JudikaturJustiz4Ob172/14v

4Ob172/14v – OGH Entscheidung

Entscheidung
21. Oktober 2014

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Vizepräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende und durch die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei T***** KG, *****, vertreten durch Dr. Peter Zöchbauer und Dr. Andreas Frauenberger, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei K***** KG, *****, vertreten durch Korn Rechtsanwälte OG in Wien, wegen Unterlassung (Streitwert 33.000 EUR) und Urteilsveröffentlichung (Streitwert 2.000 EUR), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 25. Juni 2014, GZ 3 R 95/13g 17, womit infolge Berufung der klagenden und der beklagten Partei das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 26. September 2013, GZ 53 Cg 88/12f 12, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.119,24 EUR (darin 186,54 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin ist Medieninhaberin der wöchentlich in Oberösterreich und in Teilen von Niederösterreich erscheinenden Gratiszeitung „Tips“.

Die Beklagte ist Medieninhaberin der österreichweit erscheinenden Tageszeitung „K***** Zeitung“ und auch für die Gestaltung deren redaktionellen Teils verantwortlich.

Die L***** Veranstaltungsgesellschaft m.b.H. betreibt eine Mehrzweckhalle in Linz, die früher nach ihrem damaligen Sponsor den Namen „IntersportArena“ trug. Als 2009 die Klägerin als neuer Sponsor gewonnen wurde, erfolgte als Gegenleistung für die von der Klägerin zu leistenden Sponsorzahlungen die Umbenennung der Halle in „TipsArena Linz“. Diese Bezeichnung wurde auch auf dem Hallengebäude angebracht und von der Hallenbetreiberin den Medien (auch der Beklagten) mitgeteilt. Namentlich wurde die Beklagte auch mit Mail aufgefordert, bei der Ankündigung von Veranstaltungen oder sonstigen Hinweisen künftig ausnahmslos den Namen „TipsArena Linz“ zu verwenden. Dessen ungeachtet bezeichnet die Beklagte die Halle in ihrer Zeitung sowohl im Rahmen von Veranstaltungshinweisen als auch in der redaktionellen Berichterstattung nur als „Linz-Arena“ oder „Arena Linz“. Auch Anzeigen werden in der Kronen Zeitung nur dann veröffentlicht, wenn der Inserent den Veranstaltungsort mit „Linz Arena“ bezeichnet. Die Beklagte lehnt es nämlich ab, einen Mitbewerber ohne Not im eigenen Blatt zu nennen.

Die Klägerin begehrte, die Beklagte schuldig zu erkennen, es im geschäftlichen Verkehr beim Inverkehrbringen des periodischen Druckwerks „K***** Zeitung“ zu unterlassen, sowohl a) im Zuge von redaktionellen Berichten als auch b) im Rahmen von Veranstaltungshinweisen oder aber c) (sonstigen) entgeltlichen Einschaltungen im Sinn des § 26 MedienG die in Linz etablierte Arena mit der Bezeichnung „TipsArena Linz“ bloß als „Arena Linz“ zu bezeichnen und/oder bezeichnen zu lassen und/oder auf sonstige Weise den Kennzeichenbestandteil „Tips“ der „TipsArena Linz“ zu verschweigen. Die Klägerin begehrte auch die Ermächtigung zur Urteilsveröffentlichung. Die Beklagte verstoße mit ihrem Verhalten gegen § 1 UWG, wenn sie in der Absicht, die Klägerin zu schädigen, im Rahmen von Veranstaltungshinweisen und redaktionellen Beiträgen den Namen des Sponsors der Veranstaltungshalle verschweige und dadurch die Werbewirksamkeit des von der Klägerin mit der Halleneigentümerin abgeschlossenen Sponsorvertrages gezielt unterlaufe. Dieses Verhalten sei als unlautere Werbebehinderung und unlautere Boykottaufforderung zu beurteilen.

Die Beklagte bestritt das Klagebegehren. Sie handle nicht unlauter und weise in ihrem Medium auf einen allgemein bekannten Veranstaltungsort hin, ohne eine Werbemaßnahme der Klägerin aktiv zu manipulieren. Sie sei nicht verpflichtet, bei Veröffentlichungen in ihrer Zeitung betreffend einen Veranstaltungsort über den dafür allgemein geläufigen Namenskern hinaus auch einen mit ihr in einem Wettbewerbsverhältnis stehenden Sponsor zu nennen. Die Auffassung der Klägerin liefe darauf hinaus, dass die Beklagte reale Geschehnisse, nämlich Veranstaltungen an einem bestimmten Ort, nicht schildern dürfte, ohne dabei verpflichtend Werbung für einen Mitbewerber machen zu müssen. Eine solche Verpflichtung zur Werbung für Konkurrenten widerspreche Sinn und Zweck des Lauterkeitsrechtes, das nicht dazu diene, den Wettbewerb eines Marktteilnehmers besonders zu fördern.

