JudikaturJustiz3Ob22/04p

3Ob22/04p – OGH Entscheidung

Entscheidung
29. Juni 2004

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Pimmer, Dr. Zechner, Dr. Sailer und Dr. Jensik als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei X***** Ltd., *****, Volksrepublik China, vertreten durch Baier Böhm Orator Partner, Rechtsanwälte in Wien, wider die verpflichtete Partei S***** Aktiengesellschaft, *****, vertreten durch Dr. Arnold Gerscha, Rechtsanwalt in Wien, wegen 952.558,08 USD (Vollstreckbarerklärung), 299.374,08 USD (Exekutionsbewilligung) und jeweils 2,093.244,80 RMB, infolge außerordentlichen Revisionsrekurses der verpflichteten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 27. November 2003, GZ 46 R 429/03h 24, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß § 78 EO iVm § 526 Abs 2 erster Satz ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Die nun verpflichtete österr. Aktiengesellschaft lieferte der nun betreibenden chinesischen Gesellschaft 5.029 t - zum zumindest teilweisen Weiterverkauf - aus der Ukraine stammende, gerollte warmgewalzte Stahlbleche (im Folgenden nur Bleche) zum Preis von 225 USD pro t. Die Bleche wurden wegen ihrer mangelnden Qualität bemängelt. Über die Berechtigung der Rückforderung des bereits bezahlten Kaufpreises von 1,131.558,08 USD (5.029,147 t x 225 USD) entschied vereinbarungsgemäß endgültig ein näher bezeichnetes chinesisches Schiedsgericht nach chinesischem Recht.

Mit dem angefochtenen Beschluss bestätigte das Rekursgericht die Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs des chinesischen Schiedsgerichts vom 6. August 1999 in der berichtigten Fassung vom 19. August 1999 (berichtigter Schiedsspruch) für Österreich sowie die Exekutionsbewilligung zur Hereinbringung eines Teils des mit dem Titel zugesprochenen Betrags. Nach dem unberichtigten Schiedsspruch hatte, soweit hier von Belang, die nun betreibende Partei 4.144,90 t noch nicht verwendete Bleche der verpflichteten Partei (auf deren Kosten) zurückzugeben und Letztere den anteiligen Warenpreis von 932.602,50 USD (4.144,90 t x 225 USD) zurückzuerstatten (Punkt III.1), weiters hatte die betreibende Partei für die bereits verwendeten 884,247 t der verpflichteten Partei den "Einkaufspreis" von 179.000 USD zu zahlen (Punkt III.2) und die verpflichtete Partei der betreibenden Partei für diverse wirtschaftliche Schäden eine - nicht Gegenstand des nunmehrigen Rechtsmittelverfahrens bildende - Entschädigung von 1,828.240 RMB (Renminbi, auch Yuan; Punkt III.3). Nach Saldierung ergäben sich die beiden Beträge von 753.602,50 USD und 2,093.244,80 RMB (einschließlich der vorgestreckten Kosten des Schiedsverfahrens), die von der verpflichteten Partei an die betreibende Partei binnen 45 Tagen nach Ergehen des Schiedsspruchs zu zahlen seien (Punkt III.6.). Nach der Berichtigung ("in Korrektur eines Rechenfehlers") wurde mit dem berichtigten Schiedsspruch entschieden, dass die nun betreibende Partei (Käuferin) für die bereits verwendeten Bleche einen Warenpreis von (nur) 179.000 USD zahlen müsse, der von der betreibenden Partei für diesen Warenanteil zu viel bezahlte Kaufpreis von 19.955,58 USD sei von der verpflichteten Partei (Verkäuferin) der betreibenden Partei zurückzuerstatten, insgesamt müsse die verpflichtete Partei der betreibenden Partei 952.558,08 USD sowie 2,093.244,80 RMB zurückerstatten. Die Berichtigung ging dahin, dass der der verpflichteten Partei (Verkäuferin) zustehende Kaufpreisteil vom Gesamtkaufpreis und nicht vom Preis für die zurückzustellenden Bleche abgezogen wurde und in der Verdeutlichung, dass die verpflichtete Partei für die nicht verwendeten Bleche nicht den vereinbarten Kaufpreis von 884,247 t x 225 USD = 198.955,58 USD, sondern nur einen reduzierten Kaufpreis von 179.000 USD behalten könne, womit sich die Forderung der betreibenden Partei um 19.955,58 USD erhöhte. Das ergab den nunmehrigen Zuspruch von 952.558,08 USD (Gesamtkaufpreis von 1,131.558,08 USD abzüglich des reduzierten Kaufpreises für die verwendeten Bleche von nur 179.000 USD). Punkt III. 2. des korrigierten Schiedsspruchs ist so zu verstehen, dass die 179.000 USD nicht den "tatsächlichen", sondern den "rationellen" iS von vernünftigen oder marktkonformen oder richtigen Kaufpreis darstellen; damit erweist sich aber die Korrektur des Schiedsspruchs in der erfolgten Form als nur logisch. Dies vorangestellt zu den dies negierenden Berechnungen der verpflichteten Partei im Rechtsmittel. Die Korrektur durch das chinesische Schiedgericht erweist sich somit keineswegs als bedenklich, umso weniger aber als Verstoß gegen das nach der (nicht weiter zu überprüfenden) Auffassung der verpflichteten Partei zum österr. ordre public (iSd Art V Abs 2 lit b des hier unbestritten anzuwendenden New Yorker Übereinkommens über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche, BGBl 1961/200) zählende Antragsprinzip.

