JudikaturJustiz4Ob195/97y

4Ob195/97y – OGH Entscheidung

Entscheidung
09. September 1997

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Huber als Vorsitzenden, durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr.Kodek, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr.Griß und Dr.Schenk sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr.Sailer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S***** Gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Prettenhofer Jandl Partnerschaft, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei S***** Gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Schönherr Barfuss Torggler Partner, Rechtsanwälte in Wien, wegen Unterlassung, Urteilsveröffentlichung, Rechnungslegung und Zahlung nach dem UWG (Streitwert im Provisorialverfahren S 600.000,--), infolge Revisionsrekurses beider Parteien gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgericht vom 5.Mai 1997, GZ 5 R 181/96s, 5 R 182/96p-26, mit dem der Beschluß des Handelsgerichtes Wien vom 6.Juli 1996, GZ 15 Cg 46/96y-18, teilweise abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs der Beklagten wird nicht Folge gegeben.

Dem Revisionsrekurs der Klägerin wird dagegen Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß die Entscheidung, einschließlich des bestätigten Teiles wie folgt zu lauten hat:

"Einstweilige Verfügung

Zur Sicherung des Anspruches der Klägerin gegen die Beklagte auf Unterlassung wettbewerbswidriger Handlungen wird der Beklagten bis zur Rechtskraft des über die Klage ergehenden Urteiles ab sofort verboten,

a) das Präparat R***** ohne Vorliegen einer im Inland gültigen Zulassung nach dem AMG oder einer Einfuhrgenehmigung nach dem ArzneiwareneinfuhrG abzugeben oder zur Abgabe bereit zu halten sowie

b) für das Präparat R***** ohne Vorliegen einer im Inland gültigen Zulassung Werbung zu treiben.

Die Klägerin hat ihre Kosten vorläufig selbst zu tragen; die Beklagte hat die Kosten ihrer Äußerungen endgültig selbst zu tragen."

Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsmittelverfahrens vorläufig selbst zu tragen; die Beklagte hat die Kosten des Rechtsmittelverfahrens endgültig selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Die Klägerin gehört dem weltweit tätigen Pharmakonzern Sch***** an; die Muttergesellschaft Sch***** AG hat ihren Sitz in B*****. Eine Tochtergesellschaft der Sch***** AG begann vor mehr als 10 Jahren in den USA mit der Entwicklung eines gentechnologisch hergestellten Interferons beta-1b für die Behandlung der Multiplen Sklerose (idF MS). 1993 wurde Be***** als weltweit erstes Interferon-Präparat zur Therapie der schubhaft verlaufenden MS in den USA zugelassen. Seit 1995 ist dieses Arzneimittel in der EU unter der Bezeichnung B***** für die Behandlung der schubhaft verlaufenden MS zugelassen. In der Zusammenfassung der Charakteristika des Produktes (SPC) findet sich der Vorbehalt der European Medicinal Evaluation Agency (EMEA), daß es beim gegenwärtigen Stand der Wissenschaft nicht möglich sei, vollständige Auskünfte über Qualität, Unbedenklichkeit und Wirksamkeit des Produktes zu erhalten.

Die Beklagte ist Arzneimittel-Depositeur. Sie vertreibt die in der A*****-S*****-Gruppe hergestellten Arzneispezialitäten, darunter unter der Bezeichnung R***** (früher S*****) ein gentechnologisch hergestelltes Interferon, das seit Jahren in der MS-Therapie eingesetzt wird. R***** ist in Argentinien für die Indikation MS zugelassen; in Italien ist R***** zwar zugelassen, die Zulassung schließt aber die Indikation MS nicht ein und erstreckt sich nur auf die Darreichungsformen 3 MIU (millions in unit), 1 MIU und 600.000 IU. Die Beklagte hat R***** in Österreich auch in den Darreichungsformen 6 MIU und 8 MIU in Verkehr gebracht. Im deutschsprachigen Beipackzettel ist für die Indikation MS keine Dosierung angegeben; im R*****-Informationsblatt heißt es vielmehr:

"Eine Dosierungsempfehlung für ein optimales Dosierungsschema zur Behandlung der Multiplen Sklerose gibt es nicht. Jedoch werden zur Zeit von A***** S***** klinische Studien mit verschiedenen Dosierungsschemata, und zwar zwischen 3 Millionen und 12 Millionen Einheiten 1 - 3 x wöchentlich als subkutane Injektion, durchgeführt. Diese Schemata stehen allerdings noch in Erprobung."

Am 29.11.1994 beantragte die Beklagte, ihr die Einfuhr von 100 Packungen R***** 8 MIU a 5 Ampullen zu bewilligen. Das Bundesministerium für Gesundheit, Sport und Konsumentenschutz (idF BMG) bewilligte den Antrag. Die Arzneimittel waren für die oö Landesnervenklinik Wagner-Jauregg bestimmt. Bis Herbst 1994 hatte die Beklagte R***** nur in Einheiten von 3 MIU aus dem S*****-Werk in M***** in Italien importiert; pro Patient wurden nicht mehr als drei Packungen importiert. Insgesamt wurden etwa 180 Patienten mit R***** versorgt. Im Herbst 1994 wurde aufgrund einer Studie von Lawrence D. Jacobs bekannt, daß es für Beta-Interferon 1a günstiger sei, statt mehrmals in der Woche 3 MIU, nur einmal in der Woche 6 MIU zu verabreichen. Die Beklagte schlug Ärzten mit Brief vom 25.10.1994 diese Dosierung vor. Bis zum Frühjahr 1995 hat die Beklagte R***** in der Dosierung 8 MIU importiert. Sämtliche Importe erfolgten aus M*****.

