Firma E, deren Werke sich in den Niederlanden und in der Bundesrepublik Deutschland befinden, laufend Kunstfasern nach Izmit (Türkei), wo sie von der Firma K verarbeitet werden. Einer der Spediteure bzw. Frachtführer, deren sich die Klägerin dazu bedient, ist die Beklagte.

Im vorliegenden, seit 13. April 1978 anhängigen Rechtsstreit verlangt die Klägerin von der Beklagten die Herausgabe der bei der Zollfreizone- Betriebs-AG in Linz eingelagerten 22 571 kg Spinnfäden durch Übergabe der diese Ware betreffenden Einlagerungsbestätigung. Die Beklagte habe das am 22. und 23. Feber 1978 auf dem Firmengelände der Firma E geladene, für Izmit bestimmte Transportgut nur bis Linz befördert, dann aber an dieser Ware wegen nicht damit zusammenhängender Forderungen ein Pfand- bzw. Zurückbehaltungsrecht nach den Allgemeinen Transportbedingungen für das Lastenfuhrwerk (ATL) ausgeübt, obgleich zwischen den Parteien die Anwendung der Allgemeinen Österreichischen Spediteurbedingungen (AÖSp) vereinbart und die Beklagte ausdrücklich auf das unabdingbare Ankunftsdatum der Ware am 27. Feber 1978 in Izmit hingewiesen worden sei. Die Beklagte habe sich zwar in einem Telex vom 16. März 1978 verpflichtet, nach Erhalt dreier von der Klägerin in Aussicht gestellter Schecks über 41 000 DM, 26 080 DM und 17 375 DM die Spinnfäden weiterzubefördern, dann aber diese Zusage trotz Übergabe der Schecks nur zum Teil eingehalten, sodaß die Klägerin die Sperre der beiden letzten erwähnten Schecks veranlaßt habe. Die Beklagte verweigere den Weitertransport der restlichen, noch in der Linzer Zollfreizone eingelagerten Spinnfäden mit der Begründung, daß ihr gegen die Klägerin noch eine Forderung von 8 000 DM zustehe; davon betreffe jedoch ein Teilbetrag von 3 100 DM die Firma A in N bei Stuttgart, während für weitere 2 000 DM keine Rechnung der Beklagten vorhanden sei. Die Beklagte habe gewußt, daß die Spinnfäden nicht Eigentum der Klägerin, sondern der Firma E sind; deshalb, aber auch wegen Fehlens der nach dem Gesetz erforderlichen Konnexität sei die Ausübung eines Pfand- bzw. Zurückbehaltungsrechtes unzulässig. Die angeblich noch offene Restforderung von 4 900 DM stehe in keinem Verhältnis zum Wert der eingelagerten Ware. Da die Bonität der Klägerin auch von der Beklagten nicht bezweifelt werde und der gegenständliche Transportauftrag offenbar nur zum Zweck der Ausübung eines Zurückbehaltungsrechtes übernommen worden sei, verstoße die Berufung auf ein derartiges Recht gegen Treu und Glauben. Die Firma E habe der Klägerin bereits mit massiven Schadenersatzforderungen gedroht.

Die Beklagte beantragt die Abweisung des Klagebegehrens. Nachdem die Zahlungsrückstände der Klägerin für Transportleistungen der Beklagten Anfang 1978 mehr als 100 000 DM betragen hätten, habe die Beklagte der Klägerin mehrfach die Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechtes am Transportgut angedroht und dieses Recht dann beim letzten Transport im Feber 1978 tatsächlich ausgeübt. Unter der Annahme, daß die von der Klägerin in Aussicht gestellten Schecks über 26 080 DM und 17 375 DM gedeckt seien, habe die Beklagte schließlich einen Teil des Frachtgutes weiterbefördert, den Rest zur Deckung der noch offenen Frachtkosten in Linz zurückbehalten. Da aber die beiden Schecks nicht gedeckt gewesen seien, lehne die Beklagte eine Herausgabe der Ware ab. Die Geschäftsbeziehungen zwischen den Parteien unterlägen nicht den AÖSp, sondern den ATL.

