JudikaturJustiz2Ob987/52

2Ob987/52 – OGH Entscheidung

Entscheidung
18. Februar 1953

Kopf

SZ 26/42

Spruch

Zur Frage der Einsicht in die Geschäftsbücher und die sonstigen Belege eines Unternehmens, an dem der Beklagte beteiligt ist.

Entscheidung vom 18. Feber 1953, 2 Ob 987, 988/52.

I. Instanz: Bezirksgericht Hernals; II. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien.

Text

Der mj. Kläger begehrte gegenüber der Beklagten, der Witwe und Rechtsnachfolgerin des Karl H., die Feststellung, daß dieser sein außerehelicher Vater gewesen sei, und ihre Verurteilung zur Unterhaltsleistung. Karl H. war Gesellschafter der C.-Gesellschaft, einer offenen Handelsgesellschaft, und außerdem Gesellschafter der Karl H. Ges. m. b. H. Franz August F. ist gegenwärtig (neben der Witwe des Karl H.) offener Gesellschafter der C.-Gesellschaft und Geschäftsführer beider Gesellschaften. Der Kläger beantragte einerseits, daß dem Franz August F. als Geschäftsführer aufgetragen werde, einem Buchsachverständigen die Einsicht in die Geschäftsbücher der offenen Handelsgesellschaft und der Gesellschaft mit beschränkter Haftung zu gewähren, und anderseits, daß der Beklagten aufgetragen werde, dem Buchsachverständigen die Einsicht in den Gesellschaftsvertrag und in die Bücher der offenen Handelsgesellschaft und der Gesellschaft m. b. H. zu gewähren.

Das Erstgericht wies den gegen Franz August F. gerichteten Antrag ab und trug der Beklagten auf, dem Buchsachverständigen die Einsicht in denGesellschaftsvertrag und in die Bücher der beiden Gesellschaften zu gewähren.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Klägers Folge und trug dem Franz August F. die Gewährung der Einsichtnahme in die Geschäftsbücher und Belege der offenen Handelsgesellschaft durch den Buchsachverständigen binnen 14 Tagen insoweit auf, als sich diese auf das Patentlizenzrecht und die Umsatzbeteiligung des Karl H. beziehen. Das Rekursgericht gab aber auch dem Rekurs der Beklagten teilweise Folge und trug ihr auf, dem Buchsachverständigen die Einsicht in die Bücher und Belege der offenen Handelsgesellschaft nur insoweit zu gewähren, als sich diese auf das Patentrecht des Erblassers und auf seine Umsatzbeteiligung beziehen, wies jedoch den weiteren Antrag des Klägers ab, der Beklagten auch aufzutragen, dem Sachverständigen die Einsichtnahme in den Gesellschaftsvertrag und in einem weiteren Umfang in die Geschäftsbücher und Belege der offenen Handelsgesellschaft sowie in die Geschäftsbücher der Gesellschaft m. b. H. zu gewähren.

Der Oberste Gerichtshof stellte auf Grund eines Revisionsrekurses der Beklagten und des Geschäftsführers Franz August F. den erstgerichtlichen Beschluß, insoweit der gegen Franz August F. gerichtete Antrag abgewiesen worden war, wieder her und gab dem Revisionsrekurs des Klägers gegen die teilweise Abweisung der begehrten Einsichtnahme nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

