JudikaturJustiz3Ob407/58

3Ob407/58 – OGH Entscheidung

Entscheidung
07. November 1958

Kopf

SZ 31/133

Spruch

Bestellung eines Liquidators einer offenen Handelsgesellschaft durch das Gericht.

Entscheidung vom 7. November 1958, 3 Ob 407/58.

I. Instanz: Landesgericht Innsbruck; II. Instanz: Oberlandesgericht Innsbruck.

Text

Die offene Handelsgesellschaft Conditorei Cafe Sch. Co. wurde durch rechtskräftiges Urteil aufgehoben. Das Registergericht forderte die Gesellschafter auf, binnen Monatsfrist gemäß § 148 HGB. die Liquidatoren zum Handelsregister anzumelden. Noch innerhalb der offenen Monatsfrist stellte Peter T. den Antrag, Rechtsanwalt Dr. N. zum Liquidator zu bestellen, und verwahrte sich gleichzeitig gegen eine Bestellung seiner Mitgesellschafter zu Liquidatoren. Er meldete, daß der Gesellschafter Kurt Sch. seit Mai 1958 nach den USA. verreist und unbekannten Aufenthaltes sei. In einer weiteren Eingabe teilte er mit, daß die Bemühungen um eine einverständliche Ernennung von Liquidatoren gescheitert seien, und beantragte die Bestellung von zwei Liquidatoren von Amts wegen. Drei Tage später wurde ein Antrag der Gesellschafter, Peter T., Edith Sch. und Josef M. auf Eintragung der Liquidatoren Dr. L. und Dr. N. überreicht, wobei gleichzeitig mitgeteilt wurde, daß der dritte Gesellschafter Kurt Sch. unbekannten Aufenthaltes und auf unbestimmte Zeit abwesend sei.

Das Registergericht verfügte die Eintragung der gemäß § 146 HGB. als Liquidatoren bestellten Dr. Leopold N. und Dr. Magnus L. In der Begründung wird darauf verwiesen, daß zwar die Monatsfrist noch nicht abgelaufen sei, daß aber dem Auftrag durch die Gesellschafter nachgekommen worden sei, weil mitgeteilt wurde, daß eine Einigung sämtlicher Gesellschafter mit Rücksicht auf die Abwesenheit des Kurt Sch. nicht erzielt werden konnte. Der Gesellschafter Peter T. habe den Antrag auf amtswegige Bestellung von Liquidatoren gestellt, weil die wirtschaftliche Situation der Gesellschaft ein sofortiges Handeln erfordere. Das Erstgericht nahm als wichtigen Grund zur Bestellung von Liquidatoren durch das Gericht die Tatsache an, daß es zu keinem Gesellschafterbeschluß hinsichtlich der Person der Abwickler gekommen ist. Die beiden bestellten Anwälte besäßen die erforderlichen Fähigkeiten und Erfahrungen, wobei es kein Hindernis sei, daß Dr. N. bisher den Gesellschafter T. vertreten habe, weil ihm schon seine Standespflichten als Rechtsanwalt die ordnungsgemäße Erfüllung seiner Pflichten als Abwickler auferlegten.

Der Gesellschafter Kurt Sch. beschwerte sich durch seinen ausgewiesenen Vertreter gegen die Verfügung unter Hinweis darauf, daß in erster Linie die Gesellschafter selbst als Liquidatoren berufen seien und kein wichtiger Grund vorliege, von diesem Grundsatz abzugehen. Da zwischen den Gesellschaftern sehr große Spannungen bestunden, könne jedenfalls der Vertreter eines Gesellschafters nicht ohne Zustimmung der anderen als Liquidator berufen werden. Dr. N. habe immer nur die Interessen des Gesellschafters Peter T. vertreten und nie die Interessen der Gesellschaft.