Das Erstgericht erkannte im Sinne der Klagebegehrens und ging dabei von folgenden wesentlichen Sachverhaltsfeststellungen aus:

Von den rund 30 LKW-Ladungen, welche die Klägerin pro Monat für die Firma E aus den Niederlanden und der Bundesrepublik Deutschland in die Türkei transportiert, hatte die Beklagte seit Mitte 1977 im Durchschnitt fünf übernommen. Die Parteien hatten vereinbart, daß die Transporte ohne jedes Umladen von Haus zu Haus durchgeführt werden sollten; die Beklagte sollte erst bei Vorlage des vom Empfänger bestätigten Frachtbriefes Zahlung erhalten, wobei der Klägerin ein Zahlungsziel von zirka drei bis vier Wochen eingeräumt worden war. Im Laufe der Geschäftsbeziehungen zwischen den Parteien kam es immer wieder vor, daß Forderungen der Beklagten im Gesamtbetrag von 150 000 DM aufliefen, weil gelegentlich noch die bestätigten Frachtbriefe fehlten, oder das vereinbarte Zahlungsziel noch offen war. Der Geschäftsführer der Beklagten Hermann B erschien hin und wieder bei der Klägerin, um dort nach dem Rechten zu sehen. Bei einem seiner Besuche kam es deshalb zu Unstimmigkeiten, weil die Fracht der Firma E in insgesamt vier Fällen von der Beklagten vereinbarungswidrig umgeladen worden und deshalb in Izmit mit großen Transportschäden eingetroffen war. Die Klägerin sah sich aus diesem Grund massiven Schadenersatzforderungen ihrer Auftraggeberin ausgesetzt und teilte dies auch dem Geschäftsführer der Beklagten mit; sie hielt diesen Umstand dem Zahlungsbegehren entgegen und bat Hermann B, bis zur Klärung der Schadenersatzfrage zuzuwarten. Im Auftrag der Klägerin belud die Beklagte am 22. und 23. Feber 1978 der Firma E in C (Niederlande) je einen LKW mit Spinnfäden; die Ware mußte wegen drohenden Lizenzverfalls bis zum 27. Feber 1978 in die Türkei befördert werden. Die Beklagte übernahm dieses Transportgut auftragsgemäß, lagerte es dann aber bei der Zollfreizonen-Betriebs-AG in Linz ein und verweigerte die Weiterbeförderung nach Izmit, wobei sie sich gegenüber der Klägerin auf ein Pfand- bzw. Zurückbehaltungsrecht berief. Die Beklagte wußte, daß es sich nicht um Eigentum der Klägerin, sondern um solches der Firma E handelte. Sie machte geltend, daß ihr die Klägerin für Transportleistungen hohe Beträge schulde; dabei handelte es sich jedoch um Forderungen aus früheren Geschäftsverbindungen, die mit dem gegenständlichen Transport nicht zusammenhängen. In einem Fernschreiben an die Klägerin meinte die Beklagte, es solle nicht gesagt werden, daß sie die wirtschaftliche Bonität der Klägerin bezweifle. In der Folge erhielt die Klägerin von der Firma E die Mitteilung, daß das Verarbeitungswerk in Izmit stillstehe, weil die Transporte dort nicht angekommen seien. Um sich nicht noch höheren Schadenersatzforderungen ihrer Auftraggeberin auszusetzen, übermittelte die Klägerin der Beklagten auf die von dieser erhobene Forderung von insgesamt 86 455 DM am 15. März 1976 einen Scheck über 41 100 und am 16. März 1978 zwei weitere Schecks über 17 375 DM und 26 080 DM. In der Summe, von deren Zahlung die Beklagte die Weiterbeförderung des Transportgutes abhängig machte, waren sogar die Frachtkosten für die beiden gegenständlichen Transporte enthalten, ferner die Kosten für das Zollager; bei drei Positionen waren der Klägerin nicht einmal die Rechnungssummen bekannt, weshalb sie darauf angewiesen war, als Widmung der Zahlungen die Kennzeichen der transportierenden LKW anzugeben. Ferner fand sich hier auch ein Betrag von 3 100 DM, welcher nicht die Klägerin, sondern eine Firma ähnlichen Namens in N betraf. In der Folge erklärte die Beklagte, daß sie das Frachtgut erst dann weiterbefördern werde, wenn die Scheckbeträge auf ihrem Konto eingegangen seien. Daraufhin ließ die Klägerin die beiden Schecks vom 16. März 1978 sperren, sodaß nur der Scheck über 41 100 DM an die Beklagte ausgezahlt wurde. Die Beklagte führte sodann den Transportwert zwar weiter, behielt aber eine LKW-Ladung mit einem Gesamtgewicht von 22 571 kg und einem Wert von 44 310 Dollar in der Linzer Zollfreizone zurück. In früheren Rechnungen hatte sich die Beklagte gegenüber der Klägerin wiederholt auf die Anwendung der AÖSp berufen.