1. Zum Revisionsrekurs der beklagten Partei und des Franz August F.:

Der Einwand des Beschwerdeführers gegen die Auffassung des angefochtenenBeschlusses, daß es sich bei den zur Einsicht vorzulegenden Urkunden der C-Gesellschaft Karl H. um gemeinsame Urkunden im Sinne des § 308 ZPO. handelt, ist berechtigt. Da als Beweisführer die klagende Partei auftritt, kommt es nur darauf an, ob der Editionspflichtige zur Ausfolgung oder Vorlage der Urkunden nach bürgerlichem Rechte gegenüber dem Beweisführer verpflichtet ist oder dieUrkunde ihrem Inhalte nach eine dem Editionspflichtigen und Beweisführer gemeinschaftliche ist. Für eine solche Annahme bietet jedoch die Aktenlage keine Stütze. Es kann aber auch nicht uneingeschränkt der Ansicht des angefochtenen Beschlusses beigetreten werden, daß die offene Handelsgesellschaft keine juristische Person ist. Sie wird vielmehr in vielen Beziehungen wie eine juristische Person behandelt, umsomehr, seitdem die Vorschriften des ABGB. über die Gesellschaft nicht mehr anzuwenden sind (Art. 7 Nr. 1, 4. EVzHGB.; Ehrenzweig, Allgemeiner Teil. S. 195). Im Verhältnis zu den Streitparteien ist auch die offene Handelsgesellschaft C.-Karl H. als dritte Person anzusehen. Selbst wenn die Beklagte der Gewährung der Einsichtnahme in die Bücher der Gesellschaft an einen Außenstehenden zustimmt, muß eine solche gegen den Widerspruch des anderen Gesellschafters - und dies trifft hier zu - unterbleiben (§ 115 HGB.). Abgesehen davon ist der Inhalt der vorzulegenden Urkunden vom Beweisführer nicht angegeben worden (§ 303 Abs. 2 ZPO.), so daß gar keine Möglichkeit besteht, die Verpflichtung zur Vorlage zu prüfen oder den Inhalt nach § 307 Abs. 2 ZPO. als erwiesen anzunehmen. Weder die Bestimmung des § 303 noch die des § 308 ZPO. dient der Durchführung bloßer Erkundungsbeweise (28. Mai 1934, Rsp. 1934, Nr. 266). Auf die Frage, ob mit der Vorlage der Geschäftsbücher und Belege der C.-Gesellschaft in dem vom angefochtenen Beschluß eingeschränkten Sinne die Gefahr einer strafgerichtlichen Verfolgung dritter Personen oder die Verletzung eines Geschäftsgeheimnisses verbunden sein würde, braucht demnach gar nicht eingegangen zu werden, weil nach den vorstehenden Ausführungen dem Revisionsrekurs auf jeden Fall Folge zu geben und der erstgerichtliche Beschluß wieder herzustellen war.

2. Zum Revisionsrekurs der klagenden Partei: Der abweisende Teil des angefochtenen Beschlusses ist schon deshalb gerechtfertigt, weil sich die vorzulegenden Urkunden nicht in der Hand der beklagten Partei, sondern bei dritten Personen, nämlich der C.-Gesellschaft Karl H. und der Karl H. Ges. m. b. H. befinden. Ein Auftrag konnte sich daher nur gegen diese Gesellschaften als dritte Personen (§ 308 ZPO.) richten, und zwar auch nur, wenn es sich um zwischen dem Editionspflichtigen und Beweisführer gemeinschaftliche Urkunden handelt oder der Dritte zur Herausgabe nach bürgerlichem Recht verpflichtet ist. Der Hinweis des Revisionsrekurses auf die Begründung des erstgerichtlichen Beschlusses, daß die Einsicht in den Notariatsakt und die Bücher der Karl H. Ges. m. b. H. notwendig sei, da nur auf diese Art festgestellt werden könne, ob und welche Vermögensobjekte der Beklagten anläßlich des Todes ihres Gatten zugekommen sind und wie weit der frühere Notariatsakt etwa nur ein Scheinvertrag ist, zeigt deutlich auf, daß die Vorschriften über Urkundenvorlage sowohl vom Beschwerdeführer wie vom Erstgerichte mißverstanden werden. Der Beweisführer hat möglichst genau anzugeben, was durch die vorzulegenden Urkunden bewiesen werden soll, nicht aber steht ihm das Recht zu, bloße Erkundungsbeweise zu führen.