Seit Mitte der Achtzigerjahre gibt es sowohl für B***** als auch für R***** dokumentierte Studien. B***** wird aus Darmbakterien gewonnen, die kein menschliches, sondern nur bakterielles Protein erzeugen können. Aus diesem Grund kommt es zur Bildung von Antikörpern, die bei etwa 40 % der Patienten schon nach kurzer Zeit zu einem Wirkverlust führen. Bei etwa 5 % bilden sich an der Einstichstelle Nekrosen. Bei weniger als der Hälfte der Patienten wurde das Medikament aus diesem Grund abgesetzt; bei den anderen konnte durch Nachschulung bei der Verabreichung oder durch Änderung der Injektionsstelle eine Besserung erzielt werden. R***** wird nach der S*****-Methode aus Säugerzellen hergestellt.

Am 11.12.1995 schrieb der Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger der Österreichischen Gesellschaft für Neurologie und Psychiatrie, Sektion Neurologie, und den mit MS-Behandlung befaßten Kliniken wie folgt:

"Die Kommission der europäischen Gemeinschaften hat für das Arzneimittel 'B***** - Interferon beta-1b' eine Zulassung erteilt. Wie uns die Firma Sch***** mitteilt, wird die Arzneispezialität mit Ende Jänner 1996 auch in Österreich in öffentlichen Apotheken verfügbar sein. Die europäische Arzneimittelagentur (EMEA) hat das Inverkehrbringen befürwortet, jedoch mit dem Vorbehalt, daß es beim gegenwärtigen Stand der Wissenschaft nicht möglich ist, vollständige Auskünfte über Qualität, Unbedenklichkeit und Wirksamkeit des Produktes zu erhalten. Die Bedingungen werden jährlich von der Agentur neu beurteilt; weitere Daten sind vorzulegen.

Der amtliche Höchstpreis für 3x5 Trockenstechampullen 'B***** - Interferon beta-1b' 8 MIU IE mit Lösungsmittel wurde festgesetzt mit:

Depotabgabepreis S 11.621,25

Apothekeneinstandspreis S 12.071,25

Kassenverkaufspreis S 13.580,--.

...

Da nunmehr mit 'B***** - Interferon beta-1b' in Österreich eine zugelassene Arzneispezialität mit dem Wirkstoff Interferon b zur Verfügung steht, werden die Kosten für andere in Österreich nicht zugelassene Beta-Interferons vom Krankenversicherungsträger grundsätzlich nicht übernommen. Wir halten in diesem Zusammenhang ausdrücklich fest, daß die Behandlung mit einem nicht in Österreich zugelassenen Präparat ausschließlich in die Verantwortung des verschreibenden Arztes fällt."

Am 11.1.1996 richtete die Beklagte an dieselben Adressaten ein Schreiben, das wie folgt lautete:

"Betreff: R***** Interferon beta-1a

Aus gegebenem Anlaß übermitteln wir Ihnen im Sinne einer Klarstellung nachstehende Zeilen:

Die Würde des Menschen soll unantastbar sein - das gilt für den Arzt ebenso wie für den Patienten - gleichermaßen ob ein Präparat registriert ist oder nicht.

Die Wirkung und die sichere Anwendung für den verschreibenden Arzt sowie die Verträglichkeit für den Patienten und dessen gesundheitliches Wohlbefinden und seine Wiedereingliederung in den gesellschaftlichen Prozeß sind ausschlaggebend - sonst nichts und der gute Wille aller Beteiligten:

Unser Beitrag zu einem besseren Kostenbewußtsein, wie uns der Verstand und der Regierungswille aufträgt, sind Therapiekosten pro Monat von

R***** Interferon beta-1a öS 7.920,-- (DAP)

Wir - S***** - sind mit unserem Produkt R***** Interferon beta-1a also für den Kostenträger um 47 % günstiger als ein nicht aus unserem Haus stammendes Produkt ähnlichen Namens, von dem wir uns aus mannigfachen therapeutischen, medizinischen, wissenschaftlichen sowie wirtschaftlichen Gründen deutlich abheben.

R***** Interferon beta-1a wird mit 6 MIU bei einer Dosierung 1 x wöchentlich in der Behandlung der multiplen Sklerose bei schubförmigem Verlauf angewendet.

Ihnen ist es ja sicher klar, wir wollen es nur ins Gedächtnis rufen, daß jede Verschreibung in den alleinigen Verantwortungsbereich des verschreibenden Arztes fällt. Das Haftungsrisiko bei nicht registrierten Präparaten trägt jedoch im wesentlichen der Hersteller dieser Substanz (Produkthaftpflichtgesetz).

Wir danken Ihnen für Ihr bisheriges Vertrauen und wollen auch für die Zukunft mit dieser Klarstellung zu Ihrer weiteren Therapieentscheidung beitragen."

Die Beklagte schaltete in medizinischen Fachzeitschriften Inserate mit folgendem Text ein:

"Das Lachen kann auch bei MS zurückkommen.

Multiple Sklerose ist grausam. Und bisher waren die Chancen einer Behandlung sehr gering.

Neueste Forschungsergebnisse, die auch mit wissenschaftlich anerkannten Parametern nachweisbar sind, geben MS-Patienten die Hoffnung zurück.

In Österreich sind ca. 8.000 Menschen von Multipler Sklerose betroffen. Davon sind die Mehrzahl Frauen und meistens trifft es Personen im berufstätigen Alter.

S*****, ein führendes Schweizer Unternehmen der Gentechnologie, hat sich auf die Forschung und Entwicklung hochspezialisierter Arzneimittel konzentriert. Damit deckt S***** auch im Bereich der Multiplen Sklerose eine wirkliche Nische in der praxisorientierten Umsetzung medizinischen Fortschritts ab.

Die meisten Pharmaunternehmen forschen vorrangig in den Massenmärkten häufig auftretender Krankheiten. S***** hat sich auf die Forschung und Entwicklung von Nischenpräparaten spezialisiert, was mit einem größeren wirtschaftlichen Risiko verbunden ist.

