JudikaturJustiz2Ob9/16m

2Ob9/16m – OGH Entscheidung

Entscheidung
25. Februar 2016

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Veith und Dr. Musger, die Hofrätin Dr. E. Solé und den Hofrat Dr. Nowotny als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach Mag. C***** R*****, verstorben am ***** 2013, zuletzt wohnhaft *****, über den Revisionsrekurs der Mag. B***** S*****, vertreten durch Diwok Hermann Petsche Rechtsanwälte LLP Co KG in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts St. Pölten als Rekursgericht vom 18. November 2015, GZ 23 R 243/15f 59, womit infolge Rekurses der Einschreiterin der Beschluss des Bezirksgerichts Purkersdorf vom 19. Mai 2015, GZ 1 A 210/13a 45, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden dahingehend abgeändert, dass der erstinstanzliche Beschluss ersatzlos behoben wird.

Text

Begründung:

Der Erblasser verstarb ohne Hinterlassung einer letztwilligen Anordnung; seine gesetzlichen Erben sind die beiden minderjährigen Kinder aus der vormaligen Lebensgemeinschaft mit der Revisionsrekurswerberin.

Im Zeitpunkt seines Todes waren der Erblasser und die Revisionsrekurswerberin Eigentümer eines Liegenschaftsanteils verbunden mit dem Wohnungseigentum an einem Wohnungseigentumsobjekt. Im Laufe des Verlassenschaftsverfahrens ordnete das Erstgericht sowohl die Aufnahme des Hälftewohnungseigentums als auch der darin befindlichen Fahrnisse in das Inventar an. Beide Beschlüsse wurden rechtskräftig. In einem Sachverständigengutachten wurde die Eigentumswohnung mit insgesamt 145.000 EUR bewertet, der Übernahmspreis iSd § 14 Abs 2 WEG beträgt daher 72.500 EUR. Der gesamte Reinnachlass laut Inventar beläuft sich auf 735.405,08 EUR.

Mit dem nunmehr bekämpften Beschluss trug das Erstgericht der Revisionsrekurswerberin von Amts wegen auf, binnen vier Wochen den Übernahmspreis in Höhe des halben Verkehrswerts des Mindestanteils von 72.500 EUR zugunsten der minderjährigen Kinder sicherzustellen. Es sprach weiters aus, dass die Sicherstellung durch Hinterlegung eines Geldbetrags aber auch durch Einverleibung eines Pfandrechts erfolgen könne. Dieser Beschluss wurde nicht begründet.

Das Rekursgericht hob diese Entscheidung nunmehr (vgl 2 Ob 166/15y) auf und trug dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung auf. Der Beschluss des Erstgerichts enthalte keine Begründung, bedürfe aber einer solchen, weil er in die Rechte der Rechtsmittelwerberin eingreife und auch nicht erkennbar sei, ob damit die erste oder die zweite Stufe der in § 176 Abs 2 AußStrG vorgesehenen Vorgangsweise verwirklicht werden sollte. Eine ersatzlose Behebung, wie sie der Rekurs anstrebe, komme dagegen nicht in Frage, weil nach § 176 AußStrG das Verlassenschaftsgericht verpflichtet sei, für die Wahrung der Rechte der minderjährigen Noterben zu sorgen.

Den ordentlichen Revisionsrekurs ließ das Rekursgericht zu, weil fraglich sei, ob § 176 AußStrG auch für den Fall der Sondererbfolge nach § 14 WEG zumindest analog anzuwenden sei. Der Übernahmspreis für den Liegenschaftsanteil des Verstorbenen mache nur rund ein Zehntel des Reinnachlasses aus, eine Beeinträchtigung des Pflichtteils könne daher nicht vorliegen. Die Formulierung des § 176 Abs 1 AußStrG spreche nicht ausdrücklich von Pflichtteilsansprüchen, sondern allgemein von „anderen erbrechtlichen Ansprüchen als die eines Erben“. Dies könne auch die aus der Sonderrechtsnachfolge, wie sie in § 14 WEG geregelt sei, erfließenden Ansprüche mitumfassen. Dazu fehle aber Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs.

