JudikaturJustiz3Ob202/14y

3Ob202/14y – OGH Entscheidung

Entscheidung
18. März 2015

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr.

Hoch als Vorsitzenden sowie die Vizepräsidentin Dr. Lovrek, die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch und die Hofrätin Dr. Kodek als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei V*****, vertreten durch Dr. Lindmayr, Dr. Bauer, Dr. Secklehner, Rechtsanwälte in Liezen, gegen die verpflichtete Partei K*****, wegen 43.231,52 EUR sA, über den Revisionsrekurs (Revisionsrekursinteresse 23.500 EUR) des Erstehers Mag. L*****, Rechtsanwalt, *****, gegen den Beschluss des Landesgerichts St. Pölten als Rekursgericht vom 16. Juli 2014, GZ 7 R 101/14d 28, womit über Rekurs der betreibenden Partei der Beschluss des Bezirksgerichts Scheibbs vom 19. Mai 2014, GZ 3 E 5008/13s 21, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der Beschluss des Rekursgerichts wird dahin abgeändert, dass der Beschluss des Erstgerichts wiederhergestellt wird.

Die betreibende Partei ist schuldig, dem Ersteher die mit 1.397,88 EUR bestimmten Kosten des Revisionsrekurses (darin enthalten  232,98 EUR USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Der Betreibenden wurde mit Beschluss des Erstgerichts vom 19. November 2013 zur Hereinbringung einer vollstreckbaren Forderung von 43.231,52 EUR sA die Zwangsversteigerung des der Verpflichteten gehörigen Hälfteanteils an einer näher bezeichneten Liegenschaft antragsgemäß bewilligt.

Ob dem Miteigentumsanteil der Verpflichteten ist aufgrund eines gerichtlichen Vergleichs vom 7. Juli 2009 zu TZ 200/2010 das vorrangige Pfandrecht für den Ersteher für den vollstreckbaren Betrag von 36.000 EUR einverleibt.

Dem Ersteher (der in der Versteigerungstagsatzung am 27. März 2014 über seinen Antrag vom Erlag des Vadiums befreit wurde) wurde der Hälfteanteil der Liegenschaft als Meistbietendem um das Meistbot von 23.500 EUR zugeschlagen.

Mit Schriftsatz vom 24. April 2014 beantragte der Ersteher, ihn vom Erlag des Meistbots zu befreien; Die dem Pfandrecht zugrundeliegende Forderung von 36.000 EUR hafte nach wie vor aus. Da die Forderung des Erstehers das Meistbot bei weitem übersteige, sei er zur Gänze von dessen Erlag zu befreien.

Die Betreibende sprach sich in ihrer Forderungsanmeldung gegen diesen Antrag aus: Zwar gehe dem Rang der Betreibenden das Pfandrecht des Erstehers bücherlich vor. Allerdings habe der Pfandgläubiger und nunmehrige Ersteher, der auch Vertreter der Verpflichteten gewesen sei, anlässlich der mündlichen Streitverhandlung vom 22. April 2009 im Titelverfahren erklärt, dass es ihm darum gehe, den Prozess so lang wie möglich zu ziehen; wenn andere Prozesse für die Verpflichtete gut verlaufen würden, könne die offene Forderung der nunmehrigen Betreibenden bedient werden. Andernfalls würde die Verpflichtete ohnedies insolvent werden. Nach dieser Verhandlung habe der Ersteher mit der Verpflichteten den gerichtlichen Vergleich vom 7. Juli 2009 geschlossen und das Pfandrecht über 36.000 EUR ob der in Zwangsversteigerung gezogenen Liegenschaftshälfte einverleiben lassen. Dabei handle es sich um eine iSd § 2 Z 1 AnfO anfechtbare Rechtshandlung, die in der dem Ersteher bekannten Absicht der Verpflichteten liege, ihre Gläubiger zu benachteiligen. Es lägen daher die Voraussetzungen für die Erhebung eines Widerspruchs gemäß § 213 Abs 1 EO vor.

Das Erstgericht erließ dem Ersteher mit Beschluss vom 19. Mai 2014 die Bezahlung des Meistbots mit der Begründung, dass das Meistbot zweifelsfrei zur Befriedigung der eigenen Ansprüche des Erstehers diene. Für die Beurteilung, ob die von der Übernahme betroffene Forderung aus dem Meistbot voraussichtlich zum Zuge gelange und der Ersteher daher insoweit das Meistbot nicht erlegen müsse, sei allein der Grundbuchstand maßgeblich.

In der Meistbotsverteilungstagsatzung am 22. Mai 2014 erhob die Betreibende Widerspruch gegen die Zuweisung der unter Hinweis auf das einverleibte Pfandrecht angemeldeten Forderung von 36.000 EUR sA. Der Ersteher bestritt die Verwirklichung eines Anfechtungstatbestands.

Mit Beschluss des Erstgerichts vom 22. Mai 2014 wies das Erstgericht das Meistbot von 23.500 EUR dem Ersteher auf Abschlag der zu C LNR 5 aufgrund des gerichtlichen Vergleichs vom 7. Juli 2009 einverleibten Forderung zu und sprach aus, dass das Meistbot dadurch erschöpft sei. Die Betreibende wurde mit ihrem Widerspruch auf den Rechtsweg verwiesen und ausgesprochen, sie habe binnen einem Monat nach Zustellung des Verteilungsbeschlusses nachzuweisen, dass sie das zur Erledigung des Widerspruchs notwendige Streitverfahren bereits anhängig gemacht habe, widrigenfalls der Verteilungsbeschluss auf Antrag des Pfandgläubigers (Erstehers) ohne Rücksicht auf den Widerspruch ausgeführt werde.

