JudikaturJustiz4Ob169/97z

4Ob169/97z – OGH Entscheidung

Entscheidung
10. Juni 1997

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Huber als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kodek und Dr.Niederreiter sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr.Griß und Dr.Schenk als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A*****, vertreten durch Dr.Karl J.Grigkar, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Mag.pharm.Dieter G*****, vertreten durch Schönherr, Barfuss, Torggler und Partner, Rechtsanwälte in Wien, wegen Unterlassung, Veröffentlichung und Schadenersatz (Streitwert im Provisorialverfahren S 350.000), infolge außerordentlichen Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Graz als Rekursgericht vom 9.April 1997, GZ 6 R 254/96m-13, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der außerordentliche Revisionsrekurs der klagenden Partei wird gemäß §§ 78, 402 Abs 4 EO iVm § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 528a iVm § 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung:

Auf die Lösung der Frage, ob die §§ 7 und 8 AMG nur auf Arzneimittelspezialitäten Bezug nehmen, die gemäß § 11 AMG der Zulassung unterliegen, kommt es hier nicht an. Daß die klagende OHG die entsprechenden (offenbar irrtümlich in die Entscheidung aufgenommenen) Ausführungen des Rekursgerichtes nicht nachvollziehen kann, bildet keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 528 Abs 1 ZPO.

Rechtliche Beurteilung

Die Entscheidung hängt auch nicht von der "Problematik der Umgehung des Arzneiwareneinfuhrgesetzes" ab.

Soweit sich die Klägerin gegen die Abweisung des Unterlassungsbegehrens zu Punkt 2 mit der Begründung wendet, die Werbung des Beklagten für die von ihm eingeführte Arzneimittelspezialität falle unter den Begriff des "Inverkehrbringens", kann ihr nicht gefolgt werden. Nach § 2 Abs 11 AMG in der derzeitig gültigen Fassung der Novelle BGBl 1996/379 ist "Inverkehrbringen" das Vorrätighalten, das Feilhalten oder die Abgabe von Arzneimitteln; ein Inverkehrbringen liegt nicht vor, wenn durch geeignete Maßnahmen sichergestellt ist, daß ein Arzneimittel, das dem Gesetz nicht entspricht, nicht zum Verbraucher oder Anwender gelangt.

Entgegen der Meinung der Klägerin umfaßt der Begriff des "Feilhaltens" nicht - schon gar nicht "zweifelsfrei" - das Werben für Arzneispezialitäten. "Feilhalten" bedeutet "zum Verkauf bereithalten". Ein Arzneimittel wird zum Verkauf bereitgehalten, wenn die Erfüllung eines Kaufvertrages durch tatsächliche Übergabe ohne besondere weitere Maßnahme möglich ist. Dies ist dann zB nicht der Fall, wenn ein Arzneimittel zwar angekündigt wird, der Verkäufer aber (noch) keine Verfügungsgewalt - etwa weil das Arzneimittel erst importiert werden muß - hat (Mayer/Michtner/Schober, Kommentar zum Arzneimittelgesetz, Anm 53 zu § 2 mwN). Daraus, daß der Beklagte in einer Zeitschrift für eine bestimmte Arzneimittelspezialität geworben hat, folgt noch keineswegs, daß er sie schon zum Verkauf bereitgehalten hatte. Da sich dieses Rechtsproblem aus dem Gesetzeswortlaut selbst lösen läßt und diese Lösung in der Lehre unstrittig ist, liegt auch insoweit keine erhebliche Rechtsfrage vor (WoBl 1993/54 ua). Mit Punkt 2 des Unterlassungsbegehrens sollte dem Beklagten nur das Inverkehrbringen an Letztverbraucher verboten werden. Ob der Beklagte solche Mittel an Großhändler in Verkehr gebracht hat, ist für die Entscheidung über dieses Begehren ohne Bedeutung.

Das Verbotsbegehren zu Punkt 1 wurde vom Rekursgericht infolge Rekurses der Beklagten insofern eingeschränkt, als die Abgabe des Mittels an Großhändler dann nicht verboten wird, wenn dieses Arzneimittel bereits im Zeitpunkt der Einfuhr zur Weitergabe an bestimmte (namentlich genannte) Personen zu deren persönlichem Bedarf bestimmt ist und die für eine Person bestimmte Menge drei Handelspackungen nicht übersteigt.

