JudikaturJustiz4Ob237/00g

4Ob237/00g – OGH Entscheidung

Entscheidung
24. Oktober 2000

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Kodek als Vorsitzenden sowie durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Graf, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Griß und Dr. Schenk und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei P***** GmbH, *****, vertreten durch Eisenberger-Herzog-Nierhaus-Forcher, Rechtsanwälte in Graz, wider die beklagten Parteien 1. T***** GmbH, 2. Otmar S*****, beide vertreten durch Dr. Peter Hauser, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen Unterlassung, Widerruf und Veröffentlichung des Widerrufs (Streitwert im Provisorialverfahren 500.000 S), infolge außerordentlichen Revisionsrekurses der Klägerin gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Rekursgericht vom 3. August 2000, GZ 4 R 97/00p-8, mit dem der Beschluss des Landesgerichts Salzburg vom 6. April 2000, GZ 7 Cg 57/00v-3, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass die Entscheidung wie folgt zu lauten hat:

"Einstweilige Verfügung

Zur Sicherung des Anspruchs der Klägerin auf Unterlassung von Wettbewerbsverstößen, worauf die Klage gerichtet ist, wird den Beklagten auftragen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs die Äußerung zu unterlassen, dass sich das Material der Klägerin nach ein paar Mal Waschen abnütze und dass dies lebensgefährlich für Einsatzkräfte sei; das Unterlassungsgebot erstreckt sich auch auf sinngleiche Äußerungen.

Die Beklagten haben die Kosten ihrer Äußerung endgültig selbst zu tragen."

Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsmittelverfahrens vorläufig selbst zu tragen; die Beklagten haben die Kosten des Rechtsmittelverfahrens endgültig selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Die Klägerin und die Erstbeklagte erzeugen Schutzbekleidung für Feuerwehrleute; der Zweitbeklagte ist Geschäftsführer der Erstbeklagten.

In der periodischen Druckschrift "W*****" erschien am 18. 12. 1999 unter der Schlagzeile "Heißer Streit unter den Feuerwehr-Ausrüstern" ein Artikel, der auszugsweise wie folgt lautete:

"Zwischen den Schutztextil-Schneidern T***** und P***** fliegen die Fetzen. Jeder wirft dem anderen mangelnde Qualität vor. Jetzt drohen die Kontrahenten mit Klagen.

...Zwanzig Jahre lang hatte der L*****Schutzbekleidungs-Schneider Gerhard P***** den österreichischen Markt für Feuerwehr-Textilien nach Belieben beherrscht. Seit dem Auftauchen der S***** T***** GmbH vor etwa drei Jahren ist bei P***** Feuer am Dach. 'Ich habe nachweislich die beste Ware am Markt, doch schlecht ausgebildete T*****-Vertreter reden den Feuerwehren ein, meine Schutzkleidungen seien undichte Fetzen', schimpft P***** über den Mitbewerber, der ihm zuletzt Großaufträge der Landesfeuerwehrkommandos Steiermark und Niederösterreich weggeschnappt hat. In einem Brief an 4860 Feuerwehren in Österreich droht er T***** mit Verleumdungsklage.

T*****-Chef Otmar S***** bleibt dennoch dabei: 'P*****s Material nützt sich nach ein paar Mal Waschen ab. Das ist lebensgefährlich für Einsatzkräfte.' Er will P***** klagen, sollte dieser den Verdacht wiederholen, T***** gewinne Feuerwehraufträge durch Fehlinformation oder gar Bestechung.

..."

Die dem Zweitbeklagten zugeschriebene Äußerung ist ein wörtliches Zitat.

Die Klägerin erzeugt (ua) eine Schutzjacke "F*****" und eine Schutzhose, die beide laut Baumusterbescheinigungen des Österreichischen Textilforschungsinstituts den Sicherheitsanforderungen entsprechen.