Rund 22 % des wirtschaftlichen Ertrages fließen bei S***** in die Forschung und Entwicklung zurück. Damit wurden die Präparate im Laufe der letzten Jahre ständig optimiert. Weltweit arbeitet S***** am umfassendsten Forschungsprogramm zur Multiplen Sklerose.

Kontinuierliche, aufwendige und kostenintensive Forschungsprojekte werden nach langen Tests, in Form neuer Präparate an die Erkrankten weitergegeben, bei denen die Besserung ihrer Multiplen Sklerose der größte Lebenswunsch ist.

In der Entwicklung und Forschung ist die Reinheit der Substanz ein wesentliches Ziel. Durch die neueste gentechnische Gewinnung der Wirkstoffe sind die Präparate auf die aktiven Inhaltsstoffe reduziert, und unerwünschte Nebenwirkungen können deutlich vermindert werden.

S***** arbeitet ständig an der Optimierung: Ob die Reinheit der Substanz, ihre Wirksamkeit oder die Reduktion von Nebenwirkungen, das Ziel in der MS-Therapie ist der frühestmögliche Krankheitsstillstand und die größtmögliche therapeutische Wirkung.

Mit modernster Gentechnologie kann man Menschen mit Multipler Sklerose die Hoffnung zurückgeben. Und wir sind stolz darauf, in Kooperation mit den Ärzten, unseren Beitrag zu leisten. Besonders, wenn man als Belohnung wieder ein Lächeln bei MS-Patienten sieht.

S*****

Wir forschen an der Zukunft"

Die Klägerin begehrt zur Sicherung ihres inhaltsgleichen Unterlassungsanspruches, der Beklagten mit einstweiliger Verfügung zu untersagen,

a) das Präparat R***** ohne Vorliegen einer im Inland gültigen Zulassung nach dem AMG oder einer Einfuhrgenehmigung nach dem Arzneiwareneinfuhrgesetz abzugeben oder zur Abgabe bereit zu halten sowie

b) für das Präparat R***** ohne Vorliegen einer im Inland gültigen Zulassung Werbung zu treiben.

R***** werde derzeit in einem Teil der 27 neurologischen Abteilungen an etwa 140 Patienten angewandt. Bis zur Zulassung von B***** hätte R***** nur im Wege von Klinikanforderungen gemäß § 12 Abs 1 Z 2 AMG iVm § 2 Abs 3 Z 3 ArzneiwareneinfuhrG eingeführt werden können; seit der Zulassung von B***** hätte eine Klinikanforderung nicht mehr bewilligt werden dürfen, weil ein Behandlungserfolg mit dem zugelassenen B***** zweifelsfrei erzielbar sei. Es sei seither auch kein entsprechender Antrag mehr gestellt worden. Dennoch gebe die Beklagte R***** in Österreich in nicht unbeträchtlicher Menge ab und halte es zur Abgabe bereit. Es sei anzunehmen, daß die Beklagte in Österreich über ein Lager an R***** verfüge. Nach den eigenen Angaben der Beklagten führe sie jährlich 720 Packungen ein; dies spreche gegen Einzeleinfuhren. R***** sei jedoch weder zugelassen noch sei eine Chargenfreigabe gemäß § 26 Abs 1 Z 1 AMG nachgewiesen worden. R***** unterliege der Chargenfreigabe, weil es auch Humanalbumin enthalte, welches aus menschlichem Plasma gewonnen werde. Durch die gesetzwidrige Abgabe verschaffe sich die Beklagte einen sittenwidrigen Vorsprung gegenüber gesetzestreuen Mitbewerbern. Die Beklagte werbe in Rundschreiben und Anzeigen für R*****. Die Werbung verstoße gegen § 50 Abs 1 Z 1 AMG, wonach nur für zugelassene Arzneispezialitäten geworben werden dürfe.

Die Beklagte beantragt, den Sicherungsantrag abzuweisen.

Sie verfüge über "abgeschlossene eigene klinische Prüfungen", welche die Eignung von R***** für die MS-Therapie bestätigten. Die Einreichung von R***** bei der europäischen Agentur unter Anschluß der klinischen und nicht klinischen Daten sei bereits in die Wege geleitet worden. R***** dürfe gemäß § 5 Abs 1 Z 8 ArzneiwareneinfuhrG in Österreich eingeführt werden. Der Import gehe so vor sich, daß ein Arzt einem Patienten R***** verschreibe. Der Patient lege das Rezept (nach der Bewilligung durch die Krankenkasse) in der Apotheke vor. Die Apotheke bestelle R***** unter Anschluß des Rezeptes in Italien; dort sei R***** zugelassen. R***** werde immer auf der Grundlage eines Rezeptes und in einer dem üblichen persönlichen Bedarf des Empfängers entsprechenden Menge bestellt. In den Rezepten werde ausdrücklich darauf hingewiesen, daß der Behandlungserfolg mit einem im Inland erhältlichen Arzneimittel voraussichtlich nicht erzielt werden könne (§ 12 Abs 1 Z 2 AMG). R***** werde somit in Österreich ausschließlich unter Einhaltung sämtlicher Bedingungen des § 5 ArzneiwareneinfuhrG und somit zulässigerweise abgegeben. Der Import werde immer dann durchgeführt, wenn mehrere Rezepte zusammengekommen seien. Für welche Indikation das Arzneimittel im Ausland zugelassen sei, sei nach § 5 Abs 1 Z 8 ArzneiwareneinfuhrG unerheblich. Es genüge, daß das Arzneimittel im Ausland in Verkehr gebracht werden dürfe. Die Darreichungsform 8 MIU sei 1995 ausschließlich aufgrund einer Einfuhrbewilligung gemäß § 2 Abs 3 Z 3 lit b ArzneiwareneinfuhrG in Österreich abgegeben worden. Mit dieser Darreichungsform, die nicht zur Registrierung in Italien vorgesehen sei, seien Lieferschwierigkeiten des italienischen Erzeugerwerkes überbrückt worden. Die Beklagte habe nicht für R***** geworben. Ihr Schreiben vom 11.1.1996 an die MS-Zentren sei eine berechtigte Reaktion auf das Schreiben des Hauptverbandes vom 11.12.1995 gewesen. Die Inserate seien eine internationale Imagekampagne des S*****-Konzerns. Auf ein bestimmtes Präparat werde darin nicht hingewiesen.

