JudikaturJustiz4Ob41/98b

4Ob41/98b – OGH Entscheidung

Entscheidung
31. März 1998

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kodek als Vorsitzenden sowie durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr.Graf, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr.Griß und Dr.Schenk sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr.Vogel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei G***** GmbH, ***** vertreten durch Dr.Karl J.Grigkar, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei *****K***** GmbH, ***** vertreten durch Dr.Renate Steiner, Rechtsanwältin in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Provisorialverfahren: S 450.000,-) infolge außerordentlichen Revisionsrekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgericht vom 19.Dezember 1997, GZ 4 R 164/97k-14, den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der außerordentliche Revisionsrekurs der beklagten Partei wird gemäß §§ 78, 402 Abs 4 EO iVm § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 528a iVm § 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Die im außerordentlichen Revisionsrekurs der Annahme eines dem § 1 UWG unterstellten Wettbewerbsverstoßes entgegengestellten "guten Gründe" für die Vertretbarkeit der Wettbewerbskonformität der inkriminierten Handlungen kommen der beklagten Partei nicht zustatten: Während das Argument mit § 12 Abs 1 Z 1 AMG schon deshalb versagt, weil eine Überlassung der Arzneispezialität für seine klinische Prüfung nicht beanstandet wird, ist für die beklagte Partei auch aus § 12 Abs 1 Z 2 AMG nichts zu gewinnen. Abgesehen davon, daß ein in dieser Gesetzesstelle normierter Fall ("Notfall, ärztliche Anforderung, weil mit anderen Mitteln kein Auslangen gefunden wird") bei keinem der drei "erfolgreichen Testkäufe" festgestellt wurde, fällt der beklagten Partei gemäß § 1 Abs 11 AMG zur Last, daß sie eine in Österreich nicht zugelassene Arzneispezialität - auch eine Zulassung in Deutschland ist nicht bescheinigt - durch Abgabe an Apotheken in Verkehr gebracht hat, ohne durch geeignete Maßnahmen (solche sind nicht einmal behauptet, der Hinweis auf die Berufspflichten der Apotheker ersetzt sie auch nicht) sicherzustellen, daß diese nicht zum Verbraucher oder Anwender gelangt. Gesetzmäßiges Vorgehen der beklagten Partei im Sinne des § 12 Abs 1 Z 1 und/oder Z 2 AMG unterfiele aber keineswegs dem von der Vorinstanz für die Prozeßdauer ausgesprochenen Unterlassungsgebot, weil es als gesetzlich gestattete Verhalten nicht - wie viele andere vom Unterlassungsgebot allenfalls berührte gesetzlich gestattete Verhaltensweisen - vom Gebot gesondert ausgenommen werden muß (so schon 4 Ob 195/97y).

Soweit die beklagte Partei das von der Vorinstanz angenommene Wettbewerbsverhältnis mit der klagenden Partei einerseits nur auf die Darreichungsform "Trinklösung zur oralen Einnahme" (und nicht auch auf jede Darreichungsform), andererseits nur auf die Therapie des Alkoholentzuges (und nicht auch auf die von ihr "beworbenen" Anwendungsbereiche des Drogenentzuges und der Schlafstörungen) begrenzt sehen will, ist ihr unter Hinweis auf die ständige Rechtsprechung zu erwidern, daß für die Annahme eines Wettbewerbsverhältnisses nicht die völlige Identität des Angebotes und der Nachfrage(nden) vorausgesetzt wird, sondern auch Teilkongruenz in diesen beiden Bereichen oder auch potentieller Wettbewerb genügen (Koppensteiner, Österreichisches und europäisches Wettbewerbsrecht3 § 23 Rz 10 ff mit zahlreichen Judikaturnachweisen in den FN). Das von der Vorinstanz - in Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung - antragsgemäß auf jede Darreichungsform und Konzentration bezogene Unterlassungsgebot steht somit im Einklang mit der Rechtsprechung. Daß die klagende Partei mit ihrem Sicherungsantrag etwa nur die konkrete Form ihres Produktes (Trinklösung zur oralen Einnahme für die Therapie des Alkoholentzuges) sichern könnte - wie die beklagte Partei meint -, ist weder auf das Gesetz (§§ 1 und 14 UWG) noch auf Rechtsprechung zu gründen.