Die Anforderungen an und das Prüfverfahren für Schutzkleidung für die Feuerwehr bei Brandbekämpfung sind in der ÖNorm EN 469 festgelegt. Nach Punkt 5.4 dieser ÖNorm sind die zu prüfenden Materialien vor der Prüfung fünfmal in einer Frontlade-Trommelmaschine zu waschen und abschließend zu trocknen. Punkt 6.2 regelt die Sicherheitsanforderungen für den Wärmedurchgang bei Flammeneinwirkung, Punkt 6.3 die Sicherheitsanforderungen für den Wärmedurchgang bei Strahlungseinwirkung. Nach Punkt 6.2 muss die Bekleidungszusammenstellung oder Zusammenstellung mehrlagiger Bekleidungsstücke nach der Vorbehandlung gemäß Punkt 5.4 und bei Einhaltung der sonstigen Prüfungsanforderungen einen durchschnittlichen Wärmeübergangsindex HTI24 ] 13 und einen durchschnittlichen Wert (HTI24 - HTI12) ] 4 aufweisen.

Gemäß Punkt 6.3 muss die Bekleidungszusammenstellung oder Zusammenstellung mehrlagiger Bekleidungsstücke nach der Vorbehandlung gemäß Punkt 5.4 und bei Einhaltung der sonstigen Prüfungsanforderungen bei einer Wärmestromdichte von 40 kW/m**2 einen durchschnittlichen Wert t**2 ] 22 s, einen durchschnittlichen Wert (t**2 minus t1) ] 6 s ergeben und einen durchschnittlichen Wärmedurchlassgrad [ 60 % aufweisen.

Die Beklagten haben eine von der Klägerin erzeugte Schutzjacke "F*****" durch das Österreichische Textil-Forschungsinstitut, das britische Institut BTTG Fire Technology Services und das Schweizer Institut EMPA - Eidgenössische Materialprüfungs- und Forschungsanstalt prüfen lassen. Die Prüfung durch das Österreichische Textil-Forschungsinstitut ergab für den Wärmedurchgang bei Flammeneinwirkung (HTI24 minus HTI12) einen Wert von 4s und für den Wärmedurchgang bei Strahlungseinwirkung (t2 minus t1) einen Wert von 8 s; bei der Prüfung durch das Institut BTTG betrug der Wert für den Wärmedurchgang bei Strahlungseinwirkung (t2 minus t1) 5 s; die Prüfung durch das Institut EMPA ergab für den Wärmedurchgang bei Flammeneinwirkung (HTI24 minus HTI12) einen Wert von 4 und für den Wärmedurchgang bei Strahlungseinwirkung (t2 minus t1) einen Wert von 5 s. Die geprüften Kleidungsstücke wurden vor der Prüfung jeweils fünfmal gewaschen und auf der Leine getrocknet.

Die Klägerin begehrt zur Sicherung ihres inhaltsgleichen Unterlassungsanspruchs, den Beklagten aufzutragen, die Äußerung, dass sich das Material der Klägerin nach ein paar Mal Waschen abnütze und dass dies lebensgefährlich für Einsatzkräfte sei, oder ähnliche Äußerungen zu unterlassen. Eventualiter begehrt die Klägerin, den Beklagten aufzutragen, es im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs zu unterlassen, die Klägerin gegenüber Dritten mit der Behauptung, das Material der Klägerin nütze sich nach ein paar Mal Waschen ab und dies sei lebensgefährlich für Einsatzkräfte oder sinngleiche Behauptungen herabzusetzen, wenn nicht klargestellt wird, dass die von der Klägerin hergestellten persönlichen Schutzausrüstungen von einer zugelassenen Prüfstelle ordnungsgemäß geprüft wurden und den gesetzlichen Vorgaben entsprechen. Die Behauptungen der Beklagten seien haltlos. Die Klägerin verfüge über die vorgeschriebenen Baumusterbescheinigungen. Diese Bescheinigungen beruhten auf Gutachten, nach denen die Schutzkleidung sowohl nach fünf als auch nach zehn Wäschen bei 60 Grad C allen Anforderungen entspreche. Der Klägerin sei es gelungen, eine Schutzkleidung zu entwickeln, die brandbeständig und wasserdicht sei und gleichzeitig die Abgabe von Wasserdampf regle, der sich am Körper bildet.