Rechtlich meinte das Erstgericht, daß die Wirksamkeit des von der Beklagten geltend gemachten Pfand- bzw. Zurückbehaltungsrechtes nach § 50 AÖSp zu beurteilen sei. Die Beklagte habe zur Sicherung nicht konnexer Forderungen ein wissentlich nicht der Klägerin gehörendes Frachtgut herangezogen, obgleich diese Forderungen keineswegs unbestritten gewesen seien und die Beklagte selbst die Bonität der Klägerin nicht in Zweifel gezogen habe. Da infolgedessen die Ausübung eines Pfand- oder Zurückbehaltungsrechtes nach § 50 AÖSp ebensowenig zulässig gewesen sei wie nach der korrespondierenden Bestimmung des § 26 ATL, könne die Beklagte die Herausgabe des Transportgutes nicht verweigern.

Die Berufung der Beklagten blieb erfolglos. Nach Ansicht des Berufungsgerichtes müsse der vorliegende Fall, in welchem es um die entgeltliche Beförderung von Gütern auf der Straße mit LKW von den Niederlanden in die Türkei gehe, zunächst nach dem Übereinkommen über den Beförderungsvertrag im internationalen Straßengüterverkehr (CMR), BGBl. 138/1961, beurteilt werden, welches als zwingendes österreichisches Recht anzusehen sei (Art. 41 CMR; s. dazu SZ 46/95). In diesem internationalen Übereinkommen seien jedoch Pfand- und Zurückbehaltungsrechte am Transportgut nicht geregelt, sodaß subsidiär eine entsprechende Vereinbarung zwischen den Parteien zur Anwendung kommen könne. Da die Klägerin behauptet habe, daß zwischen den Parteien die Anwendung der AÖSp vereinbart worden sei, und das Erstgericht festgestellt habe, daß sich auch die Beklagte gegenüber der Klägerin in früheren Rechnungen mehrfach auf diese Geschäftsverbindungen berufen habe, müsse davon ausgegangen werden, daß die Parteien hinsichtlich allfälliger Pfand- und Zurückbehaltungsrechte die Anwendung der AÖSp vereinbart hätten. Gemäß § 50 lit. b AÖSp sei daher zunächst zu prüfen, ob der Beklagten ein gesetzliches Pfand- und Befriedigungsrecht zusteht; diese Frage müsse hier verneint werden. Das gesetzliche Pfandrecht des Spediteurs (§ 410 HGB) setze ebenso wie dasjenige des Frachtführers (§ 440 HGB) eine konnexe - also mit der Versendung oder Beförderung des Gutes unmittelbar zusammenhängende - Forderung voraus; eine solche sei aber von der Beklagten ebensowenig behauptet worden wie die - nach dem Gesetz gleichfalls erforderliche - gutgläubige Rechtsausübung. Auch die Ausübung des gesetzlichen Zurückbehaltungsrechtes nach § 471 ABGB scheide mangels einer konnexen (und überdies fälligen) Forderung der Beklagten aus. Eine Berufung auf das kaufmännische Zurückbehaltungsrecht nach § 369 HGB - welches auch nicht konnexe Forderungen sichere - komme hier schon deshalb nicht in Betracht, weil dieses Recht gemäß § 369 Abs. 3 HGB dann ausgeschlossen sei, wenn die Zurückbehaltung einer vom Schuldner bei der Übernahme erteilten Anweisung, mit der Ware in einer bestimmten Weise zu verfahren, widerstreite, wie sie regelmäßig auch bei einem Spediteur oder Frachtführer anzunehmen sei, der das Transportgut auf Grund des ihm erteilten Auftrages einem bestimmten Dritten zu überbringen habe. Da der Beklagte infolgedessen "bestenfalls" ein vertragliches Pfand- oder Zurückbehaltungsrecht nach § 50 AÖSp zugestanden sein könnte, hätte sie gemäß lit. b der angeführten Gesetzesstelle beweisen müssen, daß bei der Ausübung dieses Rechtes das Transportgut im Eigentum der Klägerin gestanden war oder die Beklagte dieses Gut für Eigentum der Klägerin gehalten habe und halten durfte. Weder das eine noch das andere sei von der Beklagten in erster Instanz behauptet worden; sie habe dort lediglich vorgebracht, daß die Klägerin "inzwischen" - also jedenfalls nach der Ausübung des Pfand- bzw. Zurückbehaltungsrechtes - Eigentümerin der gegenständlichen Ware geworden sei. Habe aber die Beklagte das Transportgut rechtswidrig zurückgehalten, ohne dazu auf Grund des § 50 AÖSp befugt zu sein, dann müsse sie die Ware auch dann herausgeben, wenn nachträglich eine Änderung in den Eigentumsverhältnissen eingetreten sein sollte. Ob die Forderungen der Beklagten im Sinne des § 50 lit. c AÖSp strittig oder gefährdet waren, könne unter diesen Umständen dahingestellt bleiben. An diesem Zeitpunkt würde sich im übrigen auch dann nichts ändern, wenn der rechtlichen Beurteilung an Stelle des § 50 AÖSp die - praktisch inhaltsgleichen - Bestimmungen des § 50 ADSp oder des § 26 ATL zugrunde gelegt würden. Ein weiteres Eingehen auf die Tatsachen- und Beweisrüge der Beklagten sei aus rechtlichen Gründen entbehrlich.

