JudikaturJustiz4Ob303/02s

4Ob303/02s – OGH Entscheidung

Entscheidung
25. März 2003

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Kodek als Vorsitzenden und durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Graf, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Griß und Dr. Schenk sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei H***** AG, ***** vertreten durch Binder Grösswang Rechtsanwälte OEG in Wien, wider die beklagte Partei I***** S.A. ***** Schweiz, vertreten durch Giger, Ruggenthaler Simon Rechtsanwälte KEG in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Provisorialverfahren 49.000 EUR), infolge außerordentlichen Revisionsrekurses der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 14. November 2002, GZ 2 R 176/02w-12, womit der Beschluss des Handelsgerichts Wien vom 3. Juli 2002, GZ 19 Cg 58/02d-7, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass die Entscheidung zu lauten hat:

"Der Antrag der klagenden Partei, der beklagten Partei zur Sicherung des gleichlautenden Unterlassungsanspruchs mit einstweiliger Verfügung für die Prozessdauer aufzutragen, es im geschäftlichen Verkehr zu unterlassen, an Dritte Eintragungsanträge zu senden, ohne auf einem solchen Schreiben einen unmissverständlichen und graphisch deutlich ausgeführten Hinweis anzubringen, dass es sich bei dem Schreiben nur um ein Angebot zur Eintragung in ein privates Verzeichnis handle und dass eine Eintragung auf freiwilliger Basis erfolge, wird abgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 3.282,30 EUR (darin enthalten 547,05 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Rekurs- und Revisionsrekurskosten binnen 14 Tagen zu ersetzen."

Text

Begründung:

Die klagende österreichische Aktiengesellschaft ist Verlegerin, Medieninhaberin und Herausgeberin der "Gelben Seiten", die Bestandteil der Telefonbücher der Telekom Austria sind; dabei handelt es sich um das Verzeichnis aller erfassbaren Unternehmen Österreichs, die mit einem Eintrag innerhalb ihrer jeweiligen Branche enthalten sind.

Die beklagte Aktiengesellschaft mit dem Sitz in der Schweiz betreibt eine Datenbank unter der Bezeichnung "Made in Austria", in der sich ua österreichische Anbieter mit verschiedenen Daten eintragen lassen können. Diese Datenbank ist im Internet unter der Domain www.yelloscout.com. abrufbar. Die Beklagte sendet potentiellen Kunden zwei- bis dreimal im Jahr unter persönlicher Adressierung mit dem folgenden abgelichteten Kuvert ein doppelbögiges Formular samt an sie adressiertem Rückkuvert zu, wie den folgenden Ablichtungen zu entnehmen ist:

Die Klägerin begehrt, der Beklagten zur Sicherung ihres gleichlautenden Unterlassungsanspruchs mit einstweiliger Verfügung für die Prozessdauer aufzutragen, es ab sofort im geschäftlichen Verkehr zu unterlassen, an Dritte Eintragungsanträge zu senden, ohne auf einem solchen Schreiben einen unmissverständlichen und graphisch deutlich ausgeführten Hinweis anzubringen, dass es sich bei dem Schreiben nur um ein Angebot zur Eintragung in ein privates Verzeichnis handle und dass eine Eintragung auf freiwilliger Basis erfolge. Die Streitteile stünden in einem Wettbewerbsverhältnis. Die Beklagte bediene sich wettbewerbswidriger Methoden, indem sie undatierte Schreiben an einen unüberschaubaren Personenkreis richte, in welchen sie die Eintragung in die "Made in Austria-Bezugsquellen-Datenbank des Handels, des Gewerbes und der Industrie" anbiete. Das Schreiben trage weder eine Bezeichnung noch eine Überschrift. Die Eintragung der von der Beklagten zu bezeichnenden Stammdaten in einer Rubrik "A" erfolge kostenlos, die Eintragung von Daten in den Rubriken "B" bis "E" erfolge entgeltlich. Auf diese Unterscheidung werde jedoch unzureichend hingewiesen. Auf der ersten Seite finde sich lediglich ein Hinweis darauf, dass Eintragungen in den Rubriken "B" bis "E" gegen eine Gebühr vorgenommen würden; erst auf der letzten Seite werde im Kleindruck darauf hingewiesen, dass diese Gebühr je Kennziffer SFR 75 pro Halbjahr betrage. Auf der ersten Seite seien lediglich zwei große Felder weiß unterlegt und deshalb besonders augenfällig, nämlich die Adresse und ein "Termin", bis zu welchem das Schreiben zurückzusenden sei. Mit der Setzung eines solchen Termins werde der Adressat unter Zeitdruck gesetzt. Ein graphisch deutlicher und unmissverständlicher Hinweis darauf, dass das Schreiben bloß eine Offerte sei, fehle. Die Beklagte beantragte die Abweisung des Sicherungsantrags. Schon auf der ersten Seite ihres Schreibens werde dreifach darauf hingewiesen, dass der Eintrag der Stammdaten in der Rubrik "A" kostenfrei erfolge, hingegen für die übrigen Eintragungen unter den Rubriken "B" bis "E" eine Gebühr berechnet werde, was sich aus den folgenden drei Seiten unmissverständlich ergebe. Auch der Betreiber der Datenbank sei am Formularende klar bezeichnet. Bei dem entsprechenden Hinweis handle es sich jedoch nicht um einen "Kleindruck", der unleserlich, unklar oder versteckt angebracht wäre. Die Formulare seien an Kaufleute gerichtet, die verstünden, was ein Auftrag bedeute, der klar auch als "Auftrag zur Eintragung seiner Daten in die Datenbank Made in Austria" gekennzeichnet sei. Dazu bleibe angesichts des aufgedruckten Termins, der im Übrigen bloß mit einer höflichen Bitte verbunden sei, mit ca sechs Wochen ausreichend Zeit. Auch die Vertragsbedingungen seien klar und für jedermann verständlich, sodass für eine durchschnittlich normal (aus)gebildete Person, die das Formular zugestellt erhalte, und umso mehr für Geschäftsleute, an die das Formular gerichtet sei, der Charakter und Inhalt des Formulars unmissverständlich klar sei. Die schweizerische Kommission für die Lauterkeit in der Werbung habe mit Entscheidung vom 16. 9. 1994 bestätigt, dass das Bestellformular für den Normalbürger klar und verständlich sei und deutlich erkläre, dass es sich um einen teilweise kostenfreien und teilweise kostenpflichtigen Eintragungsauftrag handle, um den geworben werde.

