JudikaturJustiz34R18/14p

34R18/14p – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
25. April 2014

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht ***** wegen Eintragung der Wortmarke STEINTEC über die als Rekurs zu wertende Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss der Rechtsabteilung des Patentamts vom 20.12.2011, AM 5731/2010 6, in nicht öffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Die angefochtene Entscheidung der Rechtsabteilung des Patentamts wird geändert und lautet:

«Die Wortmarke STEINTEC ist in das Markenregister ohne die Voraussetzungen des § 4 Abs 2 MSchG für folgende Warenklassen einzutragen:

Klasse 1 : Industrieklebstoffe, Kleberschlamm (Slurry Paste); chemische Erzeugnisse zur Verwendung in Mörtel, Primer, Zement, Sand und Betonzuschlägen; chemische Erzeugnisse für Bindungszwecke und als Fugenmaterialien beim Verlegen von Steinpflaster, insbesondere Gehwegen, Haftvermittler (soweit nicht in anderen Klassen enthalten); chemische Zusatzstoffe für die vorstehend genannten Waren; chemische Bindemittelerzeugnisse.

Klasse 19 : Baustoffe (nicht aus Metall); Mörtel, einschließlich Bettungsmörtel und Fugenmörtel; Unterbau- und Haftmörtel; Betonzuschläge (soweit nicht in anderen Klassen enthalten); Zement, Pflaster und Stein; Fliesen, Kacheln, Putz; Bausand; alle vorstehend genannten Waren enthaltend chemische Zusatzstoffe.»

Text

Begründung

Die Antragstellerin beantragte die Eintragung der Wortmarke STEINTEC für die im Spruch genannten Warenklassen.

Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Patentamt die Eintragung aus dem Grund des § 4 Abs 1 Z 3 MSchG ab, weil das angemeldete Zeichen als „Steintechnik“ verstanden werde und daher die beteiligten Verkehrskreise dies lediglich als Hinweis darauf sehen würden, dass die damit gekennzeichneten Waren im Rahmen der Steintechnik verwendet/bearbeitet werden. Das Zeichen würde nicht als Kennzeichen lediglich eines Unternehmens wahrgenommen werden. Der Begriff „Steintechnik“ bezeichne ein bestimmtes Berufsfeld in der Branche der Steinbearbeitung. Das Berufsbild des Steintechnikers umfasse unter anderem das Planen von Natursteinarbeiten, das Zeichnen von Konstruktionsplänen sowie deren Ausführung. Internetfundstellen zeigten, dass der Begriff „Steintechnik“ gebräuchlich sei, selbst wenn der Begriff (noch) kein lexikalischer Fachbegriff sei. Der Sinngehalt von STEINTEC erschließe sich auch ohne lexikalische Definition unmittelbar und gehe über die Summe seiner Wortbestandteile nicht hinaus. Es fehle die Unterscheidungskraft und daher sei eine Registrierung nur unter den Voraussetzungen des § 4 Abs 2 MSchG möglich.

Dagegen richtet sich die an die Rechtsmittelabteilung des Patentamts gerichtete Beschwerde der Antragstellerin, die nach der Gesetzesänderung durch die Patent- und Markenrechts-Novelle 2014, BGBl I 2013/126, ab 1.1.2014 als Rekurs zu werten ist, über den das Oberlandesgericht Wien zu entscheiden hat (§ 77c Abs 1 MSchG, § 176b Abs 1 Z 1 PatG). Beantragt wird, den Beschluss aufzuheben und der Marke den Schutz in Österreich zu gewähren.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist berechtigt.

1.1 Nach § 4 Abs 1 Z 3 MSchG sind Zeichen von der Registrierung ausgeschlossen, die keine Unterscheidungskraft haben.

Ob einer Waren-/Dienstleistungsbezeichnung Unterscheidungskraft zukommt, ist wie bei beschreibungsverdächtigen Zeichen anhand des Gesamteindrucks des Zeichens zu beurteilen (Koppensteiner, Markenrecht4 Rz 42).