Das Erstgericht verbot der Beklagten, das Präparat R***** ohne Vorliegen einer im Inland gültigen Zulassung nach dem AMG oder einer Einfuhrgenehmigung nach dem Arzneiwareneinfuhrgesetz abzugeben oder zur Abgabe bereit zu halten, es sei denn, es handle sich um den Import von in einem EG-Land (insbesondere Italien) zum Verkauf zugelassenen Arzneimitteln auf Basis des § 5 Abs 1 Z 8 Arzneiwareneinfuhrgesetz. Das Mehrbegehren wies das Erstgericht ab.

Nach § 5 Abs 1 Z 8 ArzneiwareneinfuhrG sei ein, wenn auch vielfacher Einzelimport zulässig. Dies gelte aber nur für die in einem anderen EG-Staat zugelassenen Dosierungen. Sinn der Richtlinie 92/26/EWG könne nur sein, daß in den verschiedenen Staaten der Gemeinschaft ein Staat die Zulassungen durch einen anderen Staat auch für seinen Bereich gelten lasse. Die dem zugrunde liegende genaue Prüfung der konkreten Dosierung sage über die Anwendbarkeit anderer Dosierungen nichts aus. Die Beklagte habe R***** in der in Italien nicht zugelassenen Dosierung 8 MIU eingeführt und damit wettbewerbswidrig gehandelt. Der Beklagten sei die Abgabe und das Bereithalten von R***** nur insoweit zu untersagen, als nicht ein Import des Arzneimittels im Sinne des § 5 Abs 1 Z 8 ArzneiwareneinfuhrG zulässig sei. Das Begehren auf Verbot der Werbung für R***** sei abzuweisen, weil die Beklagte, soweit sie das Medikament nach Österreich bringen könne, auch dafür werben dürfe.

Das Rekursgericht änderte die Entscheidung des Erstgerichtes dahin ab, daß es der Beklagten auch verbot, für das Präparat R***** ohne Vorliegen einer gültigen Zulassung für die Indikation Multiple Sklerose für diese Indikation Werbung zu machen. Das Verbot der Abgabe und des Bereithaltens zur Abgabe bestätigte das Rekursgericht. Den Antrag der Klägerin im Rekurs, der Beklagten auch die Werbung durch die Behauptung, daß die Beklagte als führendes Schweizer Unternehmen der Gentechnologie, das sich auf die Forschung und Entwicklung hoch spezialisierter Arzneimittel konzentriert habe, womit sie auch im Bereich der MS eine wirkliche Nische in der praxisorientierten Umsetzung medizinischen Fortschrittes abdecke, zu untersagen, wies das Rekursgericht zurück. Es sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes jeweils S 50.000,-- übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei.

Anders als bei anderen Wirtschaftsgütern sei der freie Wirtschaftsverkehr für Arzneimittel in der EU noch nicht realisiert.

§ 2 Abs 3 Z 3 ArzneiwareneinfuhrG widerspreche daher nicht dem Gemeinschaftsrecht. Die Mitgliedstaaten könnten die angestrebte Schutzintensität innerhalb des vertragsrechtlichen Rahmens festlegen. Durch die Novelle zum Arzneiwareneinfuhrgesetz BGBl 1993/97 sei die Medikamenteneinfuhr so weit liberalisiert worden, als einer im Inland ansässigen Person ermöglicht werde, sich aus einem anderen EWR-Mitgliedstaat eine angemessene (dem üblichen persönlichen Bedarf entsprechende) Menge von Arzneimitteln schicken zu lassen, ohne hiefür eine Einfuhrbewilligung zu benötigen. Die Einfuhr des in Italien zugelassenen Arzneimittels R***** sei nur in dem Rahmen zulässig, den § 5 Abs 1 Z 8 ArzneiwareneinfuhrG festlege. Daß R***** in Italien nur für bestimmte Indikationen zugelassen sei, stehe der Einfuhr nicht entgegen, weil das Medikament nur aufgrund eines von einem zur selbständigen Berufsausübung berechtigten Arzt ausgestellten Rezeptes eingeführt werden dürfe (§ 12 Abs 1 Z 2 AMG).

Ohne gültige Zulassung dürfe für R***** in Österreich nicht geworben werden. R***** dürfe nur im Rahmen der Ausnahmebestimmung des § 5 Abs 1 Z 8 ArzneiwareneinfuhrG importiert werden und sei überdies in Italien gar nicht zur Behandlung von MS zugelassen. R***** werde in den Inseraten zwar nicht namentlich erwähnt; es werde aber erkennbar für dieses Arzneimittel geworben und keine bloße Imagewerbung betrieben. Soweit der Rekursantrag über den Sicherungsantrag hinausgehe, sei das Rechtsmittel zurückzuweisen.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen den abweisenden Teil dieser Entscheidung gerichtete Revisionsrekurs der Klägerin ist berechtigt; der gegen den stattgebenden Teil der Entscheidung gerichtete Revisionsrekurs der Beklagten ist nicht berechtigt.

