JudikaturJustiz4Ob126/13b

4Ob126/13b – OGH Entscheidung

Entscheidung
20. Januar 2014

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Vizepräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende und durch die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei R*****, Kommanditgesellschaft, *****, vertreten durch Dr. Anke Reisch, Rechtsanwältin in Kitzbühel, gegen die beklagte Partei M***** GmbH, *****, vertreten durch die Advokatur Dr. Herbert Schöpf, LL.M., Rechtsanwalt GmbH in Innsbruck, wegen Unterlassung (Streitwert im Provisorialverfahren 20.000 EUR sA), über den Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Innsbruck als Rekursgericht vom 27. Mai 2013, GZ 2 R 67/13i 8, womit der Beschluss des Landesgerichts Innsbruck vom 20. Februar 2013, GZ 59 Cg 8/13x 4, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Die Klägerin ist Inhaberin der Gemeinschaftswortmarke „ski in ski out“ mit der Priorität 20. 10. 2011, registriert unter anderem für die Klasse 43 (Dienstleistungen zur Verpflegung und zur Beherbergung von Gästen). Die Klägerin betreibt in einem Schigebiet ein Hotel direkt an der Schipiste, mit der Möglichkeit, mit den Schiern bis zum Hotel zu fahren bzw von dort mit den Schiern in den Schizirkus einzusteigen.

Die Beklagte betreibt im selben Schigebiet einen Gastronomiebetrieb, den sie in einer Werbebroschüre und im Internet damit bewirbt, dass dieser direkt an der Schipiste gelegen sei: „Immer Mittendrin mit Ski in Ski-out;“ „Ski in Ski out ... den ganzen Winter über möglich.“

Die Bezeichnung „Ski in Ski out“, „ski in ski out“ oder ähnlich wird von einer Reihe von Gastronomiebetrieben verwendet, stets mit der weiteren Erklärung, dass Schifahren in der Weise genossen werden könne, dass die Schiabfahrt direkt vor dem Hotel ende und vom Hotel aus mit Schiern zu den Pisten bzw Liften zugefahren werden könne.

Das Erstgericht wies den Sicherungsantrag der Klägerin, der Beklagten aufzutragen, die Verwendung der Marke „Ski in Ski out“ zu unterlassen, ab. Die Marke der Klägerin beschreibe die Möglichkeit, von einer bestimmten Stelle aus, zB einem Gastronomiebetrieb, direkt in ein Schigebiet einzusteigen und aus diesem wieder aussteigen zu können. Die Marke sei daher beschreibend und somit nicht schutzfähig und unterscheidungskräftig.

Das Rekursgericht bestätigte den Beschluss mit der Begründung, mit der Wortfolge „Ski in Ski out“ oder ähnlich werde lediglich eine Angabe über ein Merkmal der Dienstleistung, nämlich die örtliche Nähe zu einer vorbeiführenden Piste, zum Ausdruck gebracht. Die Beklagte sei gemäß Art 12 lit b GMV berechtigt, mit dem der Klagsmarke ähnlichen Werbeslogan auf die örtliche Lage ihres Betriebs hinzuweisen. Die Verwendung der Wortfolge widerspreche nicht den anständigen Gepflogenheiten im Handel. Den Revisionsrekurs ließ das Rekursgericht zur Frage zu, ob der Beklagte bei einer gemeinschaftsrechtlich geschützten und daher rechtsgültigen Marke berechtigt sei, den Einwand im Sinn des Art 12 lit b GMV zu erheben, dass das von ihm verwendete (ähnliche oder idente) Zeichen rein beschreibend und daher, soferne es nicht unlauter verwendet werde, zulässigerweise gebraucht werde.

Die Klägerin macht in ihrem Revisionsrekurs geltend, die Beklagte sei mit ihrem Einwand, sie benütze die Wortfolge „ski in ski out“, was ihr gemäß Art 12 lit b GMV nicht untersagt werden könne, auf ein Nichtigkeitsverfahren vor dem „Amt für Gemeinschaftsmarken“ verwiesen. Im Übrigen sei die Klagsmarke gar nicht beschreibend. Ihr Unterlassungsanspruch bestehe gemäß Art 98 GMV zu Recht.

Die Beklagte beantragt in ihrer Revisionsrekursbeantwortung , dem Rechtsmittel der Klägerin nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist, unbeschadet des den Obersten Gerichtshof nicht bindenden rekursgerichtlichen Zulassungsausspruchs, in Ermangelung von erheblichen Rechtsfragen im Sinn von § 502 Abs 1 ZPO unzulässig .

