JudikaturJustiz34R30/14b

34R30/14b – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
15. Mai 2014

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht ***** wegen Eintragung der Wortmarke KUVERTLAND über die als Rekurs zu wertende Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss der Rechtsabteilung des Patentamts vom 21.1.2013, AM 4196/2011 7, in nicht öffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird teilweise Folge gegeben.

Die angefochtene Entscheidung der Rechtsabteilung des Patentamts wird geändert und lautet:

«Die Wortmarke KUVERTLAND ist in das Markenregister für folgende Waren der Klasse 16 einzutragen:

Klasse 16 : Papier, Pappe (Karton) und Waren aus diesen Materialien, soweit sie nicht in anderen Klassen enthalten sind; Verpackungsmaterial aus Papier und Kunststoff, soweit es nicht in anderen Klassen enthalten ist; Schreibwaren.

In Bezug auf die Waren der Klasse 16 „Umschläge, Kuverts, Versandtaschen“ wird der Antrag abgewiesen.»

Der Wert des Entscheidungsgegenstands übersteigt EUR 30.000,--.

Der ordentliche Revisionsrekurs ist nicht zulässig.

Text

Begründung

Die Antragstellerin beantragte die Eintragung der Wortmarke KUVERTLAND für die im Spruch genannten Waren der Klasse 16.

Das Patentamt wies die Eintragung aus dem Grund des § 4 Abs 1 Z 3 MSchG ab, weil das Zeichen eine dem österreichischen Konsumenten verständliche und geläufige Begriffszusammensetzung sei. Sie enthalte lediglich eine allgemeine Angabe hinsichtlich des Unternehmensgegenstands und habe daher keine Unterscheidungskraft. Die Wortkombination KUVERTLAND lege den Verbraucherkreisen nahe, dass ihnen in einer Verkaufsstätte ein breites Sortiment von Waren angeboten werde, die sich allesamt auf den Gegenstand Kuvert im weitesten Sinn bezögen. Durch die vorliegende Kombination ergäbe sich kein neuer Sinngehalt, sondern es erschließe sich ein konkreter und spezifischer Sachzusammenhang zwischen den beanspruchten Waren und dem angemeldeten Zeichen.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die an die Rechts mittel abteilung des Patentamts gerichtete Be schwerde der Antragstellerin, die nach der Gesetzesänderung durch die Patent- und Markenrechts-Novelle 2014, BGBl I 2013/126, ab 1.1.2014 als Rekurs zu werten ist, über den das Oberlandesgericht Wien zu entscheiden hat (§ 77c Abs 1 MSchG, § 176b Abs 1 Z 1 PatG). Beantragt wird, den Beschluss aufzuheben und die Marke KUVERTLAND im Umfang aller beantragten Waren ins Register einzutragen.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist teilweise berechtigt.

1.1 Nach § 4 Abs 1 Z 3 MSchG sind Zeichen von der Registrierung ausgeschlossen, die keine Unterscheidungskraft haben.

Ob einer Waren-/Dienstleistungsbezeichnung Unterscheidungskraft zukommt, ist wie bei beschreibungsverdächtigen Zeichen anhand des Gesamteindrucks des Zeichens zu beurteilen (Koppensteiner, Markenrecht4 Rz 42).

Unterscheidungskräftig ist eine Marke, wenn sie unmittelbar als Hinweis auf die betriebliche Herkunft der fraglichen Waren oder Dienstleistungen wahrgenommen werden kann, so dass die maßgeblichen Verkehrskreise die Waren oder Dienstleistungen des Markeninhabers ohne Verwechslungsgefahr von denen anderer betrieblicher Herkunft unterscheiden können (EuGH C 108/97 – Chiemsee; C 104/00 P – COMPANY LINE; EuG T 471/07 – Wella AG/HABM Rn 15 mwN; EuGH C 398/08 – Audi).

Fehlt die Unterscheidungskraft, kann das Zeichen die Hauptfunktion der Marke als betrieblicher Herkunftshinweis nicht erfüllen (OBm 1/11 – OXI-Effekt mwN; 4 Ob 38/06a – Shopping City mwN; RIS-Justiz RS0118396). Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungs hindernis begründet, ist ein großzügiger Maßstab anzulegen; jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden (vgl OBm 1/13 – Malzmeister mwN). Dies bedeutet aber nicht, dass eine Marke im Zweifel zuzulassen ist. Aus Gründen der Rechtssicherheit sind Marken, deren Benutzung vor Gericht mit Erfolg entgegengetreten werden könnte, nicht einzutragen (vgl EuGH C-104/01 – Orange [Rdn 58 und 59]; C-64/02 – DAS PRINZIP DER BEQUEMLICHKEIT).