Die Klägerin ist der Auffassung, daß § 5 Abs 1 Z 8 ArzneiwareneinfuhrG nicht anwendbar sei, weil R***** in Italien nicht für MS zugelassen sei und weil der Import in größerem Rahmen erfolge. Die Frage der Vitalindikation spiele bei der Anwendung dieser Bestimmung keine Rolle. Ein ärztliches Gutachten ersetze ausnahmsweise das Zulassungserfordernis; dies sei für im Inland hergestellte Arzneimittel in § 12 Abs 1 Z 2 AMG und für im Ausland hergestellte Arzneimittel in § 5 Abs 1 Z 3 ArzneiwareneinfuhrG geregelt. § 5 Abs 1 Z 3 ArzneiwareneinfuhrG komme nicht zum Tragen, weil mit B***** seit 30.11.1995 und mit A***** der B***** F***** S.A. seit 15.3.1997 im Inland zugelassene Arzneimittel für die Behandlung von MS mit schubhaftem Verlauf zur Verfügung stünden.

Die Beklagte macht geltend, daß die Bindung der Arzneimitteleinfuhr an eine Einfuhrbewilligung im vorliegenden Fall als unzulässige Maßnahme gleicher Wirkung gegen Art 30/36 EGV verstoße. Es werde zwischen einheimischen und eingeführten Erzeugnissen differenziert. Maßnahmen, die nur Importe treffen, seien wegen ihrer unmittelbar diskriminierenden Wirkung ohne weiteres verboten. Während nicht zugelassene einheimische Arzneimittel nach § 12 Abs 1 Z 2 AMG schon bei einer schweren gesundheitlichen Schädigung eingesetzt werden dürften, schränke § 5 Abs 1 Z 3 ArzneiwareneinfuhrG auf "einen lebensbedrohenden Erkrankungsfall" ein. Werde ein Präparat "nur" zur Abwehr einer schweren gesundheitlichen Schädigung dringend benötigt, wie dies auf R***** zutreffe, oder werde es überhaupt zur ärztlichen Behandlung benötigt, so sei gemäß § 2 Abs 3 lit b ArzneiwareneinfuhrG eine Einfuhrbewilligung notwendig. Dies sei eine willkürliche Diskriminierung. Die unterschiedliche Ampullengröße könne niemals eine taugliche Begründung für eine im Interesse des Gesundheitsschutzes nach Art 36 EGV notwendige Einfuhrbeschränkungsmaßnahme sein. Bei Importen aufgrund von individuellen Verschreibungen könne von einer Einfuhr "in großem Rahmen" nicht gesprochen werden. Arzneimittelwerbung im Sinne des § 50 Abs 1 AMG liege nur vor, wenn für bestimmte, mit ihrer Bezeichnung benannte Arzneimittel geworben werde. Strafvorschriften könnten im übrigen weder analog angewendet noch erweiternd ausgelegt werden.

Gemäß § 2 Abs 1 ArzneiwareneinfuhrG ist, soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt, die Einfuhr von Arzneiwaren nur zulässig, wenn dafür eine Einfuhrbewilligung erteilt wurde. Keine Einfuhrbewilligung ist (ua) erforderlich für Arzneispezialitäten zur Anwendung am Menschen, die in einer dem üblichen persönlichen Bedarf des Empfängers entsprechenden Menge von einer Vertragspartei des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR-Abkommen) bezogen werden, dort in Verkehr gebracht werden dürfen und dort der Rezeptpflicht unterliegen (§ 5 Abs 1 Z 8 ArzneiwareneinfuhrG).

Die geltende Fassung des § 5 ArzneiwareneinfuhrG geht auf die Anpassungen zurück, die wegen des Inkrafttretens des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum vorgenommen wurden (BGBl 1993/97):

"Im Zuge dessen kann - abweichend zu den für andere Wirtschaftsgüter geltenden Regelungen - eine völlige Liberalisierung des Warenverkehrs für Arzneimittel noch nicht verwirklicht werden. 'Freier Warenverkehr' für Arzneimittel ist selbst im Bereich der Europäischen Gemeinschaft nicht realisiert, scheitert vielmehr noch an den durch die Produktzulassung für Arzneispezialitäten gezogenen Grenzen. Bis heute beläßt nämlich die Gemeinschaft die endgültige Entscheidung über die Verkehrsfähigkeit von Arzneimitteln - auch in jenen Fällen, in denen die Zulassung nach den Gemeinschafts-(Mehrstaaten- und Konzertierungs-)verfahren beantragt wird - den nationalen Zulassungsbehörden. Um deren Entscheidungsbefugnis hinsichtlich Qualität, Unbedenklichkeit und Wirksamkeit von Arzneispezialitäten nicht zu unterlaufen, müssen jene Beschränkungen im Warenverkehr für Arzneimittel aufrechterhalten werden, die sich in zwingender Weise aus den Produkteigenschaften der 'Ware' Arzneimittel ergeben.

Unter Bedachtnahme auf diese grundsätzlichen Forderungen der Arzneimittelsicherheit und zur Verhinderung der Umgehung der Zulassungsvorschriften ist die Einfuhr zulassungspflichtiger Arzneimittel in großem Rahmen wie bisher weitgehend der Kontrolle eines Einfuhrbewilligungsverfahrens zu unterwerfen. Demgegenüber wurde hinsichtlich des grenzüberschreitenden Bezugs kleinerer Mengen von Arzneimitteln die Medikamenteneinfuhr insoweit liberalisiert, als einer im Inland ansässigen Person - entsprechend der in der Begründung zu der Richtlinie 92/26/EWG festgeschriebenen Forderung - ermöglicht wird, sich aus einem anderen EWR-Mitgliedstaat eine angemessene (dem üblichen persönlichen Bedarf entsprechende) Menge von Arzneimitteln schicken zu lassen, ohne hierfür eine Einfuhrbewilligung zu benötigen..." (759 BlgNR 18. GP 5).

Im Bericht des Gesundheitsausschusses wird dazu ausgeführt, daß die Einfuhr zulassungspflichtiger Arzneimittel in großem Rahmen wie bisher weitgehend der Kontrolle eines Einfuhrverfahrens unterworfen bleiben soll; die Möglichkeit der Einfuhr einer dem üblichen persönlichen Bedarf entsprechenden Menge von Arzneimitteln ohne Einfuhrbewilligung solle jedoch nur für den konkreten Einzelfall vorgesehen werden (864 BlgNR 18. GP 1).