Das Rekursgericht bestätigte den erstgerichtlichen Beschluß hinsichtlich der Bestellung des Liquidators Dr. L., hob aber den Beschluß im übrigen auf und trug dem Erstgericht die Bestellung eines anderen Liquidators an Stelle des Dr. N. auf. Das Gesetz gebe keinen Anhaltspunkt, welcher Grund als wichtig anzusehen sei, um die Liquidatorenbestellung durch das Gericht zu rechtfertigen. Wichtige Gründe lägen aber jedenfalls vor, wenn eine gedeihliche Durchführung der Liquidation durch die vom Gesetz berufenen Liquidatoren nicht zu erwarten sei. Der Gesellschafter Kurt Sch. befinde sich im Ausland, und schon dieser Umstand allein lasse seine Bestellung als Liquidator untunlich erscheinen, wozu noch die zwischen den Gesellschaftern bestehenden tiefgreifenden Unstimmigkeiten träten, die sich aus dem Inhalt des abgeführten Rechtsstreits über die Kündigung der Gesellschaft sowie aus der gegen Kurt Sch. erstatteten Strafanzeige ergäben. Die Bestellung des Dr. N. zum Liquidator sei aber nach der gegebenen Sachlage nicht vertretbar. Der Gesellschafter Kurt Sch. müsse bei ihm immer den Eindruck haben, daß er nicht so sehr die Belange der Gesellschaft als die des bisher von ihm vertretenen Gesellschafters verfolge. Es fehle ihm daher das erforderliche Vertrauen aller Gesellschafter.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs des Gesellschafters Peter T. nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Der Gesellschafter Peter T. vertritt die Ansicht, daß hier der Fall einer Bestellung von Liquidatoren im Sinne des § 146 Abs. 1 HGB. durch Beschluß der Gesellschafter vorliege, weil sich der Gesellschafter Kurt Sch. trotz Kenntnis der Notwendigkeit, Liquidatoren namhaft zu machen, ins Ausland begeben habe. Die Beschlußfassung der Gesellschafter bedürfe nach § 119 HGB. der Zustimmung aller zur Mitwirkung berufenen Gesellschafter. Als solcher könne Kurt Sch. mit Rücksicht auf sein Verhalten nicht angesehen werden. Seine Handlungsweise könne nur als Verzicht auf eine Mitwirkung gewertet werden.

Diese Rechtsansicht ist durch die Bestimmung des § 119 HGB. nicht gedeckt. Nach dieser Gesetzesstelle bedürfen Gesellschafterbeschlüsse der Zustimmung aller zur Mitwirkung berufenen Gesellschafter. Nach § 148 HGB. sind aber die Liquidatoren von sämtlichen Gesellschaftern zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden. Durch diese Bestimmung ist daher auch der abwesende Gesellschafter zur Mitwirkung bei der Handelsregistereintragung berufen, und ohne seine Mitwirkung kann eine Eintragung nach § 148 HGB. nicht erfolgen. Die Einigung der übrigen Gesellschafter genügt daher nicht, um einen Gesellschafterbeschluß auf Bestellung von Liquidatoren nach § 146 Abs. 1 HGB. wirksam werden zu lassen. Es blieb daher infolge Abwesenheit eines Gesellschafters nur der Weg der gerichtlichen Bestellung nach § 146 Abs. 2 HGB. Mit Recht wurde daher über Antrag eines Beteiligten dieser Weg beschritten.

Wer vom Gericht als Liquidator zu bestellen ist, ist eine Ermessensfrage. Ein Recht, vom Gericht als Liquidator bestellt zu werden, haben auch die Gesellschafter nicht. Es ist im Ergebnis auch den Erwägungen des Rekursgerichtes zuzustimmen, daß Dr. N. als ständiger Vertreter des Gesellschafters Peter T. in allen gegen den Gesellschafter Kurt Sch. gerichteten Rechtsstreitigkeiten nicht als geeigneter Liquidator angesehen werden kann, weil eine Interessenkollision nicht auszuschließen ist. Dr. N. hat einerseits als Vertreter eines Gesellschafters dessen Weisungen zu befolgen und andererseits als Liquidator nur die Interessen der Gesellschaft zu vertreten. Es ist durchaus denkbar, daß diese Interessen nicht immer parallel laufen. Diese Möglichkeit wird auch nicht dadurch aufgehoben, daß Peter T. zur Hälfte an der Gesellschaft beteiligt ist und hauptsächlich sein Vermögen durch die Liquidation betroffen wird. Es stehen auch die Interessen der anderen Gesellschafter ebenso auf dem Spiel. Die Heranziehung der Gesellschafter selbst als Liquidatoren wird immer nur dann am Platz sein, wenn zwischen den Gesellschaftern Einigkeit besteht; im Falle von Streitigkeiten dagegen wird immer einem Liquidator der Vorzug zu geben sein, der den einander bekämpfenden Gesellschaftergruppen fernsteht und von ihren Interessen unbeeinflußt ist.

Im übrigen müßte nunmehr auch beachtet werden, daß sich sämtliche Gesellschafter durch ihre Vertreter bereits über die Person des Liquidators geeinigt haben, so daß überhaupt jeder Grund weggefallen ist, die ursprüngliche Verfügung des Registergerichts wiederherzustellen.