Der Oberste Gerichtshof hob die Urteile der Vorinstanzen auf und verwies die Rechtssache zur ergänzenden Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an das Prozeßgericht erster Instanz zurück.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Der Versuch der Revision, aus dem Schweigen der Klägerin auf die Ankündigung der Beklagten, bei weiterem Zahlungsverzug von ihrem Pfand- und Zurückbehaltungsrecht Gebrauch zu machen, eine schlüssige Zustimmung der Klägerin zur Ausübung eines solchen Rechtes abzuleiten, muß scheitern, weil sich die Beklagte in erster Instanz nie auf eine solche individuelle Parteivereinbarung "unter Negierung der ATL bzw. AÖSp", sondern ausschließlich auf das Pfand- und Zurückbehaltungsrecht nach den ATL berufen hat. Dem Berufungsgericht ist auch darin zu folgen, daß der diesem Rechtsstreit zugrunde liegenden Beförderungsvertrag zwar grundsätzlich den Bestimmungen des Übereinkommens über den Beförderungsvertrag im internationalen Straßengüterverkehr (CMR), BGBl. 138/1961, unterliegt (s. dazu Art. 1 Z. 1 dieses Übereinkommens), allfällige Pfand- und Zurückbehaltungsrechte am Transportgut aber mangels einer einschlägigen Regelung der CMR im konkreten Fall nach österreichischem Recht zu beurteilen sind. Ob dabei im Verhältnis zwischen den Parteien die AÖSp oder, wie die Beklagte meint, die ATL anzuwenden sind, braucht angesichts der - jedenfalls in den hier wesentlichen Punkten - völlig inhaltsgleichen Regelung des Pfand- und Zurückbehaltungsrechtes in § 50 AÖSp einerseits und in § 26 ATL andererseits nicht weiter geprüft zu werden.

In diesem Zusammenhang hat das Berufungsgericht richtig erkannt, daß ein Pfand- und Zurückbehaltungsrecht nach den AÖSp oder den ATL hier jedenfalls "über das gesetzliche Pfand- und Zurückbehaltungsrecht hinausgehen" würde (§ 50 lit. b AÖSp; § 26 Abs. 2 ATL): Der Ausübung eines gesetzlichen Pfandrechtes nach § 410 HGB (Spediteur) oder § 440 HGB (Frachtführer) steht im konkreten Fall das - in dritter Instanz auch vom Beklagten nicht mehr bestrittene - Fehlen eines Zusammenhanges zwischen dem Herausgabeanspruch der Klägerin und den zu sichernden Forderungen der Beklagten, also die mangelnde Konnexität, entgegen (vgl. in diesem Zusammenhang zu § 410 HGB:

Hämmerle - Wünsch, HGB[3] III, 330; Holzhammer - Rinner, Österreichisches Handelsrecht, 117; ebenso Schröder in Schlegelberger, HGB[5] VI, 534 § 410 RZ 3; Helm, Speditionsrecht B 58 f § 410 HGB Anm. 16; zu § 440 HGB: Hämmerle - Wünsch a.a.O. 358;

Holzhammer - Rinner a.a.O. 130; Geßler in Schlegelberger, HGB[5] VI 823 § 440 RZ 7; Ratz im RGR-Kommentar zum HGB[2]V, 458 § 440 Anm. 2;

Baumbach - Duden, HGB[23], 1061 f. § 440 Anm. 1 B); aus dem gleichen Grund kommt auch ein gesetzliches Zurückbehaltungsrecht nach § 471 ABGB nicht in Betracht (s. dazu Klang[2] II, 544 f.; Gschnitzer, Sachenrecht, 205). Eine Berufung der Beklagten auf das kaufmännische Zurückbehaltungsrecht nach § 369 HGB - welches auch zugunsten nicht konnexer Forderungen ausgeübt werden kann (Hämmerle - Wünsch a.a.O., 99; Holzhammer - Rinner, a.a.O., 86; Ratz im RGR-Kommentar zum HGB[2] III, 824 § 369 Anm. 11; Baumbach - Duden a.a.O., 713 § 3369, 370 Anm. 2 B) - müßte aber an der Bestimmung des § 369 Abs. 3 HGB scheitern, wonach ein solches Zurückbehaltungsrecht dann ausgeschlossen ist, wenn die Zurückbehaltung des Gegenstandes der vom Schuldner vor oder bei der Übergabe erteilten Anweisung oder der vom Gläubiger übernommenen Verpflichtung widerspricht, mit dem Gegenstand in einer bestimmten Weise zu verfahren (zur Anwendung dieser Gesetzesstelle auf das dem Spediteur oder Frachtführer zur Versendung oder Beförderung übergebene Gut: Hämmerle - Wünsch a. a.O., 102, insbesondere FN 22; Hefermehl in Schlegelberger, HGB[5] IV, 644 § 369 RZ 45; Ratz a.a.O. III, 833 § 369 Anm. 47; Baumbach - Duden a.a.O., 717 Anm. 5 A).