In der Begründung der Richtlinie 92/26/EWG des Rates vom 31.3.1992 zur Einstufung bei der Abgabe von Humanarzneimitteln wird darauf hingewiesen, daß jede Person, die sich innerhalb der Gemeinschaft bewegt, eine angemessene Menge von Arzneimitteln mit sich führen darf, die sie rechtmäßig für ihren eigenen Bedarf erworben hat. Daher müsse es auch für eine Person, die in einem Mitgliedstaat ansässig ist, möglich sein, sich aus einem anderen Mitgliedstaat eine angemessene Menge von Arzneimitteln für ihren persönlichen Bedarf zuschicken zu lassen.

Diesem Erwägungsgrund der Richtlinie trägt § 5 Abs 1 Z 8 ArzneiwareneinfuhrG Rechnung, indem die Einfuhr einer dem üblichen persönlichen Bedarf entsprechenden Menge nur davon abhängig gemacht wird, daß die Arzneispezialität im Herkunftsland in Verkehr gebracht werden darf. Ob ein Arzneimittel in Verkehr gebracht werden darf, richtet sich nach den jeweiligen nationalen Bestimmungen. In erster Linie wird die Zulassung für die Arzneispezialität im Herkunftsland erforderlich sein (Jentzsch/Michtner, Pharma- zeutische Vorschriften, II/1 Anm 16 zu § 5 Arzneiwaren- einfuhrG). Daß die Bestimmung für zugelassene Arzneimittel gilt, zeigt sich schon darin, daß der Import nicht zugelassener Arzneiwaren gesondert geregelt ist und von weiteren Voraussetzungen abhängig gemacht wird (§ 5 Abs 1 Z 3 ArzneiwareneinfuhrG).

Die Beklagte importiert R***** aus Italien. Dort ist die Arzneispezialität zwar zugelassen, jedoch nicht für die Indikation MS und auch nicht für die von der Beklagten ebenfalls importierten Dosierungen 6 und 8 MIU. R***** darf daher in Italien weder für die Indikation MS noch in den Darreichungsformen 6 und 8 MIU in Verkehr gebracht werden. Damit fehlt die Grundlage für die Anwendung des § 5 Abs 1 Z 8 ArzneiwareneinfuhrG: Nur wenn das Arzneimittel so eingesetzt wird, wie es im Herkunftsland in Verkehr gebracht werden darf, kann es gerechtfertigt sein, auf weitere Voraussetzungen für den Entfall der Einfuhrbewilligung zu verzichten. Damit werden, im eingeschränkten Umfang des üblichen persönlichen Bedarfs, die Arzneimittel innerhalb der Gemeinschaft gleichgestellt. Würde die Beschränkung der Zulassung auf bestimmte Indikationen und für bestimmte Darreichungsformen außer acht gelassen, so käme es zu einer Besserstellung des Arzneimittels im Importland gegenüber dem Herkunftsland, die weder nach den Erwägungsgründen der zitierten Richtlinie noch nach den Gesetzesmaterialien zum Arzneiwareneinfuhrgesetz beabsichtigt und für die auch keine sonstige Rechtfertigung erkennbar ist.

Eine Einfuhr von R***** gemäß § 5 Abs 1 Z 8 ArzneiwareneinfuhrG scheitert demnach schon an der fehlenden Zulassung für MS und für die Dosierungen 6 und 8 MIU. Bei dieser Sachlage kommt es nicht mehr darauf an, ob eine Einfuhr für 180 Patienten bereits eine Einfuhr "in großem Rahmen" ist, die wie bisher weitgehend der Kontrolle eines Einfuhrverfahrens unterworfen bleiben soll (AB 864 BlgNR 18. GP 1).

Die Beklagte hat sich auch auf § 12 Abs 1 Z 2 AMG berufen. Nach dieser Bestimmung bedürfen Arzneispezialitäten keiner Zulassung, wenn ein zur selbständigen Berufsausübung im Inland berechtigter Arzt oder Tierarzt bescheinigt, daß die Arzneispezialität zur Abwehr einer Lebensbedrohung oder schweren gesundheitlichen Schädigung dringend benötigt wird und dieser Erfolg mit einer zugelassenen und verfügbaren Arzneispezialität nicht erzielt werden kann. § 12 Abs 1 Z 2 AMG bestimmt, unter welchen Voraussetzungen eine nicht zugelassene Arzneispezialität in Verkehr gebracht werden kann; die Einfuhr nicht zugelassener Arzneimittel regelt das Arzneiwareneinfuhrgesetz.

Gemäß § 5 Abs 1 Z 3 ArzneiwareneinfuhrG können Arzneiwaren, für die eine ärztliche Bescheinigung beigebracht wird, daß sie für einen lebensbedrohenden Erkrankungsfall benötigt werden und der Behandlungserfolg mit einem im Inland zugelassenen und im Handel erhältlichen Arzneimittel voraussichtlich nicht erzielt werden kann, ohne Einfuhrbewilligung importiert werden. In den Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage (31 BlgNR 12. GP 3 f) wird darauf hingewiesen, daß bei einer lebensbedrohenden Erkrankung die Einholung einer Unbedenklichkeitsbescheinigung aus Zeitgründen praktisch nicht vertretbar sei. Durch die Bestimmung werde die Möglichkeit eröffnet, in einem solchen Fall ein ausländisches Arzneimittel ohne jeden Verzug zu beschaffen.

Während somit im Inland hergestellte Arzneispezialitäten allein aufgrund der Verschreibung eines Arztes und seiner Bescheinigung, daß die Arzneispezialität zur Abwehr einer Lebensbedrohung oder schweren gesundheitlichen Schädigung dringend benötigt wird und dieser Erfolg mit einer zugelassenen und verfügbaren Arzneispezialität nicht erzielt werden kann, in Verkehr gebracht werden dürfen, können im Ausland hergestellte, nicht zugelassene Arzneimittel nur dann ohne Einfuhrbewilligung eingeführt werden, wenn sie für einen lebensbedrohenden Erkrankungsfall benötigt werden.