Den Revisionsrekursausführungen ist nicht - zumindest nicht deutlich - zu entnehmen, welche Argumente gegen diesen Teil der angefochtenen Entscheidung vorgebracht werden. Die Einschränkung nimmt Bezug auf § 5 Abs 1 Z 7, Abs 6 Z 1 Arzneiwareneinfuhrgesetz BGBl 1970/179 idF BGBl 1993/97. Nach § 5 Abs 3 dieses Gesetzes haben freilich Einfuhren gemäß Abs 1 Z 7 "über inländische Apotheken zu erfolgen, es sei denn, es wird eine ärztliche Verschreibung vorgelegt". Nach Meinung des Rekursgerichtes ist die Rechtsansicht des Beklagten, er könne auch als Großhändler ein Arzneimittel im Sinne des § 1 Abs 1 Z 7 Arzneiwareneinfuhrgesetz einführen, wenn es nur über eine öffentliche Apotheke abgegeben wird, jedenfalls mit guten Gründen vertretbar, sodaß ihm der Vorwurf sittenwidrigen Verhaltens nicht gemacht werden könne.

Die erwähnten Bestimmungen wurden mit der Novelle zum Arzneiwareneinfuhrgesetz BGBl 1993/97 eingeführt. Sie waren in dieser Form in der Regierungsvorlage noch nicht enthalten, sondern wurden aufgrund eines Abänderungsantrages beschlossen. Zu dessen Begründung war im Bericht des Gesundheitsausschusses folgendes ausgeführt worden:

"Auf Grund des EWR-Abkommens muß es einer in Österreich ansässigen Person ermöglicht werden, sich aus einem anderen EWR-Mitgliedstaat eine angemessene, dem üblichen persönlichen Bedarf entsprechende Menge von Arzneimitteln zusenden zu lassen.

Eine solche Zusendung, die ohne jedes Beratungsgespräch durch den Arzt oder Apotheker erfolgt, könnte im Einzelfall zu unerwünschten Nebenwirkungen führen, über die der Patient nicht ausreichend informiert wurde. Etwa bei fremdsprachiger Kennzeichnung und Gebrauchsinformation wäre auch diese Informationsquelle verschlossen.

Bei rezeptpflichtigen Arzneispezialitäten und solchen rezeptfreien Arzneispezialitäten, die durch einen Arzt verschrieben wurden, können die erforderlichen Informationen durch den verschreibenden Arzt gegeben werden. Bei nicht verschriebenen Arzneispezialitäten sollte die Beratung durch den Apotheker erfolgen. Im Sinne eines ausreichenden Schutzes der Patienten ist der Ausschuß der Ansicht, daß die Möglichkeit der Zusendung von nicht verschriebenen Arzneimitteln über eine inländische öffentliche Apotheke als dem EWR-Abkommen konform angesehen werden kann.

Die Aufzeichnungspflicht des Apothekers soll der Kontrolle von Arzneiwareneinfuhren durch die Behörde dienen.

Da bei zwingender Einfuhr nicht verschriebener Arzneimittel über die Apotheke der Patient keinen Einfluß auf den Bezugsweg hat, gibt der Ausschuß seiner Erwartung Ausdruck, daß der Bundesminister für Gesundheit, Sport und Konsumentenschutz in die Arzneitaxverordnung eine Regelung aufnimmt, die sicherstellt, daß der Patient die Arzneispezialität zu keinem höheren Preis erhält, als dies bei direkter Zusendung aus dem Ausland der Fall wäre" (864 BlgNR 18. GP, 1 f).

Im Hinblick auf diese Begründung kann § 5 Abs 3 Arzneiwareneinfuhrgesetz nur dahin verstanden werden, daß die gemäß § 5 Abs 1 Z 7 des Gesetzes eingeführten Mittel über inländische öffentliche Apotheken abzugeben sind; welchen Vertriebsweges sich aber die öffentliche Apotheke zum Zwecke der Einfuhr bedient, ist ohne Bedeutung. Der Apotheker, der dieses Mittel an eine bestimmte Person abgeben will, kann sich daher auch an den Großhändler wenden, über den er sonst seine Ware bezieht. Dieser muß dann aber auch berechtigt sein, die Einfuhr im Auftrag der Apotheke zugunsten einer bestimmten Person durchzuführen. Die vom Rekursgericht vorgenommene Einschränkung steht daher mit dem Gesetz so eindeutig im Einklang, daß auch insoweit - zumal im Revisionsrekurs keine nachvollziehbaren Argumente für den gegenteiligen Standpunkt zu finden sind - eine erhebliche Rechtsfrage nicht zu erkennen ist.