JudikaturJustiz3Ob93/64

3Ob93/64 – OGH Entscheidung

Entscheidung
08. September 1964

Kopf

SZ 37/115

Spruch

Einer Exekution zur Hereinbringung einer Forderung, zu deren Gunsten dem betreibenden Gläubiger ein Zurückbehaltungsrecht zusteht, kann die Zubehöreigenschaft (§ 252 (1) EO.) des zurückbehaltenen und nun gepfändeten Gegenstandes nicht wirksam entgegengehalten werden.

Entscheidung vom 8. September 1964, 3 Ob 93, 94/64. I. Instanz:

Bezirksgericht Voitsberg; II. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz.

Text

Die beiden Verpflichteten sind Miteigentümer zu verschiedenen Anteilen von land- und forstwirtschaftlichen Grundstücken im Ausmaße von insgesamt über 30 ha. Sie haben im Jahre 1956 oder 1957 einen Traktor erworben und ihn zur Bewirtschaftung dieser Liegenschaften eingesetzt. Es handelt sich um ihr einziges Zuggerät. Der Traktor wurde im April 1961 als Wrack zur Generalreparatur zum betreibenden Gläubiger gebracht. Er befindet sich dortselbst auch heute noch, weil der betreibende Gläubiger unter Geltendmachung seines Zurückbehaltungsrechtes (§ 471 ABGB.) die Rückgabe an die Verpflichteten von der Zahlung der Reparaturkosten von über 20.000 S, die von den Verpflichteten bisher nicht geleistet worden ist, abhängig macht.

Der betreibende Gläubiger erwirkte beim Landesgericht für ZR8. Graz gegen den Zweitverpflichteten Johann W. am 10. Mai 1962 ein Urteil auf Zahlung von 20.969.78 S s. A. und gegen die Erstverpflichtete Cäcilia W. am 29. November 1962 ein Urteil auf Zahlung von 24.827.26 S s. A. Das Erstgericht bewilligte ihm mit Beschlüssen vom 6. Juni 1962 und 28. Dezember 1962 zur Hereinbringung dieser Forderungen die Fahrnisexekution und vollzog sie antragsgemäß durch Pfändung des beim betreibenden Gläubiger befindlichen Traktors.

Das Erstgericht stellte auf Antrag der Verpflichteten die Exekution bezüglich des Traktors unter gleichzeitiger Aufhebung aller bis dahin vollzogenen ("auf diesen Pfandgegenstand bezughabenden") Exekutionshandlungen gemäß §§ 39 (1) Z. 2, 252 EO. ein.