1.2 Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs gelten Zeichen als beschreibend, wenn sie für die beteiligten Verkehrskreise eine unmittelbare und ohne Weiteres erkennbare Aussage über die Art, Natur, Beschaffenheit oder Ähnliches der angemeldeten Waren oder Dienstleistungen enthalten, das heißt sie müssen sofort und ohne weiteres Nachdenken einen konkreten und direkten Bezug zwischen dem fraglichen Zeichen und den von der Anmeldung erfassten Waren und Dienstleistungen herstellen können (vgl EuGH C 326/01 – Universaltelefonbuch, Rn 33 mwN).

Enthält das Zeichen dem gegenüber nur Andeutungen, ohne die damit bezeichnete Ware oder Dienstleistung konkret oder umfassend zu beschreiben, ist es nicht bloß beschreibend und daher auch ohne Verkehrsgeltung registrierbar (RIS-Justiz RS0109431 [T3]; OBm 1/12 – Die grüne Linie). Bloße Andeutungen stehen einer Eintragung daher in der Regel nicht entgegen, so lange sie nur in phantasiehafter Weise auf bestimmte Eigenschaften hinweisen, ohne sie in sprach- oder verkehrsüblicher Form unmittelbar zu bezeichnen.

Eine beschreibende Angabe liegt auch dann nicht vor, wenn ein Zeichen nur einen Zusammenhang mit einem allgemeinen Begriff herstellt, ohne etwas Bestimmtes über Herstellung oder Beschaffenheit der Ware oder Dienstleistung auszusagen (17 Ob 33/08i – happykauf mwN; OBm 3/12 – Lounge.at). Ist somit die angemeldete Marke nicht geeignet, beim Durchschnittsverbraucher mehrheitlich eindeutige Vorstellungen über die Art, Natur oder Beschaffenheit der Ware oder Dienstleistungen hervorzurufen, ohne dass noch weitere Überlegungen über die mit einer bestimmten Bezeichnung erzielte Aussage erforderlich wären, besitzt sie Unterscheidungskraft (vgl OBm 3/11 – ATELIER PRIVE; OBm 2/13 – PRIMERA ua).

2.1 Maßgeblich für die Frage, wie ein Kennzeichen aufgefasst wird, ist das Verständnis eines angemessen gut unterrichteten und angemessen aufmerksam und kritischen Mitglieds der angesprochenen Verkehrskreise (vgl RIS-Justiz RS0114366 [T5]).

Nach ständiger Rechtsprechung (vgl EUGH C 104/00 – COMPANYLINE; C 363/99 Postkantoor ua) ist bei der Prüfung der Schutzfähigkeit das Zeichen in seiner Gesamtheit zu beurteilen. Für die damit erforderliche Berücksichtigung aller Elemente eines Zeichens ergibt sich auch die Notwendigkeit, die einzelnen Elemente zu betrachten. Bei einer Wortkombination ist die Summe der Elemente, einschließlich der sprachlichen Art der Wortverbindung, zu prüfen, um zu einer Gesamtbeurteilung zu kommen.

Der Überlegung, ob eine Wortkombination eine „lexikalische Erfindung“ ist, kommt bei der Beurteilung ihrer Unterscheidungskraft nach der Rechtsprechung keine tragende Rolle zu. Der Eintragung von Wortverbindungen in Lexika oder das Fehlen derselben kann keine Relevanz dafür zugestanden werden, welche Bedeutung die angesprochenen Verkehrskreise einer Wortkombination beimessen werden, denn es ergibt sich aus den Erfahrungen des täglichen Lebens, dass eher einzelne Begriffe Eingang in Lexika finden, aber Wortkombinationen und/oder deren Bedeutung sich häufig nur aus einzelnen Einträgen in Lexika ermitteln lassen (Asperger in Kucsko/Schumacher, marken.schutz2 § 4 Rz 94 f).