Das Erstgericht gab dem Unterlassungsbegehren statt und wies den Antrag auf Ermächtigung zur Urteilsveröffentlichung ab. Die Parteien stünden in einem Wettbewerbsverhältnis. Unlauterer Behinderungswettbewerb liege schon dann vor, wenn eine bestimmte Wettbewerbshandlung, die an sich unbedenklich sei, durch das Hinzutreten besonderer Umstände im Einzelfall zu einer unmittelbar gegen den Mitbewerber gerichteten Behinderungsmaßnahme werde, insbesondere, wenn durch die Handlung gegen die berufliche Sorgfalt verstoßen werde. Namenssponsoring sei heutzutage allgegenwärtig, und dass der Sponsor im Gegenzug für seine Namensnennung ein Entgelt zu leisten habe, liege auf der Hand. Die vom Obersten Gerichtshof in seinen Entscheidungen 4 Ob 88/90 und 4 Ob 185/08x angestellten Erwägungen zum Behinderungswettbewerb träfen auch im Anlassfall zu. Die Beklagte habe mutwillig den Namensbestandteil „Tips“ weggelassen und damit „gleichsam verdeckt“; auf diese Weise verhindere sie gezielt die Ausschöpfung des Werbewerts, der sich für die Klägerin aus dem vollen Namen des Veranstaltungsortes ergebe. Die Beklagte unterlaufe durch aktives Tun bewusst den Hauptzweck des abgeschlossenen Sponsorvertrages, nämlich die Werbung für die Klägerin durch Nennung ihres Namens im Zusammenhang mit diversen Veranstaltungen. Das Urteilsveröffentlichungsbegehren sei mangels schutzwürdigem Interesse der Klägerin an der Aufklärung des Publikums nicht berechtigt. Es sei ausreichend, wenn die Beklagte ab sofort dem Unterlassungsbegehren entspreche.

Das Berufungsgericht änderte soweit für das Revisionsverfahren von Interesse dieses von der Beklagten nur im Ausspruch über das Unterlassungsbegehren zu c) (Nennung des vollen Hallennamens im Rahmen der redaktionellen Berichterstattung) angefochtene Urteil dahin ab, dass es dieses Teilbegehren abwies; es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige und die ordentliche Revision zulässig sei, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage fehle, ob ein (Print-)Medienunternehmen, wenn es in seiner redaktionellen Berichterstattung auf eine Veranstaltungshalle Bezug nimmt, unter dem Aspekt des Lauterkeitsrechts dazu verpflichtet sei, den vollen Namen des Veranstaltungsortes einschließlich des auf einen Sponsor hinweisenden Zusatzes zu nennen, wenn der Sponsor Mitbewerber des Medienunternehmens ist und mit dem Betreiber der Veranstaltungshalle die Führung eines auf ihn hinweisenden Zusatzes in der Bezeichnung der Veranstaltungshalle vereinbart hat.

Redaktionelle Beiträge der Zeitung der Beklagten, in denen über die Veranstaltungshalle berichtet werde, seien keine Geschäftspraktik im Sinn der Legaldefinition des § 1 Abs 4 Z 2 UWG. Dem im Berufungsverfahren angefochtenen Unterlassungsbegehren wäre daher nur dann stattzugeben, wenn im Weglassen des Namens des klagenden Sponsors eine sonstige unlautere Handlung im Sinn des § 1 Abs 1 Z 1 UWG läge, die geeignet sei, den Wettbewerb zum Nachteil der Klägerin nicht nur unerheblich zu beeinflussen. Unlauterer Behinderungswettbewerb liegt erst dann vor, wenn ein Unternehmer versuche, einen Mitbewerber in einem Maß zu behindern, dass dieser seine Leistungen auf dem Markt nicht oder nicht mehr rein zur Geltung bringen könne. Solches gelte insbesondere für das gezielte Stören fremder Werbung, etwa durch das Verdecken von Werbeständern eines Mitbewerbers oder durch das Entziehen einer Werbe- oder Absatzgelegenheit, die sich ein Mitbeweber vertraglich gesichert habe. Der vom Erstgericht zitierten Entscheidung des Obersten Gerichtshofs 4 Ob 185/08x liege ein Sachverhalt zu Grunde, der dem Anlassfall nicht vergleichbar sei. Es sei nicht ersichtlich, dass die betreffende Veranstaltungshalle einen Werbewert besitze, den die Beklagte durch deren namentliche Nennung in ihrer redaktionellen Berichterstattung in irgendeiner Form für sich nutze. Hinzu komme, dass das bloße Unterlassen der Nennung eines Namensteils der aktiven Manipulation eines Fotos durch Wegretuschieren des Firmenlogos eines Mitbewerbers nicht gleich gehalten werden könne. Eine lauterkeitsrechtliche Verpflichtung der Beklagten, in ihrer redaktionellen Berichterstattung nur die von der Klägerin gewünschte Bezeichnung zu verwenden und damit zwangsläufig für ihre Mitbewerberin zu werben, bestehe nicht.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen den klagsabweisenden Teil dieses Urteils gerichtete Revision des Klägers ist zulässig, aber nicht berechtigt.