1. Die ausschließliche Zuständigkeit des Handelsgerichts Wien als Gemeinschaftsmarkengericht für die Erlassung einstweiliger Verfügungen besteht wegen des Vorrangs von § 387 Abs 1 EO ausnahmsweise nicht, wenn die Klage bereits bei einem anderen - wenngleich unzuständigen - inländischen Gericht erhoben wurde (17 Ob 22/07w = RIS Justiz RS0122945). Die zitierte Entscheidung erging zu Art 99 Abs 1 GMV in der Fassung der Verordnung (EG) Nr 40/94. Der nunmehrige Art 103 Abs 1 GMV in der Fassung der Verordnung (EG) Nr 207/2009 ist mit dieser Bestimmung wortgleich. Die Erlassung einstweiliger Verfügungen in Gemeinschaftsmarkensachen durch Gerichte, die nicht Gemeinschaftsmarkengericht sind, ist daher auch nach der geltenden Rechtslage zulässig.

2. Bereits in der Entscheidung C 108/97 Chiemsee hat der EuGH klargestellt, dass Art 6 (1) (b) MarkenRL und damit Art 12 lit b GMV Dritten das Recht einräumt, eine beschreibende Marke beschreibend zu benutzen, sofern die Benutzung den anerkannten Gepflogenheiten in Gewerbe und Handel entspricht ( Eisenführ in Eisenführ/Schennen , Gemeinschafts-markenverordnung 3 Art 12 Rz 24). Mit der Entscheidung C 100/02 Gerolsteiner Brunnen GmbH Co / Prutsch GmbH hat der EuGH betont, dass die genannte Bestimmung nicht nach den verschiedenen möglichen Verwendungen der in ihr genannten Angaben unterscheide. Um in den Anwendungsbereich von Art 12 lit b GMV zu fallen, genüge es vielmehr, dass sich eine solche Angabe auf eines der dort aufgeführten Merkmale beziehe. Auch hat der EuGH klargestellt, dass die Freistellung der lauteren Benutzung von beschreibenden wie von geographischen Herkunftsangaben (auch als Marke) durch Art 12 lit b GMV keine Rückwirkung auf das absolute Eintragungshindernis solcher Angaben gemäß Art 7 Abs 1 lit c GMV habe ( Eisenführ , aaO Rz 32).

3. Die Frage der Zulässigkeit der Berufung auf die Schutzschranke nach Art 12 lit b GMV unabhängig vom aufrechten Bestand der Gemeinschaftsmarke ist daher durch die Rechtsprechung des EuGH hinreichend geklärt. Dies ergibt sich im Übrigen schon aus dem Sinn und Zweck der Bestimmung des Art 12 lit b GMV. Liegen daher die Voraussetzungen der Schutzschranke des Art 12 lit b GMV vor, so fehlt es an einer aufzugreifenden Verletzung der Gemeinschaftsmarke und kommt daher die von der Klägerin zur Begründung ihres Anspruchs herangezogene Bestimmung des Art 102 (ex Art 98) GMV Sanktionen nicht zum Tragen.

4. Die Benutzung der Marke entspricht insbesondere dann nicht den anständigen Gepflogenheiten in Gewerbe oder Handel, wenn sie in einer Weise erfolgt, die glauben machen kann, dass eine Handelsbeziehung zwischen dem Dritten und dem Markeninhaber besteht; sie den Wert der Marke dadurch beeinträchtigt, dass sie deren Unterscheidungskraft oder deren Wertschätzung in unlauterer Weise ausnutzt; durch sie diese Marke herabgesetzt oder schlechtgemacht wird; oder der Dritte seine Ware als Imitation oder Nachahmung der Ware mit der Marke darstellt, deren Inhaber er nicht ist (EuGH C 228/03 Gillette Company/LA-Laboratories). Bei Prüfung der Frage, ob die Beklagte die gegenständliche Wortfolge als bloße Bestimmungsangabe verwendet, ist die Kennzeichnungskraft der Gemeinschaftsmarke der Klägerin zu berücksichtigen. Je geringer diese ist, umso eher werden die angesprochenen Verkehrskreise damit identische oder verwechselbar ähnliche Zeichen als Bestimmungsangabe auffassen (vgl 17 Ob 18/09k Gute Laune Tee).

5. Im vorliegenden Fall kommt der Klagsmarke zweifellos nur eine sehr geringe Kennzeichnungskraft zu. Die Wortfolge „Ski in Ski out“ oder ähnlich wird in der Skiregion, in der die Streitteile beheimatet sind, verbreitet für die Bezeichnung der direkten Anbindung des jeweiligen Hotel- oder Gastronomiebetriebs an Pisten bzw Liften verwendet. Das Rekursgericht ist daher vertretbar davon ausgegangen, dass die Beklagte die Wortfolge „Ski in Ski out“ als ihre Dienstleistung beschreibende Angabe gebraucht. Diese nicht markenmäßige Verwendung entspricht nach dem festgestellten Sachverhalt den „anständigen Gepflogenheiten in Gewerbe oder Handel“ im Sinn von Art 12 lit b GMV.

6. Der Revisionsrekurs der Klägerin ist daher als unzulässig zurückzuweisen.

7. Die Beklagte hat in ihrer Revisionsrekursbeantwortung nicht auf die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses hingewiesen. Der Schriftsatz war daher als nicht der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung dienlich nicht zu honorieren.