2.2 Der EuGH setzte in der Entscheidung Biomild (C 265/00) Grenzen zu weitläufigen Interpretationsmöglichkeiten in Bezug auf die sprachliche Unüblichkeit und/oder Ungewöhnlichkeit einer Wortzusammensetzung: „Eine Marke, die sich aus einer sprachlichen Neuschöpfung mit mehreren Bestandteilen zusammensetzt, von denen jeder Merkmale der Waren oder Dienstleistungen beschreibt, für die die Eintragung beantragt wird, hat selbst einen die Merkmale dieser Waren oder Dienstleistungen beschreibenden Charakter, es sei denn, dass ein merklicher Unterschied zwischen der Neuschöpfung und der bloßen Summe ihrer Bestandteile besteht; dies setzt voraus, dass die Neuschöpfung aufgrund der Ungewöhnlichkeit der Kombination in Bezug auf die genannten Waren oder Dienstleistungen einen Eindruck erweckt, der hinreichend weit von dem abweicht, der bei bloßer Zusammenfügung der ihren Bestandteilen zu entnehmenden Angaben entsteht, und somit über die Summe dieser Bestandteile hinausgeht. Es spielt keine Rolle, ob es Synonyme gibt, mit denen dieselben Merkmale der beantragten Waren oder Dienstleistungen bezeichnet werden können.“

Einer sprachlich korrekten oder nicht unüblichen Wortverbindung, die in einer schlichten Aneinanderreihung von Begriffen besteht, der ein Aussagegehalt hinsichtlich der jeweiligen Waren und Dienstleistungen innewohnt, wird daher in aller Regel – unabhängig vom Vorliegen eines lexikalischen Eintragung – die Unterscheidungskraft abzusprechen sein (Asperger aaO § 4 Rz 98).

3. Auf dieser Grundlage erachtet das Rekursgericht eine differenzierte Sicht für angebracht, bei der nach den beantragten Waren zu unterscheiden ist.

3.1 Die Wortkombination wird von den maßgeblichen Verkehrskreisen in Bezug auf die von der Anmeldung erfassten Waren – mit Ausnahme von „Umschlägen, Kuverts und Versandtaschen“ nicht als Hinweis auf eine Wareneigenschaft oder als allgemeine Angabe hinsichtlich des Unternehmensgegenstandes verstanden werden. Von einer konkreten oder umfassenden Warenbeschreibung kann daher keine Rede sein. Der Adressat wird zunächst zum Nachdenken angeregt, weil zwischen „Kuvert“ und „Land“ kein Sach- oder Sinnzusammenhang, sogar ein gewisser Bedeutungswiderspruch besteht der in dieser Kombination auch auf dem Markt nicht geläufig ist. Im „Duden“ findet man bei „Land“ folgende Bedeutungen:

Synonyme zu „Land“ sind unter anderem „Bereich, Breiten, Fläche, Gebiet, Gegend, Gelände, Landschaft, Landstrich, Region, Terrain, Umkreis, Winkel, Zone; (gehoben) Gefilde; (landschaftlich) Ecke“.

In Verbindung mit den beanspruchten Waren – „Papier, Pappe (Karton) und Waren aus diesen Materialien, soweit sie nicht in anderen Klassen enthalten sind; Verpackungsmaterial aus Papier und Kunststoff, soweit es nicht in anderen Klassen enthalten ist; Schreibwaren“ – erscheint der Begriff aber vielmehr ein phantasiehafter Hinweis, nämlich in der Hinsicht für ein Land, das in dieser Form nicht existiert.

Zuzugestehen ist, dass nach der Rechtsprechung des deutschen Bundespatentgerichts der Begriff „Land“ in Kombination mit einer Sachangabe als eine übliche Bezeichnung für eine Vertriebsstätte mit einem hinsichtlich Qualität und Vielfalt umfassenden Warensortiment angesehen wird (vgl dBPatG 29 W (pat) 47/11 – tobaccoland; 29 W (pat) 47/11; 29 W (pat) 9/05 – Logoland; 27 W (pat) 335/03 – Gardinenland ua). Ungeachtet der Frage, ob dieses Verkehrsverständnis so allgemein auch in Österreich gebräuchlich ist, kann dies aber nicht zwangsläufig dazu führen, dass dies für alle derartigen Wortkombinationen gilt. Es ist im Einzelfall bezogen auf die angemeldeten Waren zu prüfen, ob nicht doch eine Unterscheidungskraft gegeben ist. Für eine fehlende Unterscheidungskraft müsste im Sprachzusammenhang der Begriff „Land“ in einem von der Grundbedeutung abweichenden Sinn verstanden werden, nämlich als Hinweis auf ein umfassendes, weit reichendes Angebot oder eine Serie von Verkaufsstätten. Zudem muss diese Wortkombination in den maßgeblichen Verkehrskreisen gebräuchlich sein.

