JudikaturJustiz3Ob175/06s

3Ob175/06s – OGH Entscheidung

Entscheidung
30. November 2006

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Zechner, Dr. Prückner, Hon. Prof. Dr. Sailer und Dr. Jensik als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Parteien 1. Wiener Gebietskrankenkasse, ***** 2. E*****, vertreten durch Dr. Stefan Duschel und Mag. Klaus Hanten, Rechtsanwälte in Wien, 3. R***** GmbH, ***** vertreten durch Dr. Bertram Broesigke und Dr. Wolfgang Broesigke, Rechtsanwälte in Wien, wider die verpflichtete Partei Verlassenschaft nach dem am 17. Juni 2005 verstorbenen Herbert Karl M*****, zuletzt ***** vertreten durch Dr. Erich Hirt, Rechtsanwalt in Wien, wegen insgesamt 145.075,76 EUR sA, infolge Rekurses des Bieters Dipl. Ing. Klaus D*****, vertreten durch Dr. Peter H. Jandl, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 23. Februar 2006, GZ 46 R 37/06s-71, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Hernals vom 6. September 2005, GZ 30 E 22/03h-56, abgeändert wurde, den Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Der Bieter Dipl. Ing. Klaus D***** hat die Kosten seines erfolglosen Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Im Zuge des zugunsten der betreibenden Parteien wider die verpflichtete Partei geführten Zwangsversteigerungsverfahrens fand am 15. April 2005 die Versteigerungstagsatzung statt.

Die Geschäftsführerin der Meistbieterin (mit einem Meistbot von 22.700 EUR) erlegte ein Sparbuch als Vadium, dessen Einlagestand um 0,30 EUR zu gering war (1.245 EUR anstatt der erforderlichen 1.245,30 EUR entsprechend 10 % vom Schätzwert des versteigerten Objekts). Das Erstgericht gestattete dem Vertreter der Meistbieterin, den Gerichtssaal zu verlassen, um die fehlenden 30 Cent auf das Sparbuch einzuzahlen. Während seiner Abwesenheit entwickelte sich eine Diskussion zwischen der die Versteigerungstagsatzung leitenden Richterin und jenem Bieter, der das zweitbeste Gebot abgegeben hatte. Daraufhin führte die die Versteigerung leitende Richterin das Versteigerungsverfahren ausgehend vom zweitbesten Gebot weiter und erteilte diesem Bieter den Zuschlag, noch bevor der Vertreter der ursprünglichen Meistbieterin in den Verhandlungssaal zurückgekehrt war.

Das Erstgericht begründete den Zuschlagsbeschluss damit, dass der Meistbietende das Vadium unverzüglich in Form einer Sparurkunde zu erlegen habe, andernfalls ausgehend von dem dem Bietgebot des Meistbietenden vorangehenden Bietgebot die Versteigerung weiterzuführen sei. Die Vertreterin der zunächst Meistbietenden habe ein Sparbuch mit ungenügendem Einlagestand vorgelegt. Ihr sei daher der Zuschlag zu versagen und ausgehend von dem vorangehenden Bietgebot die Versteigerung fortzuführen gewesen.

Das Rekursgericht hob die Zuschlagserteilung auf, wies die Exekutionssache zur neuerlichen Entscheidung über die Zuschlagserteilung an das Erstgericht zurück, sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR übersteige und der Rekurs an den Obersten Gerichtshof mangels Rsp zur Auslegung des Begriffs „unverzüglicher Erlag" zulässig sei.

Der Zweck des Vadiums liege einerseits darin, eine gewisse Ernstlichkeit der Erwerbsabsichten des Bieters zu gewährleisten und andererseits darin, die Erfüllung der den Ersteher treffenden Pflichten sicherzustellen. Das Vadium hafte als Pfand für alle aus der Versteigerung wider den Meistbietenden sich ergebenden Ansprüche. Diesen Zweck könne ein Fehlbetrag von bloß 0,30 EUR nicht beeinträchtigen. Das Erstgericht habe überdies zunächst einem Nachtrag von 0,30 EUR auf das Sparbuch zugestimmt und damit zu verstehen gegeben, unter der Voraussetzung des umgehenden Nachtrags vom „unverzüglichen Erlag" des Vadiums auszugehen. Daran könne nichts ändern, dass sich das Gericht vom nachfolgenden Bieter dazu drängen habe lassen, ausgehend von dessen Bietgebot die Versteigerung fortzuführen. Das Erstgericht hätte daher jedenfalls nach der veranlassten Ergänzung des Einlagestands der (ursprünglichen) Meistbietenden den Zuschlag zu erteilen gehabt. Eine entsprechende Abänderung komme aber nicht in Betracht, weil eine Zuschlagserteilung den Erlag des Vadiums voraussetze.

