JudikaturJustiz4Ob264/16a

4Ob264/16a – OGH Entscheidung

Entscheidung
21. Februar 2017

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Jensik, Dr. Schwarzenbacher, Dr. Rassi und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der Klägerin Österreichische Zahnärztekammer, Wien 1, Kohlmarkt 11/6, vertreten durch Tschurtschenthaler Rechtsanwälte GmbH in Klagenfurt, gegen die Beklagte S***** Gebietskrankenkasse, *****, vertreten durch Dr. Johannes Honsig-Erlenburg, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen Unterlassung (Streitwert im Sicherungsverfahren 43.200 EUR), über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Klägerin gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Rekursgericht vom 10. November 2016, GZ 3 R 140/16b 10, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß §§ 78, 402 Abs 4 EO iVm § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Die nach den konkreten Umständen des Einzelfalls vorzunehmende Klärung der Frage, ob die der beanstandeten Verhaltensweise zu Grunde liegende Auslegung gesetzlicher Bestimmungen als mit guten Gründen vertretbar beurteilt werden kann, geht in ihrer Bedeutung über den Einzelfall grundsätzlich nicht hinaus (4 Ob 156/08g); zumal auch für sich allein noch keine erhebliche Rechtsfrage begründet, dass Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu Bestimmungen des Verwaltungsrechts fehlt (RIS-Justiz RS0123321 [T7, T10]), weil ihm diesbezüglich keine Leitfunktion zukommt (T8).

2. Der Berechtigungsumfang der Bewilligungs bescheide der von der Beklagten betriebenen Zahnambulatorien ist umfassend und (bezogen auf das damals gesetzlich zulässige Leistungsangebot) uneingeschränkt. Eine Einschränkung des Leistungsumfangs ergab sich bloß aus der im Zeitpunkt der Bescheiderlassung geltenden Rechtslage nach dem ASVG, wonach Kassenzahnambulatorien nur sozialversicherungsrechtlich erstattungsfähige Leistungen erbringen durften. § 153 Abs 3 ASVG idF SVÄG 2012 beseitigte diese Beschränkungen des Leistungsumfangs der Kassenzahnambulatorien; nunmehr dürfen auch Privatleistungen, also Leistungen, die im Gesamtvertrag nicht enthalten sind, in Ambulatorien der Versicherungsträger erbracht werden (vgl VfGH G 435/2015). Diese Leistungen sind nicht auf Kassenkosten, sondern privat zu honorieren. Gegen deren Erbringung richtet sich das Unterlassungsbegehren der Klägerin.

3. Die Vorinstanzen haben das Sicherungsbegehren der Klägerin im Wesentlichen mit der Begründung abgewiesen, dass die Rechtsauffassung der Beklagten, durch die zitierte Gesetzesänderung sei der Inhalt ihrer krankenanstaltenrechtlichen Bewilligungsbescheide auf das nun gesetzlich zulässige Leistungsangebot erweitert worden, ohne dass es krankenanstaltenrechtlicher Änderungsgenehmigungen bedürfe, zumindest vertretbar sei.

4. Der Klägerin gelingt es in diesem Zusammenhang nicht, eine iSd § 528 Abs 1 ZPO erhebliche Rechtsfrage aufzuzeigen: § 153 Abs 3 ASVG idF SVÄG 2012 beseitigte die Beschränkungen des Leistungsumfangs der Kassenambulatorien und den damit verbundenen Wettbewerbsnachteil (vgl ErläutRV 2001 BlgNR XXIV. GP 5). Damit entfiel auch der zuvor bestehende Konkurrenzschutz zugunsten der niedergelassenen Zahnärzte. Da sich demnach die Einschränkung des Leistungsumfangs der Ambulatorien der Beklagten bloß durch den bisherigen Wortlaut des ASVG ergeben hatte, durfte die Beklagte mit guten Gründen annehmen, dass der an sich uneingeschränkte krankenanstaltenrechtliche Bewilligungsbescheid mit dem Wegfall der sozialversicherungsrechtlichen Einschränkungen nunmehr auch die Erbringung der „neuen“ Leistungen erfasst.