Die Beklagten beantragen, den Sicherungsantrag abzuweisen. Der Zweitbeklagte habe einem Reporter der Zeitschrift "W*****" nur gesagt, dass die Schutzkleidung der Klägerin gewisse Mängel aufweise und dass das Nichterfüllen bestmöglicher Normanforderungen - insbesondere nach mehrmaligem Waschen - die Feuerwehrleute unter Umständen in Lebensgefahr bringen könne. Die Materialien der Klägerin wiesen tatsächlich wesentliche Mängel auf. Nach den Untersuchungsberichten zertifizierter Prüfstellen verfehlten sie die für den Wärmedurchgang bei Flammeneinwirkung und bei Strahlungseinwirkung vorgeschriebenen Werte.

Das Erstgericht wies Haupt- und Eventualantrag ab. Die Klägerin habe die Schutzjacke und Schutzhose "F*****" zwar vom Österreichischen Textil-Forschungsinstitut prüfen lassen und die Eignung dieser Produkte im Sinne der maßgeblichen Normen auch bestätigt erhalten, die Beklagten hätten aber durch Vorlage von Untersuchungsberichten bescheinigt, dass diese Produkt bei Strahlungs- und Flammeneinwirkung die vorgeschriebenen Wärmedurchgangswerte nicht erreichten. Damit hätten die Beklagten die Wahrheit der von ihnen behaupteten Tatsachen bescheinigt.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 260.000 S übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Die beanstandete Äußerung gehe von einer Tatsache aus und bleibe, soweit sie eine Wertung enthalte, innerhalb der Grenzen zulässiger Kritik. Die Kritik der Qualität des von der Klägerin verwendeten Materials sei durch Gutachten belegt.

Der gegen diese Entscheidung gerichtete außerordentliche Revisionsrekurs der Beklagten ist zulässig, weil die angefochtene Entscheidung der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs widerspricht; der Revisionsrekurs ist auch berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Die Klägerin macht geltend, dass das Rekursgericht seiner Entscheidung Privatgutachten zugrunde lege, bei deren Erstellung der vorgeschriebene Prüfvorgang nicht eingehalten worden sei. Die Gutachten beträfen darüber hinaus ein Produkt, dem von einer zugelassenen Prüfstelle die Vereinbarkeit mit der PSA-Sicherheitsverordnung BGBl 1994/596 attestiert worden sei. Das Prüfergebnis könne den Vorwurf der Lebensgefährlichkeit auf keinen Fall rechtfertigen. Die Klägerin bekämpft die angefochtene Entscheidung auch als aktenwidrig.

Die Aktenwidrigkeit erblickt die Klägerin darin, dass das Rekursgericht die von der Beklagten vorgelegten Privatgutachten insoweit unrichtig wiedergebe, als der Anschein erweckt werde, die Gutachten seien nach Maßgabe des in Punkt 5.4 der ÖNorm EN 469 vorgesehenen Prüfvorgangs rechtskonform durchgeführt worden. Sie macht damit eine "Aktenwidrigkeit" geltend, die im (behaupteten) Widerspruch einer aus den Feststellungen zu ziehenden Schlussfolgerung zu den Beweisergebnissen bestehen soll. Eine Aktenwidrigkeit im Sinne des § 503 Z 3 ZPO liegt aber nur vor, wenn die Feststellungen auf einem bei der Darstellung der Beweisergebnisse unterlaufenen Irrtum beruhen, der aus den Prozessakten selbst erkennbar und behebbar ist (Kodek in Rechberger, ZPO**2 § 503 Rz 4 mwN).

Soweit die Klägerin geltend macht, dass bei Erstellung der Privatgutachten der vorgeschriebene Prüfvorgang nicht eingehalten worden sei, erhebt sie eine Tatsachenrüge, auf die im Revisionsrekursverfahren nicht eingegangen werden kann. Auch der weitere Einwand - gegen ein zugelassenes Produkt könne der Vorwurf der Lebensgefährlichkeit nicht erhoben werden, wenn er sich auf Privatgutachten stütze - ist in dieser Form nicht berechtigt, weil auch ein zugelassenes Produkt wahrheitsgemäßer Kritik unabhängig davon nicht entzogen ist, worauf diese Kritik sich stützt.