Die Beklagte erblickt in dieser Differenzierung eine unzulässige Diskriminierung ausländischer Arzneimittel, die als Maßnahme gleicher Wirkung gegen Art 30/36 EGV verstoße. Ihre Ausführungen überzeugen nicht:

Der "freie Warenverkehr" für Arzneimittel ist bisher nicht realisiert. Die endgültige Entscheidung über die Verkehrsfähigkeit von Arzneimitteln liegt bei den nationalen Zulassungsbehörden. Nach den Erwägungsgründen der Richtlinie 92/26/EWG des Rates vom 31.März 1992 zur Einstufung bei der Abgabe von Humanarzneimitteln müssen zunächst die grundlegenden Prinzipien harmonisiert werden, die für die Einstufung bei der Abgabe von Arzneimitteln in der Gemeinschaft oder in dem betreffenden Mitgliedstaat anwendbar sind.

Es besteht keine Gemeinschaftsregelung für das Inverkehrbringen nicht zugelassener Arzneimittel. Die Mitgliedstaaten sind beim gegenwärtigen Stand der Harmonisierung in Ermangelung eines Verfahrens der Gemeinschaftszulassung oder der gegenseitigen Anerkennung der nationalen Zulassungen (sogar) berechtigt, das Inverkehrbringen von in einem anderen Mitgliedstaat hergestellten Arzneimitteln, die nicht von den eigenen zuständigen nationalen Behörden zugelassen sind, in ihrem Gebiet ohne weiteres zu verbieten. Denn nach Art 3 der Richtlinie 65/65/EWG des Rates vom 26.1.1965 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften über Arzneispezialitäten idF der Richtlinie 89/341/EWG des Rates vom 3.5.1989 darf "eine Arzneispezialität ... in einem Mitgliedstaat erst dann in den Verkehr gebracht werden, wenn die zuständige Behörde dieses Mitgliedstaats die Genehmigung dafür erteilt hat" (EuGH 10.11.1994 EuZW 1995, 86 [Lüder]).

Umso mehr müssen die Mitgliedstaaten berechtigt sein, die Einfuhr nicht zugelassener Arzneimittel von strengeren Voraussetzungen abhängig zu machen als das Inverkehrbringen inländischer Arzneimittel. Das ergibt schon ein einfacher Größenschluß; kann die Einfuhr gänzlich verboten werden, so müssen auch Beschränkungen zulässig sein, wenn die Einfuhr ausnahmsweise erlaubt wird.

Selbst wenn, wie die Beklagte meint, eine Maßnahme gleicher Wirkung nach Art 30 EGV vorliegt, ist sie jedenfalls nach Art 36 EGV gerechtfertigt. Nach dieser Bestimmung stehen die Bestimmungen der Art 30 bis 34 Einfuhr-, Ausfuhr- und Durchfuhrverboten oder -beschränkungen nicht entgegen, die aus Gründen der öffentlichen Sittlichkeit, Ordnung und Sicherheit, zum Schutz der Gesundheit und des Lebens von Menschen, Tieren oder Pflanzen, des nationalen Kulturguts von künstlerischem, geschichtlichem oder archäologischen Wert oder des gewerblichen und kommerziellen Eigentums gerechtfertigt sind. Diese Verbote oder Beschränkungen dürfen jedoch weder ein Mittel zur willkürlichen Diskriminierung noch eine verschleierte Beschränkung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten darstellen.

Den Mitgliedstaaten kommt in der Beurteilung, ob Maßnahmen, die mit dem Schutz der Gesundheit von Menschen begründet werden, von Art 36 gedeckt sind, ein weiter Ermessensspielraum zu (Müller-Graf in Groeben/ Thiesing/Ehlermann, Kommentar zum EWG-Vertrag4, Art 36 Rz 51; Matthies/von Borries in Grabitz/Hilf, Kommentar zur Europäischen Union, Art 36 Rz 35; Lux in Lenz, EG-Vertrag, Art 36 Rz 6, jeweils mwN).

Die Regelung des österreichischen Arzneimittelrechts, die zwischen nicht zugelassenen inländischen und nicht zugelassenen ausländischen Arzneimitteln unterscheidet, ist durch Art 36 EGV gedeckt, weil sie für den Schutz der Gesundheit notwendig ist. Inländische Herstellbetriebe müssen bestimmten Anforderungen entsprechen, sie bedürfen einer Bewilligung und unterliegen periodischen Kontrollen (§§ 62ff AMG). Während daher bei der inländischen Arzneimittelerzeugung sichergestellt ist, daß sie bestimmten Anforderungen entspricht, ist die Herstellung von Arzneimitteln im Ausland naturgemäß jeder Kontrolle des österreichischen Staates entzogen.

Die Vereinbarkeit des § 5 Abs 1 Z 3 ArzneiwareneinfuhrG mit dem Gemeinschaftsrecht ist so offenkundig, daß keine Vorabentscheidung des EuGH eingeholt werden muß. Von der Vorlage an den EuGH kann nämlich abgesehen werden, wenn die richtige Anwendung des Gemeinschaftsrechts derart offenkundig ist, daß keinerlei Raum für einen vernünftigen Zweifel an der Entscheidung der gestellten Frage bleibt (Dauses, Das Vorabentscheidungsverfahren nach Artikel 177 EG-Vertrag**2 116 mwN).