Das Erstgericht erließ die einstweilige Verfügung. Gemäß § 48 Abs 2 IPRG sei österreichisches materielles Recht anzuwenden, weil sich der Wettbewerbsverstoß auf das Inland auswirke, zumal die Eintragungsformulare an Gewerbetreibende in Österreich verschickt würden. Die Beklagte verstoße gegen § 28a UWG. Im betreffenden Formblatt werde zwar darauf hingewiesen, dass der Adressat mit seiner Unterschrift der Beklagten (AG) einen bloßen Auftrag zur Eintragung erteile, für den bei Eintragungen auch in die Rubriken "B" bis "E" eine Gebühr verrechnet werde; ein ausdrücklicher Hinweis darauf, dass die Zusendung des Formblatts ein Angebot bzw eine bloße Einladung zu einem Anbot sei, fehle jedoch.

Das Rekursgericht bestätigte die erstgerichtliche Entscheidung und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Es billigte die Rechtsauffassung des Erstgerichts und war insgesamt der Auffassung, dass der Angebotscharakter des Formulars sich nur aus Kleingedrucktem und einem an unüblicher Stelle angebrachten "verborgenen Text" entnehmen lasse.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen die zweitinstanzliche Entscheidung gerichtete außerordentliche Revisionsrekurs der Beklagten ist - entgegen der den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Auffassung der Vorinstanz - zulässig, weil ein Fall wie der vorliegende noch nicht Gegenstand einer Entscheidung des Obersten Gerichtshofs war. Das Rechtsmittel ist auch berechtigt:

Gemäß § 28a UWG ist es verboten, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs für Eintragungen in Verzeichnisse, wie etwa Branchen-, Telefon- oder ähnliche Register, mit Zahlscheinen, Erlagscheinen, Rechnungen, Korrekturangeboten oder Ähnlichem zu werben oder diese Eintragungen auf solche Art unmittelbar anzubieten, ohne entsprechend unmissverständlich und auch graphisch deutlich darauf hinzuweisen, dass es sich lediglich um ein Vertragsangebot handelt. Nach den Erläuterungen zur RV (RV 1998, BlgNR 20. GP - Fernabsatz G) erfasst die Regelung jene Fälle, in denen ein Unternehmer den deutlichen Hinweis unterlässt oder verschleiert, dass mit dem zugesandten Schreiben (Erlagschein, Rechnung, Korrekturabzug und Ähnlichem) ein Angebot gestellt wird, bei dem die Adressaten solcher Zusendungen Gefahr laufen, irrtümlich zu zahlen oder zu unterschreiben (und damit das Anbot erst anzunehmen). Damit soll vor versteckten Vertragsangeboten geschützt werden.

Entgegen der Ansicht der Vorinstanzen sind in dem beanstandeten Schreiben der Beklagten die Tatbestandsmerkmale des § 28a UWG nicht erfüllt. Das beginnt schon damit, dass dem Schreiben weder ein Zahlschein noch eine Rechnung oder ein Korrekturangebot angeschlossen sind, weshalb die tatbestandstypischen Irreführungsmöglichkeiten von vornherein ausscheiden. Da überdies der Vorderseite des (das beanstandete Formular enthaltenden) Kuverts sowie einem beigelegten Antwortkuvert Name und jedenfalls Anschrift der Beklagten in der Schweiz zu entnehmen sind und die beklagte Aktiengesellschaft auch am Ende des vierseitigen Formularbogens deutlich erkennbar als Absenderin aufscheint, und ferner nach dem Ende der "Fragenrubriken" A (auf Seite 1), B und C (Seite 2 und 3) und D und E (Seite 4) auf der letzten Halbseite der vierten Seite des Bogens in Blockschrift das Wort "AUFTRAG" und danach in Normaldruckschrift (und keineswegs in unleserlichem oder schwer lesbarem Kleingedruckten) die "Auftrags-/Vertragsbedingungen" auch keineswegs an versteckter Stelle enthalten sind, ist für den durchschnittlich aufmerksamen Adressaten (Unternehmer bzw Unternehmensleiter) klar der Angebotscharakter dieses Schreibens erkennbar. Daran vermögen auch die am Beginn des Schreibens aufscheinende Aufmachung "Made in Austria" und daneben drei untereinander gesetzte Quadrate in den Farben Rot-Weiß-Rot und der in Druckschrift gehaltene Textteil "Bezugsquellen-Datenbank des Handels, des Gewerbes und der Industrie" nichts zu ändern, weil es sich dabei keinesfalls um die "Insignien" der Österreichischen Wirtschaftskammer oder gar des Österreichischen Firmenbuchs handelt und deren Namen an keiner Stelle aufscheinen. Ein offizieller Charakter dieses Schreibens kann nach der Auffassung des erkennenden Senats geradezu ausgeschlossen werden.

Diese Erwägungen führen in Stattgebung des ao Revisionsrekurses der Beklagten zur Abweisung des Sicherungsantrags.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 78, 402 Abs 4 EO iVm §§ 41, 50 ZPO.