Mit ihren EU-rechtlichen, auf eine Diskriminierung im Sinne des Art 6 EGV, allenfalls eine verschleierte Handelsbeschränkung gemäß Art 36 EGV hinweisenden Einwänden gegen das für jede Darreichungsform ausgesprochene Unterlassungsgebot ist die beklagte Partei vorerst - wie schon zuvor - darauf zu verweisen, daß dieses Verbot rechtmäßiges (EU-Recht oder auch österreichischem Recht entsprechendes) Verhalten nicht betrifft; freilich könnte diese Argumentation aber wohl auf die Einfuhr von in einem Mitgliedsstaat (wie Deutschland) zugelassenen Arzneimitteln/-spezialitäten zutreffen. Dieser Fall liegt jedoch hier nach den Feststellungen nicht vor. Dessen ungeachtet wird die beklagte Partei auf die Ausführungen in der Entscheidung 4 Ob 195/97y verwiesen, wonach - mit einer hier nicht interessierenden Ausnahme für in einem anderen Mitgliedsstaat zugelassene Arzneimittel, welcher ua durch § 5 Abs 1 Z 8 ArzneiwareneinfuhrG idF BGBl 1993/97 Rechnung getragen wurde - die Beschränkung der Einfuhr nicht zugelassener Arzneispezialitäten durch das ArzneiwareneinfuhrG mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar ist, weil die völlige Liberalisierung des Warenverkehrs für Arzneimittel noch nicht verwirklicht ist und den Mitgliedsstaaten in der Beurteilung, ob Maßnahmen, die mit dem Schutz der Gesundheit von Menschen begründet werden, von Art 36 EGV gedeckt sind, ein weiter Ermessensspielraum zukommt.

Vom Gericht zweiter Instanz verneinte Verfahrensmängel können nach ständiger Rechtsprechung in dritter Instanz nicht mehr gerügt werden. Eine Mangelhaftigkeit des Rekursverfahrens ist ebensowenig ersichtlich, wie eine dem Rekursgericht unterlaufene Aktenwidrigkeit.

Diese Erwägungen führten zur Zurückweisung des außerordentlichen Revisionsrekurses der beklagten Partei.

Rechtssätze
1
  • RS0108556OGH Rechtssatz

    31. März 1998·2 Entscheidungen

    Während im Inland hergestellte Arzneispezialitäten allein aufgrund der Verschreibung eines Arztes und seiner Bescheinigung, daß die Arzneispezialität zur Abwehr einer Lebensbedrohung oder schweren gesundheitlichen Schädigung dringend benötigt wird und dieser Erfolg mit einer zugelassenen und verfügbaren Arzneispezialität nicht erzielt werden kann, in Verkehr gebracht werden dürfen, können im Ausland hergestellte, nicht zugelassene Arzneimittel nur dann ohne Einfuhrbewilligung eingeführt werden, wenn sie für einen lebensbedrohenden Erkrankungsfall benötigt werden. Dies ist keine unzulässige Diskriminierung ausländischer Arzneimittel, die als Maßnahme gleicher Wirkung gegen Art 30/36 EGV verstoße, weil der "freie Warenverkehr" für Arzneimittel bisher nicht realisiert ist. Die endgültige Entscheidung über die Verkehrsfähigkeit von Arzneimitteln liegt bei den nationalen Zulassungsbehörden. Nach den Erwägungsgründen der Richtlinie 92/26/EWG des Rates vom 31.März 1992 zur Einstufung bei der Abgabe von Humanarzneimitteln müssen zunächst die grundlegenden Prinzipien harmonisiert werden, die für die Einstufung bei der Abgabe von Arzneimitteln in der Gemeinschaft oder in dem betreffenden Mitgliedstaat anwendbar sind. Es besteht keine Gemeinschaftsregelung für das Inverkehrbringen nicht zugelassener Arzneimittel.