Rechtliche Beurteilung

Soweit nun die verpflichtete Partei erstmals in dem von der zweiten Instanz nicht zugelassenen Revisionsrekurs geltend macht, die Änderung des Schiedsspruchs sei antragslos erfolgt, weshalb der von Amts wegen zu berücksichtigende ordre public der Vollstreckbarerklärung entgegenstehe, fehlt es an jeglicher Grundlage für eine solche Beurteilung in den vorliegenden Urkunden (vgl. S 20 in Beilage B). Schon deshalb wird insoweit keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 78 EO iVm § 528 Abs 1 ZPO aufgeworfen.

Es wurde weder ausdrücklich eingewendet noch ist es aus den vorliegenden Urkunden ableitbar, dass die betreibende Partei in ihrem Abänderungsantrag an das chinesische Schiedsgericht die "Gegenforderung" der verpflichteten Partei (deren Kaufpreisforderung) unbestritten gelassen hätte. Damit kommt es aber auf die Beantwortung der im Revisionsrekurs in diesem Zusammenhang als erheblich iSd § 78 EO iVm § 528 Abs 1 ZPO bezeichneten Rechtsfragen in Wahrheit nicht an.

Auch sonst werden derartige Fragen nicht aufgezeigt. Nach Art V Abs 1 lit e des New Yorker Übereinkommens ist die Anerkennung und Vollstreckung eines Schiedsspruchs u.a. zu versagen, wenn die verpflichtete Partei beweist, dass der Schiedsspruch für die Parteien noch nicht verbindlich geworden ist oder dass er von einer zuständigen Behörde des Ursprungsstaats aufgehoben oder in seinen Wirkungen einstweilen gehemmt wurde. Im Rechtsmittel wurde geltend gemacht, nach "hA" "stehe die Antragstellung nach § 260 chZPO einer Vollstreckung des Schiedsspruchs entgegen, bis über den Antrag auf Nichtvollziehung entschieden" sei. Damit wird der Sache nach die einstweilige behördliche Hemmung der Vollstreckung des Schiedsspruchs behauptet.

Sieht man einmal vom Nachweis der Antragstellung ab, fehlt jeglicher Beweis für die bloß behauptete "herrschende Ansicht". Die hemmende Wirkung der bloßen Antragstellung ergibt sich aus den vorliegenden Gesetzestexten in keiner Weise, insbesondere auch nicht aus Art 261 chZPO (s dazu Senger/Xu, Internationales Privat- und Zivilverfahrensrecht der Volksrepublik China II 527); erkennbar besagt dieser nur, dass die gerichtliche Verfügung der Nichtvollstreckung eines chinesischen Schiedsspruchs mit Auslandsberührung die neuerliche Klagsmöglichkeit bewirkt, also wohl die "Rechtskraft" des Schiedsspruchs beseitigt. Strittig ist dabei nur, ob die alte Schiedsvereinbarung weiter gültig ist; lediglich zum Grund des Art 260 Z 1 chZPO (Fehlen einer Schiedsvereinbarung) hat das chinesische Oberste Volksgericht bereits die Möglichkeit einer - einer Hemmung wohl gleichkommenden - "Unterbrechung der Vollstreckung" nach Sicherheitsleistung des Verpflichteten dekretiert (aaO). Eine solche Unterbrechungsentscheidung hat aber die verpflichtete Partei im Rekurs ebenso wenig behauptet wie eine Antragstellung gerade nach dieser Bestimmung; aus Beilage F in ON 11 geht im Übrigen hervor, dass sich der Antrag tatsächlich nur auf Z 2 und 3 (dort bezeichnet als b) und c), nicht aber auf Z 1 stützte]. Im Ergebnis ist daher die Ansicht der zweiten Instanz mit der Einschränkung richtig, dass die Hemmung jedenfalls nicht erwiesen ist, darüber hinaus aber auch nicht einmal in einer dem Neuerungsverbot und dem Grundsatz der Einmaligkeit des Rechtsmittels konform die Antragstellung. Ein zu weitergehenden Ausführungen nötigender Unterschied zu deren Rechtsauffassung ergibt sich daraus aber nicht.

Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 83 Abs 2 EO iVm § 78 EO, § 528a, § 510 Abs 3 ZPO).