Die Beklagte kann sich demnach weder auf § 5 Abs 1 Z 8 ArzneiwareneinfuhrG noch auf § 5 Abs 1 Z 3 ArzneiwareneinfuhrG berufen. Dabei kommt es gar nicht mehr darauf an, ob eine Einfuhr nach § 5 Abs 1 Z 3 ArzneiwareneinfuhrG auch daran scheitert, daß der Behandlungserfolg mit einem im Inland zugelassenen und im Handel erhältlichen Arzneimittel erzielt werden kann. Die vom Erstgericht in den Spruch aufgenommene Einschränkung ist überflüssig, weil für einen auf § 5 Abs 1 Z 8 ArzneiwareneinfuhrG gestützten Import aus Italien derzeit die Voraussetzungen fehlen. Sollten sie in Zukunft erfüllt sein, so hindert das von der Klägerin beantragte Verbot die Beklagte nicht, R***** aufgrund dieser Bestimmung zu importieren und im Inland in Verkehr zu bringen.

Gemäß § 50 Abs 1 AMG darf nur für zugelassene Arzneispezialitäten geworben werden. R***** ist in Österreich nicht zugelassen; eine Werbung für dieses Arzneimittel verstößt demnach gegen das - gemeinschaftsrechtlich unbedenkliche (EuGH 10.11.1994 EuZW 1995, 86) - Werbeverbot.

Die Beklagte beruft sich darauf, mit ihrer Inseratenkampagne nicht für ein bestimmtes Arzneimittel geworben zu haben. Es handle sich um eine internationale Imagekampagne für den S*****-Konzern und nicht um Arzneimittelwerbung.

Arzneimittelwerbung liegt nicht nur dann vor, wenn die Bezeichnung des Arzneimittels genannt wird, sondern auch dann, wenn den angesprochenen Verkehrskreisen aufgrund der Werbeaussagen klar ist, für welches Arzneimittel geworben wird. Daß auch Aussagen gemacht werden, welche die Leistungen des Arzneimittelherstellers ganz allgemein herausstreichen, nimmt der Werbung nicht ihren produktbezogenen Charakter.

Auch der BGH hat in seiner - von der Beklagten zitierten - Entscheidung vom 15.12.1994, I ZR 154/92, ausgesprochen, daß es darauf ankommt, ob nach dem Gesamterscheinungsbild der Werbung die Darstellung des Unternehmens im Vordergrund steht (Firmenwerbung) oder die Anpreisung bestimmter oder zumindest individualisierbarer Arzneimittel (Absatzwerbung). Eine Werbung für Arzneimittel liege auch dann vor, wenn durch die Werbung der Absatz bestimmter Arzneimittel im Hinblick darauf gefördert wird, daß die angesprochenen Verkehrskreise aufgrund sonstiger Umstände, wie beispielsweise der Angabe der Indikationsgebiete oder ihrer Kenntnisse der Marktverhältnisse der Anzeige entnehmen können, es solle für bestimmte einzelne oder mehrere Arzneimittel geworben werden, obwohl deren Bezeichnung nicht ausdrücklich genannt ist.

Das ist hier - anders als in dem vom BGH entschiedenen Fall - offenkundig. Thema der Inseratenkampagne sind die Leistungen von S***** in der MS-Forschung; herausgestrichen werden sowohl die Forschungsanstrengungen als auch die Forschungsergebnisse, die sich naturgemäß in R*****, dem einzigen MS-Arzneimittel von S*****, niederschlagen müssen. Für die angesprochenen Verkehrskreise ist es damit eindeutig, daß sich die Werbeaussagen auf R***** beziehen. Damit liegt aber - auch nach der von der Beklagten zitierten und oben wiedergegebenen Rechtsprechung des BGH - eine Absatzwerbung vor, die gegen § 50 Abs 1 Z 1 AMG verstößt. Um zu diesem Ergebnis zu kommen, ist es nicht notwendig, eine "Strafvorschrift" analog anzuwenden oder erweiternd auszulegen; die diesbezüglichen Bedenken der Beklagten sind unbegründet.

Dem Revisionsrekurs der Klägerin war Folge zu geben und das von ihr begehrte Verbot ohne die von den Vorinstanzen vorgenommene Einschränkung zu erlassen; der Revisionsrekurs der Beklagten mußte erfolglos bleiben.

Die Entscheidung über die Kosten der Klägerin beruht auf § 393 Abs 1 EO; jene über die Kosten der Beklagten auf §§ 78, 402 Abs 4 EO iVm §§ 40, 50 ZPO.

Rechtssätze
5
  • RS0108556OGH Rechtssatz

    31. März 1998·2 Entscheidungen

    Während im Inland hergestellte Arzneispezialitäten allein aufgrund der Verschreibung eines Arztes und seiner Bescheinigung, daß die Arzneispezialität zur Abwehr einer Lebensbedrohung oder schweren gesundheitlichen Schädigung dringend benötigt wird und dieser Erfolg mit einer zugelassenen und verfügbaren Arzneispezialität nicht erzielt werden kann, in Verkehr gebracht werden dürfen, können im Ausland hergestellte, nicht zugelassene Arzneimittel nur dann ohne Einfuhrbewilligung eingeführt werden, wenn sie für einen lebensbedrohenden Erkrankungsfall benötigt werden. Dies ist keine unzulässige Diskriminierung ausländischer Arzneimittel, die als Maßnahme gleicher Wirkung gegen Art 30/36 EGV verstoße, weil der "freie Warenverkehr" für Arzneimittel bisher nicht realisiert ist. Die endgültige Entscheidung über die Verkehrsfähigkeit von Arzneimitteln liegt bei den nationalen Zulassungsbehörden. Nach den Erwägungsgründen der Richtlinie 92/26/EWG des Rates vom 31.März 1992 zur Einstufung bei der Abgabe von Humanarzneimitteln müssen zunächst die grundlegenden Prinzipien harmonisiert werden, die für die Einstufung bei der Abgabe von Arzneimitteln in der Gemeinschaft oder in dem betreffenden Mitgliedstaat anwendbar sind. Es besteht keine Gemeinschaftsregelung für das Inverkehrbringen nicht zugelassener Arzneimittel.