Das Rekursgericht änderte den erstgerichtlichen Beschluß im Sinne der Abweisung des Antrages der Verpflichteten. Es vertrat die Rechtsansicht, daß der Traktor seine ursprüngliche Eigenschaft als Zubehör der Liegenschaft der Verpflichteten verloren habe, weil von einer zeitweiligen Lostrennung zwecks Reparatur von der Liegenschaft der Verpflichteten (seit April 1961) nicht mehr die Rede sein könne, wenn die Verpflichteten, aus welchen Gründen immer, es unterlassen haben, die Reparaturkosten für die Instandsetzung des Pfandgegenstandes zu begleichen. Es komme dazu, daß der Traktor im Zeitpunkte der Pfändung (am 20. Juni 1962) sich nicht mehr auf der Liegenschaft der Verpflichteten, sondern beim betreibenden Gläubiger in Verwahrung befunden habe und daher in diesem Zeitpunkt und nunmehr nach über drei Jahren rückschauend zur dauernden Bewirtschaftung der Liegenschaften der Verpflichteten nicht mehr gedient habe und diene. Einer Sache, die aber dem Betrieb nicht dienlich sei bzw. infolge des Zurückbehaltungsrechtes der betreibenden Partei, bedingt durch das Verhalten der Verpflichteten, durch so lange Zeit dem Betriebe nicht dienlich habe sein können, könne nicht mehr die Zubehörseigenschaft zuerkannt werden. Die Verpflichteten hätten schließlich durch ihr Verhalten selbst unmißverständlich zum Ausdruck gebracht, daß sie gar nicht die Absicht haben, den Traktor wieder auf der Liegenschaft zu verwenden. Es sei noch erwähnt, daß selbst eine Einstellung der Exekution in Ansehung des Traktors das Zurückbehaltungsrecht des betreibenden Gläubigers im Sinne des § 471 ABGB. nicht aufheben würde und die Verpflichteten erst nach vollständiger Bezahlung der vollstreckbaren Forderung den Traktor auf ihrer Liegenschaft wieder verwenden könnten.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs der beiden verpflichteten Parteien nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Es steht außer Zweifel, daß der Traktor durch die Widmung der Verpflichteten im Verhältnis zu ihren Liegenschaften im Ausmaße von über 30 ha und seine dauernde Verwendung bei der Bestellung der Liegenschaften ein Zugehör der Liegenschaft geworden ist (§ 294 ABGB.). Es trifft auch zu, daß die vorübergehende Entfernung eines Traktors von den Grundstücken, denen er dient, zum Zwecke der Reparatur die Pertinenzqualität nicht aufhebt (GlUNF. Nr. 6491). Die Entfernung des Traktors von den Grundstücken währt hier auch nach der Reparatur weiter, weil die Verpflichteten die darauf entfallenden Kosten nicht bezahlt oder sichergestellt haben und der betreibende Gläubiger das Zurückbehaltungsrecht an dem Traktor, zu dessen Ausübung er gemäß § 471 ABGB. berechtigt ist, für diese Kosten geltend macht.

Das Zurückbehaltungsrecht befugt den Inhaber der geschuldeten Sache zur Zurückbehaltung mit der Wirkung, daß er zur Herausgabe nur gegen Zug um Zug zu bewirkende Gegenleistung verurteilt werden kann. Der Zurückbehaltungsberechtigte kann aber auch, wenn er für die durch das Zurückbehaltungsrecht geschützte Forderung einen vollstreckbaren Titel erlangt hat, diese durch Exekution in die zurückbehaltene Sache eintreiben (Klang[2] II S. 546 f.). Anderenfalls hätte es der Schuldner, bei dem andere verwertbare Gegenstände gar nicht oder nur mit einem erhöhten Kostenrisiko greifbar wären, in der Hand, die Befriedigung des zurückbehaltungsberechtigten Gläubigers unbegrenzt in die Länge zu ziehen und damit den Wert des Zurückbehaltungsrechtes illusorisch zu machen.

Wie sich aus der Aktenlage ergibt, treibt der betreibende Gläubiger mit der anhängigen Exekution jene Forderungen gegen die Verpflichteten ein, die durch das ihm zustehende Zurückbehaltungsrecht an dem in Exekution gezogenen Gegenstand geschützt sind. Gegen eine solche Exekutionsführung kann auch nicht mit Erfolg eingewendet werden, sie sei unzulässig, weil der Pfandgegenstand Zugehör einer Liegenschaft sei und daher nur mit dieser Liegenschaft selbst in Exekution gezogen werden dürfe (§ 252

(1) EO.). Dies gilt aus denselben Erwägungen, die für die Zulassung der Exekution in den Zurückbehaltungsgegenstand zur Hereinbringung der durch das Zurückbehaltungsrecht geschützten Forderung bereits angeführt wurden und die in der Bestimmung des § 471 ABGB. eine Gläubigerschutznorm erkennen lassen, gegenüber der unter den zitierten Voraussetzungen die Bestimmung des § 252 (1) EO. keine Anwendung finden kann.

Es erübrigt sich daher ein Eingehen auf die Frage, ob die Zubehörseigenschaft des in Exekution gezogenen Traktors aus den vom Rekursgericht angenommenen Gründen aufgehoben worden ist.

Der angefochtene Beschluß war, wenn auch aus anderen Gründen, im Ergebnis jedenfalls zu bestätigen.