Dass die Kritik der Wahrheit entspricht, hat - soweit es sich um Tatsachenbehauptungen handelt - gemäß § 7 Abs 1 UWG der Beklagte zu beweisen: Zur Unterlassung ist verpflichtet, wer zu Zwecken des Wettbewerbs über das Unternehmen eines anderen, über die Person des Inhabers oder Leiters des Unternehmens, über die Waren oder Leistungen eines anderen Tatsachen behauptet oder verbreitet, die geeignet sind, den Betrieb des Unternehmens oder den Kredit des Inhabers zu schädigen, sofern die Tatsachen nicht erweislich wahr sind. Der Wahrheitsbeweis ist erbracht, wenn der Inhalt der Mitteilung im Wesentlichen bestätigt wird (Koppensteiner, Österreichisches und europäisches Wettbewerbsrecht3 § 26 Rz 7 mwN).

Die Beklagten haben bescheinigt, dass die in ihrem Auftrag untersuchten Erzeugnisse der Klägerin bestimmten Werten nicht entsprechen, die für Feuerwehrschutzbekleidung festgesetzt sind. Im beanstandeten Artikel wird der Zweitbeklagte aber nicht mit dem Hinweis auf die bei den Prüfungen ermittelten Werte zitiert, sondern mit der Aussage, das von der Klägerin verwendete Material nütze sich nach ein paar Mal Waschen derart ab, dass für die Einsatzkräfte Lebensgefahr bestehe.

Diese Behauptung ist - jedenfalls im Kern - eine überprüfbare Tatsachenbehauptung, weil sich sowohl die Abnützung durch Waschen als auch die damit verbundene Gefahr für das Leben der Feuerwehrleute objektiv überprüfen lassen. Ihre Wahrheit ist aber mit dem Nachweis, dass die untersuchten Kleidungsstücke in den maßgebenden Normen festgesetzte Wärmedurchgangswerte nicht (vollständig) erreichen, nicht bescheinigt. Die beanstandete Behauptung lässt nämlich glauben, dass die Klägerin ein Material verwende, das völlig ungeeignet sei und die vorgeschriebenen Werte gänzlich verfehle.

Ob der Eindruck entsteht, dass Abnützen durch Waschen und Lebensgefährlichkeit "unwiderleglich bewiesen" seien, kann offen bleiben, weil es entgegen der Auffassung des Rekursgerichts darauf nicht ankommt. Der Kredit der Klägerin wird bereits dadurch geschädigt, dass der Leser dem Artikel die vernichtende Kritik eines Mitbewerbers entnimmt. Diese Kritik ist angesichts der bescheinigten Normabweichungen weit überzogen und kann daher auch nicht mit der besonderen Bedeutung gerechtfertigt werden, die den Eigenschaften des für Schutzbekleidung verwendeten Materials für die Sicherheit der Feuerwehrleute zukommt.

Mangels Bescheinigung der Wahrheit der beanstandeten Behauptung ist der Unterlassungsanspruch nach § 7 Abs 1 UWG begründet; soweit die Behauptung der Lebensgefährlichkeit die Produkte der Klägerin pauschal herabsetzt, liegt auch ein Verstoß gegen § 1 UWG vor (zur sittenwidrigen Pauschalabwertung s SZ 62/20 = MR 1989, 61 = WBl 1989, 172 - Ideenfabrik uva).

Dem Revisionsrekurs war Folge zu geben und das Unterlassungsgebot im Sinne des Hauptantrags zu erlassen. Im Spruch war zu verdeutlichen, dass - wie nach dem Vorbringen zum Sicherungsantrag auch angestrebt - sich das Unterlassungsgebot gegen Äußerungen im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs richtet. Auf den Eventualantrag ist nicht mehr einzugehen.

Die Entscheidung über die Kosten der Klägerin beruht auf § 393 Abs 1 EO; jene über die Kosten der Beklagten auf §§ 78, 402 Abs 4 EO.