Das Berufungsgericht hat deshalb den vorliegenden Sachverhalt richtigerweise nach § 50 lit. b AÖSp (§ 26 Abs. 2 ATL) beurteilt, so daß die Rechtswirksamkeit des von der Beklagten in Anspruch genommenen Pfand- bzw. Zurückbehaltungsrechtes hier primär davon abhängt, ob die Beklagte dieses Recht an solchen Gütern ausübt, die "dem auftraggebenden Spediteur (Transportunternehmer) gehören oder die der beauftragte Spediteur (Transportunternehmer) für Eigentum des auftraggebenden Spediteurs (Transportunternehmers) hält und halten darf." Während es aber die letztgenannte Frage der Gutgläubigkeit der Beklagten mangels entsprechenden Tatsachenvorbringens der Beklagten in erster Instanz zu Recht nicht weiter erörtert hat, leidet das angefochtene Urteil in der Frage eines allfälligen (nachträglichen) Eigentumserwerbes der Klägerin an dem zurückbehaltenen Transportgut an einem Feststellungsmangel, der eine erschöpfende Beurteilung noch nicht zuläßt. Mit Recht macht nämlich die Beklagte auch in der Revision dem Berufungsgericht zum Vorwurf, es habe auf Grund einer unrichtigen Rechtsansicht Beweisaufnahme und Feststellungen darüber unterlassen, daß der Beklagten zumindest bei Schluß der mündlichen Verhandlung erster Instanz ein rechtswirksames Pfand- und Zurückbehaltungsrecht an den transportierten Spinnfäden zugestanden sei: Am Ende der dem Ersturteil unmittelbar vorangehenden Verhandlungstagsatzung hat die Beklagte ausdrücklich behauptet und unter Beweis gestellt, daß "inzwischen die Klägerin Eigentümerin der beförderten Ware geworden sei". Beide Vorinstanzen sind auf dieses Vorbringen nicht weiter eingegangen, weil ihrer Meinung nach auch eine nachträgliche Änderung der Eigentumsverhältnisse am zurückbehaltenen Transportgut die Beklagte nicht mehr von ihrer Herausgabeverpflichtung befreien könnte. Dabei wird aber übersehen, daß die Entscheidung über das Bestehen oder Nichtbestehen von Ansprüchen und Gegenansprüchen gemäß § 406 ZPO grundsätzlich auf den Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung erster Instanz abzustellen ist, bis zu diesem Zeitpunkt eingetretene Änderungen der Sach- und Rechtslage also bei der Urteilsfällung regelmäßig zu berücksichtigen sind (s. dazu Fasching III, 659 ff. § 406 ZPO Anm. 1 ff.). Warum das gerade hier nicht gelten und ein allfälliger Eigentumserwerb der Klägerin während des erstgerichtlichen Verfahrens unberücksichtigt bleiben sollte, ist nicht einzusehen. Falls die Klägerin - welche zunächst unstreitig nicht Eigentümerin der zu befördernden Spinnfäden gewesen war - tatsächlich noch vor dem Schluß der mündlichen Verhandlung erster Instanz das Eigentumsrecht an dem von der Beklagten zurückbehaltenen Transportgut erworben haben sollte, wäre damit diese Voraussetzung des § 50 lit. b AÖSp (§ 26 Abs. 2 ATL) rechtzeitig eingetreten; die anfangs widerrechtliche Weigerung der Beklagten, die in Linz eingelangten Spinnfäden herauszugeben, wäre so - bei Erfüllung aller übrigen Voraussetzungen - ab dem Eigentumserwerb der Klägerin als gerechtfertigt anzusehen, weil die Klägerin seither ein rechtswirksames Pfand- bzw. Zurückbehaltungsrecht am Transportgut hätte. Soweit das Schrifttum zu § 369 HGB in diesem Zusammenhang den Zeitpunkt der Entstehung - und nicht der Ausübung - des Zurückbehaltungsrechtes für maßgebend erklärt (s. dazu insbesondere Hämmerle - Wünsch a.a.O., 100 f.; Holzhammer - Rinner a.a.O., 87), ist damit nur gemeint, daß das einmal rechtswirksam erworbene Zurückbehaltungsrecht auch durch einen späteren Eigentümerwechsel nicht mehr aufgehoben wird (so ausdrücklich Hefermehl a.a.O., RZ 31; Ratz a.a.O. III, 827 § 369 Anm. 23; Hoeniger in Düringer - Hachenburg, HGB[3] IV, 1222 § 369 Anm. 7). Wird hingegen der Schuldner, wie hier, erst während der Ausübung des vom anderen Teil - zunächst widerrechtlich - In Anspruch genommenen Pfand- und Zurückbehaltungsrechtes Eigentümer des zurückbehaltenen Transportgutes und sind auch die übrigen Voraussetzungen des § 50 AÖSp (§ 26 ATL) erfüllt, dann ist damit das Recht mit diesem Zeitpunkt existent geworden (so ausdrücklich Hoeniger a.a.O.; auch Klang[2] V, 70 zu § 1101 ABGB zum nachträglichen Eigentumserwerb des Bestandnehmers). Tritt also dieser Eigentumserwerb - wie hier von der Beklagten behauptet und unter Beweis gestellt - noch vor dem Schluß der mündlichen Verhandlung erster Instanz ein, dann ist er gemäß § 406 ZPO bei der Entscheidung über das Pfand- und Zurückhaltungsrecht zu berücksichtigen.

Da die Vorinstanzen, von einer unrichtigen Rechtsansicht ausgehend, das in diese Richtung zielende Sach- und Beweisvorbringen der Beklagten nicht erörtert und dazu weder Beweise aufgenommen noch Feststellungen getroffen haben, leiden ihre Entscheidung an einem Feststellungsmangel, der eine erschöpfende rechtliche Beurteilung des Klageanspruches noch nicht zuläßt. Ob sich die Beklagte mit Recht auf ein Pfand- oder Zurückbehaltungsrecht nach den AÖSp oder den ATL beruft, wird erst dann gesagt werden können, wenn feststeht, ob ihre Behauptung über einen nachträglichen Eigentumserwerb der Klägerin am zurückbehaltenen Transportgut den Tatsachen entspricht; bei Bejahung dieser Frage werden auch die weiteren Voraussetzungen des § 50 lit. a bis c (§ 26 Abs. 1 bis 3 ATL) zu prüfen sein.

Rechtssätze
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