Unterscheidungskräftig ist eine Marke, wenn sie unmittelbar als Hinweis auf die betriebliche Herkunft der fraglichen Waren oder Dienstleistungen wahrgenommen werden kann, so dass die maßgeblichen Verkehrskreise die Waren oder Dienstleistungen des Markeninhabers ohne Verwechslungsgefahr von denen anderer betrieblicher Herkunft unterscheiden können (EuGH C 108/97 – Chiemsee; C 104/00 P – Companyline; EuG T 471/07 – Wella AG/HABM Rn 15 mwN; EuGH C 398/08 – Audi).

Fehlt die Unterscheidungskraft, kann das Zeichen die Hauptfunktion der Marke als betrieblicher Herkunftshinweis nicht erfüllen (OBm 1/11 – OXI-Effekt mwN; 4 Ob 38/06a – Shopping City mwN; RIS-Justiz RS0118396). Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungs hindernis begründet, ist ein großzügiger Maßstab anzulegen; jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden (OBm 1/13 – Malzmeister mwN).

1.2 Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes gelten Zeichen als beschreibend, wenn sie für die beteiligten Verkehrskreise eine unmittelbare und ohne weiteres erkennbare Aussage über die Art, Natur, Beschaffenheit oder Ähnliches der angemeldeten Waren oder Dienstleistungen enthalten, das heißt sie müssen sofort und ohne weiteres Nachdenken einen konkreten und direkten Bezug zwischen dem fraglichen Zeichen und den von der Anmeldung erfassten Waren und Dienstleistungen herstellen können (EuGH C 326/01 – Universaltelefonbuch, Rn 33 mwN).

Enthält das Zeichen dem gegenüber nur Andeutungen, ohne die damit bezeichnete Ware oder Dienstleistung konkret oder umfassend zu beschreiben, ist es nicht bloß beschreibend und daher auch ohne Verkehrsgeltung registrierbar (RIS-Justiz RS0109431 [T3]; OBm 1/12 – Die grüne Linie). Bloße Andeutungen stehen einer Eintragung daher in der Regel nicht entgegen, so lange sie nur in phantasiehafter Weise auf bestimmte Eigenschaften hinweisen, ohne sie in sprach- oder verkehrsüblicher Form unmittelbar zu bezeichnen.

Stellt ein Zeichen nur einen Zusammenhang mit einem allgemeinen Begriff her, ohne etwas Bestimmtes über Herstellung oder Beschaffenheit der Ware oder Dienstleistung auszusagen, liegt keine beschreibende Angabe vor (17 Ob 33/08i – happykauf mwN; OBm 3/12 – Lounge.at). Ist die angemeldete Marke nicht geeignet, beim Durchschnittsverbraucher mehrheitlich eindeutige Vorstellungen über die Art, Natur oder Beschaffenheit der Ware oder Dienstleistungen hervorzurufen, ohne dass noch weitere Überlegungen über die mit einer bestimmten Bezeichnung erzielte Aussage erforderlich wären, besitzt sie Unterscheidungskraft (vgl OBm 3/11 – ATELIER PRIVE; OBm 2/13 – PRIMERA ua).

2. Auf dieser Grundlage ist dem angemeldeten Zeichen die Unterscheidungskraft für die angemeldeten Waren nicht abzusprechen.

2.1 Maßgeblich für die Frage, wie ein Kennzeichen aufgefasst wird, ist das Verständnis eines angemessen gut unterrichteten und angemessen aufmerksamen und kritischen Mitglieds der angesprochenen Verkehrskreise (vgl RIS Justiz RS0114366 [T5]). Die Antragstellerin führt dazu zutreffend an, dass bei den österreichischen – im Gegensatz zu den deutschen – Verkehrskreisen der Begriff „Steintechnik“ nicht gebräuchlich ist, ebenso wenig das Berufsbild „Steintechniker“.