Ein derartiges Verständnis ergibt sich aus der Assoziation der Worte „Land“ und „Kuvert“ als „große Verkaufsfläche mit Spezialisierung ausschließlich auf den Verkauf von Kuverts“ wohl nur in Bezug auf die Waren „Umschläge, Kuverts, Versandtaschen“; nicht hingegen auf die restlich beantragten Waren, weil eine derartige Assoziation und auch Wortkombination in Österreich nicht bekannt oder gebräuchlich ist. Rein beschreibend und/oder ohne Unterscheidungskraft sind jedenfalls nur Wortkombinationen, die auch einen begrifflichen Zusammenhang mit der Bedeutung des Begriffs „Land“ herzustellen vermögen oder zumindest in dieser Form gebräuchlich geworden sind (zum Beispiel „Erbeerland“).

Der Begriff „Land“, vor allem in der Kombination mit „Kuvert“ ist nicht ausreichend im allgemeinen Sprachgebrauch verankert, um den Verkehrskreisen – wie von der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs gefordert (C 326/01 – Universaltelefonbuch, Rn 33) – eine unmittelbare und ohne Weiteres erkennbare Aussage über die Art, Natur, Beschaffenheit oder Ähnliches der im Spruch genannten Waren („Papier, Pappe [Karton] und Waren aus diesen Materialien, soweit sie nicht in anderen Klassen enthalten sind; Verpackungsmaterial aus Papier und Kunststoff, soweit es nicht in anderen Klassen enthalten ist; Schreibwaren“) zu präsentieren (vgl OBm 3/11 – ATELIER PRIVE; OBm 2/13 – PRIMERA). Aus diesem Grund wird der Durchschnittsverbraucher in Bezug auf die angeführten Waren mit KUVERTLAND keine – ohne Weiteres ersichtliche und in den Vordergrund drängende – Beschreibung des Inhalts und der damit bezeichneten Waren erkennen. Dies gilt jedoch nicht für die Waren „Umschläge, Kuverts, Versandtaschen“, weil in Bezug auf diese Waren im Sprachzusammenhang der Begriff „Land“ in einem von der Grundbedeutung abweichenden Sinn verstanden wird, nämlich als Verkaufsfläche für diese Waren.

3.2 Ist die angemeldete Marke demnach nicht geeignet, beim beteiligten Durchschnittsverbraucher mehrheitlich eindeutige Vorstellungen über die Art oder Eigenschaft der damit bezeichneten Waren hervorzurufen, besitzt sie Unterscheidungskraft (vgl 4 Ob 66/02p – Cornetto uva ) . Im Gesamteindruck fehlt hinsichtlich der Waren „Papier, Pappe (Karton) und Waren aus diesen Materialien, soweit sie nicht in anderen Klassen enthalten sind; Verpackungsmaterial aus Papier und Kunststoff, soweit es nicht in anderen Klassen enthalten ist; Schreibwaren“ somit ein unmittelbarer Bezug zur angemeldeten Marke, weil es dem Publikum nicht möglich ist, ohne weiteres Nachdenken und ohne Unklarheiten den beschreibenden Begriffsinhalt dieses Zeichen und/oder eine geläufige Begriffszusammensetzung zum Unternehmensgegenstand sofort zu erfassen. KUVERTLAND ist daher für den im Spruch ersichtliche Teil der beantragten Waren unterscheidungskräftig und auch ohne Verkehrsgeltung eintragungsfähig.

Der Beschwerde war daher zum Teil Folge zu geben.

4. Da die Entscheidung keine Rechtsfragen von der Qualität des § 62 Abs 1 AußStrG aufwarf und über den Einzelfall hinaus nicht bedeutsam ist, ist der Revisionsrekurs nicht zulässig.

In diesem Fall hat das Rekursgericht nach § 59 Abs 2 AußStrG auszusprechen, ob der Wert des Entscheidungsgegenstands, der wie hier rein vermögensrechtlicher Natur ist, aber nicht in einem Geldbetrag besteht, EUR 30.000,-- übersteigt. Diese Voraussetzung ist angesichts der Bedeutung des Markenschutzes im Wirtschaftsleben gegeben.

5. Ein Kostenersatz findet nach § 139 Z 7 PatG iVm § 37 Abs 3 MSchG nicht statt.