Der Rekurs des Erstehers, mit dem er die Abänderung des rekursgerichtlichen Aufhebungsbeschlusses dahin, dass der vom Erstgericht erteilte Zuschlag wiederhergestellt werde, anstrebt, ist zulässig, aber nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 148 Abs 1 EO ist der Meistbietende vor Zuschlagserteilung zum Erlag des Vadiums aufzufordern. Erlegt er nicht unverzüglich, so ist ausgehend von dem dem Bietgebot des Meistbietenden vorangehenden Bietgebot die Versteigerung weiterzuführen und über den Meistbietenden, der die Sicherheitsleistung nicht erlegt hat, eine Ordnungsstrafe bis zu 10.000 EUR zu verhängen. Während für die Rechtslage vor der EO-Nov 2000 aus § 180 Abs 4 EO idF vor dieser Nov abzuleiten war, dass jeder Bietinteressent vor Abgabe eines Anbots das Vadium zu erlegen hat, ist dies nunmehr nicht mehr vorgesehen und möglich. Das Vadium ist erst zu erlegen, wenn ungeachtet einer zweimaligen Aufforderung zum Bieten kein höheres Anbot abgegeben wurde. Denjenigen, der in diesem Zeitpunkt das höchste Gebot abgegeben hat, trifft die Pflicht zum Erlag des Vadiums, wenn ihm dieser Erlag nicht gemäß § 147 Abs 3 EO erlassen wird. Erlegt er das Vadium nicht, so ist über ihn eine Ordnungsstrafe bis zu 10.000 EUR zu verhängen. Außerdem ist die Versteigerung weiterzuführen, worüber ein Beschluss zu verkünden und gemäß § 59 Abs 3 EO im Protokoll zu beurkunden ist. Dieser Beschluss kann gemäß § 239 Abs 2 EO mit abgesondertem Rekurs nicht angefochten werden. Wird die Versteigerung zu Unrecht weitergeführt, so bildet dies den Widerspruchsgrund nach § 184 Abs 1 Z 5 EO und ein entsprechender Widerspruch ist gemäß § 187 EO Voraussetzung dafür, dass der Beschluss über die Erteilung des Zuschlags (und damit auch der Beschluss über die Weiterführung der Wiederversteigerung) mit Rekurs angefochten werden kann (Angst in Angst, EO, § 184 Rz 1).

Im vorliegenden Fall hat die (ursprünglich) Meistbietende lediglich ein Sparbuch mit einem Einlagestand von 1.245 EUR unmittelbar nach jenem Zeitpunkt, als ihr Meistbot als solches feststand, vorgelegt. 0,30 EUR fehlten auf den gemäß § 147 Abs 1 EO ermittelten Betrag von 10 % des Schätzwerts. Der Oberste Gerichtshof schließt sich der Ansicht des Rekursgerichts an, dass das als Vadium dienende Sparbuch mit einem lediglich um 0,30 EUR zu geringen Einlagestand als taugliches Vadium anzusehen ist. Der Zweck des Vadiums, eine gewisse Ernstlichkeit der Erwerbsabsichten des Bieters zu gewährleisten, wird durch die bloß ganz geringfügige Unterschreitung des Erlagserfordernisses nicht ernstlich gefährdet. Der weitere Zweck, die Erfüllung der den Ersteher treffenden Pflichten sicherzustellen, indem das Vadium als Pfand für alle aus der Versteigerung wider den Meistbietenden sich ergebenden Ansprüche dient, wird durch eine derart geringfügige Unterschreitung des Mindestbetrags gleichfalls nicht gefährdet. Überdies entspricht es der Rsp des Obersten Gerichtshofs auch in anderen Rechtsbereichen (etwa beim Eintritt der Verzugsfolgen bei Vereinbarung eines „Terminsverlusts") gravierende Rechtsfolgen nicht bei ganz geringfügigem Abweichen von gesetzten

Bedingungen eintreten zu lassen (1 Ob 193/99k = RdW 2000, 478 = ÖBA

2000, 812 = ecolex 2000, 790; RIS-Justiz RS0018357). Daher: Eine ganz

geringfügige Unterschreitung des für das Vadium festgesetzten Mindestbetrags (hier: 0,30 EUR) steht seiner Annahme durch das Exekutionsgericht nicht entgegen.

Da die (ursprüngliche) Meistbietende unmittelbar nach Aufforderung durch die den Versteigerungstermin leitende Richterin das Vadium - von einem nicht maßgeblichen, ganz geringfügigen Fehlbetrag abgesehen - in der nach den Versteigerungsbedingungen erforderlichen Höhe zu erlegen vermochte, bestand kein Anlass, die Versteigerung ausgehend von dem dem Bietgebot der Meistbietenden vorangehenden Bietgebot weiterzuführen. Das Erstgericht hätte daher der Meistbietenden den Zuschlag erteilen müssen. Die vom Rekursgericht angeordnete Verfahrensergänzung erweist sich im Hinblick auf die vom Erstgericht gewählte Vorgangsweise (Nichtannahme des Vadiums der Meistbietenden) als unvermeidlich, mag auch im Allgemeinen eine Ergänzung des Vadiums unter Fristsetzung in der EO nicht vorgesehen sein. Dem unberechtigten Rekurs muss daher ein Erfolg versagt bleiben. Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelwerbers fußt auf §§ 40, 50 ZPO iVm 78 EO.