Dieser (der Betreibenden am 26. Mai 2014 zugestellte) Beschluss des Erstgerichts erwuchs in Rechtskraft.

Mit Schriftsatz vom 18. Juni 2014 übermittelte die Betreibende eine beim Erstgericht am selben Tag gegen den Ersteher als Beklagten eingebrachte Anfechtungsklage, die sie zusammengefasst darauf stützte, dass die Verpflichtete und der Ersteher bei Abschluss des Vergleichs in Benachteiligungsabsicht gehandelt hätten. Das Klagebegehren ist auf Zahlung von 23.500 EUR sA gerichtet; ein dazu erhobenes Eventualbegehren lautet auf Duldung der Ausfolgung des Meistbots an die Betreibende ohne Berücksichtigung des zugunsten des Erstehers einverleibten Pfandrechts. Mit rechtskräftigem Beschluss vom 27. August 2014 ließ das Erstgericht in dem zu 2 C 638/14g geführten Verfahren über die Klage eine von der Betreibenden als Klägerin vorgenommene Klageänderung auf Feststellung, dass ein Anspruch des beklagten Erstehers auf Zuweisung aus dem Meistbot nicht bestehe, nicht zu, sprach seine sachliche und örtliche Unzuständigkeit aus und überwies die Rechtssache über Antrag der Klägerin (Betreibenden) an das nicht offenbar unzuständige Landesgericht Leoben.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Betreibenden gegen den Beschluss des Erstgerichts, womit dieses den Ersteher vom Erlag des Meistbots befreite, Folge und änderte den Beschluss des Erstgerichts dahin ab, dass es den Antrag des Erstehers auf Befreiung vom Erlag des Meistbots abwies.

Dazu führte das Rekursgericht aus, das Vorbringen der Betreibenden zum behaupteten Vorliegen eines Anfechtungstatbestands erwecke begründete Zweifel daran, dass die Forderung des Erstehers, die aus dem Meistbot zu berichtigen sei, zweifelsfrei feststehe.

Den Revisionsrekurs erklärte das Rekursgericht für zulässig, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage fehle, was unter „begründeten Zweifeln“ zu verstehen sei.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen vom Ersteher erhobene Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht genannten Grund zulässig und im Sinn einer Wiederherstellung der Entscheidung des Erstgerichts auch berechtigt.

1. Gemäß § 152 Abs 1 Satz 3 EO vermindert sich der zu erlegende Meistbotsbetrag um jene Beträge, die auf Forderungen von Pfandgläubigern entfallen, die aus dem Meistbot voraussichtlich zum Zuge gelangen und mit der Übernahme der Schuld durch den Ersteher einverstanden sind oder auf pfandrechtlich sichergestellte Forderungen, Dienstbarkeiten, Ausgedinge und andere Reallasten entfallen, die vom Ersteher in Anrechnung auf das Meistbot übernommen werden müssen.

2. In Lehre und Rechtsprechung besteht Einigkeit darüber, dass es auch einen Fall der Verminderung des bar zu erlegenden Betrags darstellt, wenn ein bei der Versteigerung zum Zuge kommender Buchberechtigter die Liegenschaft ersteht. In diesem Fall ist er auf Antrag vom Erlag jenes Teils des Meistbots zu befreien, der zweifelsfrei zur Befriedigung seiner eigenen Ansprüche zu dienen hat ( Heller/Berger/Stix EO 4 1204; Angst in Angst , EO 2 § 152 Rz 4; Neumayr in Burgstaller/Deixler Hübner , EO § 152 Rz 8; 3 Ob 196/03z).

3. Dem Erstgericht ist darin beizupflichten, dass für die Beurteilung, ob das Meistbot (bzw ein Teil des Meistbots) „zweifelsfrei“ zur Befriedigung der Ansprüche des Erstehers zu dienen hat, grundsätzlich der Grundbuchstand maßgebend ist.

Würde wovon das Rekursgericht und die Betreibende ausgehen bereits der Widerspruch gegen die Anrechnung einer pfandrechtlich sichergestellten (und vom Pfandgläubiger angemeldeten) Forderung ausreichen, Zweifel an der vorzugsweisen Befriedigung des Pfandgläubigers zu erwecken, wäre dem § 235 Abs 1 EO, der analog anzuwenden ist, wenn der Ersteher selbst als Buchberechtigter zum Zuge kommt ( Angst in Angst , EO² § 152 Rz 4), der Anwendungsbereich entzogen: Der Gesetzgeber hat mit dieser Bestimmung gerade für den Fall eines Erfolgs des Widerspruchs gegen Forderungen, die in Anrechnung auf das Meistbot übernommen wurden, Vorsorge getroffen und angeordnet, dass in diesem Fall dem Ersteher nach Rechtskraft der positiven Entscheidung über den Widerspruch der Auftrag zu erteilen ist, den Meistbotsrest binnen 14 Tagen bei Gericht zu erlegen. Auch im Widerspruchsfall ist daher der Ersteher nicht verpflichtet, jenen Betrag zu erlegen, der der Befriedigung der dem Widerspruch zugrundeliegenden Forderung dient. Solange ein günstiger Erfolg des Widerspruchs nicht rechtskräftig feststeht, ist allein der Grundbuchstand maßgeblich ( Heller/Berger/Stix EO² 1204 f).

4. Bereits aus diesem Grund ist dem berechtigten Revisionsrekurs Folge zu geben und der erstgerichtliche Beschluss wiederherzustellen. Wie sich der Umstand auswirkt, dass die Betreibende innerhalb der Frist des § 231 Abs 2 EO lediglich eine Anfechtungsklage, nicht aber eine Widerspruchsklage erhob (vgl Angst in Angst , EO² § 231 Rz 7 mwN), muss daher nicht geprüft werden.

5. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsrekurses gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO iVm § 78 EO.