Der Kläger hält in dritter Instanz an seiner Auffassung fest, auch hinsichtlich der Textberichterstattung im redaktionellen Teil der Zeitung der Beklagten im Zusammenhang mit dem Veranstaltungsort liege im Verschweigen des Namens des Sponsors (als Teil des Namens der Veranstaltungshalle) eine unlautere Werbebehinderung, weil dadurch der Sponsorvertrag unterlaufen und die Klägerin um die beabsichtigte Werbewirkung gebracht werde. Das gezielte Ausschalten fremder Werbung sei unlauter.

1. Die Argumentation der Klägerin verkennt grundlegend, dass das von ihr weiterhin verfolgte Unterlassungsgebot unmittelbar auf ein Verhalten der Beklagten mit Wirkungen auf deren redaktionelle Berichterstattung in einem Printmedium zielt und daher im verfassungsrechtlich geschützten Grundrecht der journalistischen Gestaltungsfreiheit eine Grenze findet.

2. Ein normatives Grundprinzip der Kommunikationsordnung des österreichischen Verfassungsrechts ist jenes der Autonomie: Die Verfassung geht von einer grundsätzlichen Neutralität des Staates gegenüber gesellschaftlichen Kommunikationsprozessen aus, die als autonome gesellschaftliche Systeme gewährleistet sind. Staatliche Interventionen bedürfen der Rechtfertigung und haben als „Kommunikationsstörungen“ Ausnahme zu bleiben ( Berka , Medienfreiheit und Persönlichkeitsschutz 135).

3. Die Rechtsprechung des EGMR zur Meinungsfreiheit des Art 10 EMRK umfasst auch den Grundsatz, dass dieses Grundrecht nicht nur den Inhalt von geäußerten Ideen und Informationen schützt, sondern auch die Form, in welcher sie mitgeteilt und weitergegeben werden ( Frowein/Peukert , Europäische Menschenrechtskonvention³ 342; Holoubek/Kassai/Traimer , Grundzüge des Rechts der Massenmedien 4 52 mwN). Es ist daher nur bei Vorliegen der besonderen Rechtfertigungsgründe des Art 10 Abs 2 EMRK zulässig, unter Berufung auf lauterkeitsrechtliche Normen die Meinungsfreiheit des Art 10 EMRK einzuschränken.

4. Die grundsätzlich durch Art 10 EMRK geschützte journalistische Gestaltungsfreiheit unterliegt demnach zwar den in Art 10 Abs 2 EMRK normierten Ausnahmen, die auch im lauterkeitsrechtlichen Kontext von Bedeutung sein können (vgl etwa die Rechtsprechung zu § 7 UWG, dass es bei unwahren Tatsachenbehauptungen oder bei Werturteilen, basierend auf unwahren Tatsachenbehauptungen, kein Recht auf freie Meinungsäußerung gibt: RIS Justiz RS0107915). Die Ausnahmen des Art 10 Abs 2 EMRK müssen jedoch eng ausgelegt werden. Sie müssen weiters in einer demokratischen Gesellschaft notwendig sein ( Frowein/Peukert , Europäische Menschenrechtskonvention³ 359).

5.1. Aus dem in Art 10 Abs 2 EMRK genannten Katalog der Rechtfertigungsgründe für eine Grundrechtseinschränkung kommt im Anlassfall allein der „Schutz der Rechte anderer“, nämlich der Rechte der Klägerin aus ihrem Sponsorvertrag mit dem Halleneigentümer, in Betracht.

5.2. Dass das rein wirtschaftliche Recht der Klägerin, aus ihrem Sponsorvertrag Nutzen ziehen zu dürfen, in der Abwägung gegenüber der journalistischen Gestaltungsfreiheit, die auch das Medium der Beklagten vor staatlichen Eingriffen schützt, das höhere Rechtsgut wäre, und dass eine mit einem Sponsorvertrag begründete Einschränkung der journalistischen Gestaltungsfreiheit in einer demokratischen Gesellschaft notwendig sei, ist allerdings nicht zu erkennen.

5.3. Zutreffend hat das Berufungsgericht auch erkannt, dass die Manipulation eines Lichtbilds in der Absicht, auf diese Weise den Namen eines Mitbewerbers zum Verschwinden zu bringen (vgl 4 Ob 185/08x), der autonomen Namenswahl für einen Veranstaltungsort im Rahmen eines redaktionellen Artikels nicht gleichgehalten werden kann. Es besteht deshalb auch im Lichte des § 1 UWG keine Grundlage, die Beklagte in der redaktionellen Berichterstattung ihres Mediums zur Bezeichnung eines Veranstaltungsgebäudes allein in der von der Klägerin gewünschten Form zu verpflichten. Der Revision kann somit kein Erfolg beschieden sein.

6. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41 Abs 1, 50 Abs 1 ZPO.

Rechtssätze
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