In Österreich existiert das Berufsbild des Steintechnikers nicht (vgl www.berufskunde.at), sondern nur jenes des Steinmetz oder anderer Berufe, die mit Stein/Steinen arbeiten. Sucht man nach dem Material Stein finden sich folgende Berufsbilder: Steinmetz, Bildhauer, Pflasterer, Keramiker, Kerammodelleur, Kristallschleiftechniker, Glasbläser und Glasinstrumenteerzeuger, Feinoptiker, Glasbautechnik (Modelberuf), Kerammaler, Glasmacher, Hohlglasveredler, Hafner, Platten- und Fliesenleger, Garten- und Grünflächengestalter, Zier pflanzengärtner, Betonfertigungstechniker, Drechs ler, Brunnen- und Grundbauer, Tiefbauer, Vergolder und Staffierer (jeweils auch in der weiblichen Form).

Allein das Steinzentrum Hallein (www.steinzentrum.org) erwähnt in Österreich den Begriff „Steintechniker“, verweist aber im Rahmen der Ausbildung auf die HTL Hallein, die dazu die Fachschulen Steinmetzerei und Bauhandwerker Steinmetze führen.

Auch der Verweis auf zwei (offensichtlich vereinzelte) Stellenausschreibungen vermag nicht zu überzeugen. Bei der einen Fundstelle handelt es sich um eine deutsches Unternehmen. Bei der anderen findet sich auf der gesamten Homepage des Unternehmens kein Bezug auf den Begriff Steintechniker.

Es ist daher davon auszugehen, dass der Begriff Steintechnik/Steintechniker kein allgemein verstandener Be griffs hinweis ist.

2.2 Basierend darauf kann – entgegen der Auffassung des Patentamts – daher nicht unterstellt werden, dass überwiegende Teile der angesprochenen Verkehrskreise in Österreich die Bedeutung des zusammengesetzten Wortes STEINTEC in Bezug auf die beantragten Waren kennen. Zwar ist der Begriff „STEIN“ als allgemein bekannt vorauszusetzen, jedoch kann die Abkürzung „TEC“ sowohl auf Technik als auch auf Technologie hinweisen.

Der Durchschnittsverbraucher wird in STEINTEC keine ohne weiteres ersichtliche und in den Vordergrund drängende Beschreibung des Inhalts der damit bezeichneten Waren erkennen, weil er nicht auf ein bestimmtes Berufsfeld in der Branche der Steinverarbeitung/Steinbearbeitung vermittelt wird, sondern (nur) zu einer Assoziation im Zusammenhang mit Steinen oder Steinverarbeitung/Stein bearbeitung.

Die Antragsstellerin weist in diesem Zusammenhang richtig darauf hin, dass es sich bei den angemeldeten Waren im Allgemeinen um Baustoffe und Baumaterialien handelt, bei denen man nicht sofort und ohne weiteres Nachdenken eine konkrete und unmittelbare Verbindung zwischen den beanspruchten Waren und dem Bedeutungsgehalt des Wortzeichens STEINTEC herstellen kann.

2.3 Ist die angemeldete Marke demnach nicht geeignet, beim beteiligten Durchschnittsverbraucher mehrheitlich eindeutige Vorstellungen über die Art oder Eigenschaft der damit bezeichneten Waren hervorzurufen, besitzt sie Unterscheidungskraft (vgl 4 Ob 66/02p – Cornetto). Im Gesamteindruck fehlt somit ein unmittelbarer Bezug der angemeldeten Marke zu den beantragten Waren der Klassen 1 und 19, weil es dem Publikum nicht möglich ist, ohne weiteres Nachdenken und ohne Unklarheiten den beschreibenden Begriffsinhalt dieses Zeichens sofort zu erfassen. STEINTEC ist daher kennzeichnungskräftig und auch ohne Verkehrsgeltung eintragungsfähig.

Der Beschwerde war Folge zu geben und die Eintragung von STEINTEC auch ohne Vorliegen der Voraussetzungen des § 4 Abs 2 MSchG anzuordnen.

3. Gegen diese Entscheidung ist kein weiterer Rechtszug vorgesehen. Ein Ausspruch über den Wert des Entscheidungsgegenstands kann daher entfallen.

4. Ein Kostenersatz findet nach § 139 Z 7 PatG iVm § 37 Abs 3 MSchG nicht statt; die Antragstellerin hat daher keine Rekurskosten verzeichnet.