Die Revisionsrekurswerberin zitiert in der Zulassungsrüge diese Ausführungen des Rekursgerichts und vertritt inhaltlich die Ansicht, dass § 176 AußStrG in der hier vorliegenden Konstellation nicht anzuwenden sei. Eine Gesetzeslücke bestehe nicht; den minderjährigen Erben stehe kein Recht auf Sicherstellung eines etwaigen Anspruchs auf Zahlung des Übernahmspreises zu.

Eine Revisionsrekursbeantwortung wurde nicht erstattet.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig im Sinne der Ausführungen des Rekursgerichts; er ist auch berechtigt .

1. Unter der Überschrift „Zur Einantwortung erforderliche Nachweise“ regelt § 176 Abs 1 AußStrG, dass alle Personen, denen an der Verlassenschaft andere erbrechtliche Ansprüche zustehen als die eines Erben, von den Erben vor der Einantwortung nachweislich zu verständigen sind. Nach Abs 2 leg cit ist im Falle, dass Pflegebefohlenen Ansprüche nach Abs 1 zustehen, die noch nicht erfüllt sind, vor der Einantwortung Sicherheit zu leisten (§ 56 ZPO). Diese kann auch beim Gerichtskommissär hinterlegt werden. Wird die Sicherheit trotz fristgebundener Aufforderung nicht erlegt, hat das Verlassenschaftsgericht den Erlag mit vollstreckbarem ( Sailer in Gitschthaler/Höllwerth , AußStrG § 176 Rz 5; Bittner in Rechberger , AußStrG 2 § 176 Rz 1) Beschluss aufzutragen. Nach Abs 3 der Bestimmung kann die Sicherheit auch aus dem Verlassenschaftsvermögen gestellt werden.

Dem Gesetzeswortlaut folgend ist daher eine Sicherheit nur dann zu leisten und daher auch aufzutragen , wenn Pflegebefohlenen andere als die Ansprüche eines Erben zustehen (vgl auch Fucik/Kloiber AußStrG § 176 Rz 3). Dass der Gesetzgeber damit grundsätzlich den am Verlassenschaftsverfahren beteiligten Erben Pflichten auferlegen wollte, erhellt auch aus § 176 Abs 3 AußStrG.

Nach den Materialien zu § 176 AußStrG (224 BglNR 22 GP 111, abgedruckt auch in Fucik/Kloiber , bei § 176) sollte von der bis dahin bestehenden Vielzahl von Ausweisen abgegangen werden. Als Einantwortungsvoraussetzungen sind daher seither nur noch bestimmte Nachweise zu erbringen, die von der in § 176 Abs 1 AußStrG vorgegebenen Art der Begünstigung abhängen. Alle auf die Verlassenschaft bezogenen Rechte, die sich aus dem Recht der Vermögensnachfolge von Todes wegen („erbrechtliche Ansprüche“) ergeben, ohne eine Erbenstellung zu verleihen, sind vor der Einantwortung zu berücksichtigen, insbesondere die Pflichtteilsansprüche und Ansprüche aus Vermächtnissen, während jegliche Erbenstellung, sei es aus Gesetz, letztwilliger Verfügung oder Erbvertrag, von der Nachweispflicht nicht berührt wird. Insbesondere sollte demnach bei minderjährigen Erben kein „Endausweis“ als Voraussetzung für die Einantwortung normiert werden.

Nun sind im vorliegenden Fall die Minderjährigen aber die gesetzlichen Erben nach ihrem Vater, wohingegen der Rechtsmittelwerberin als dessen ehemaliger Lebensgefährtin keine erbrechtlichen Ansprüche (zu § 14 WEG s Pkt 4.) zukommen. Die vom Gesetzgeber angeordnete Sicherstellung als „zur Einantwortung erforderlicher Nachweis“ geht daher hier von vorneherein fehl, weil nur eine Einantwortung an die Minderjährigen selbst in Frage kommt.

Auch stehen den Minderjährigen hier keine Ansprüche „nach Abs 1“ zu, weil ihre Pflichtteilsansprüche mit der Einantwortung als Erben bei weitem erfüllt werden und ihnen § 176 AußStrG insoweit keine „Voraberfüllung“ zugesteht.

2. Zwar hat der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung 5 Ob 251/04d auf Basis des § 162 AußStrG aF einen Pflichtteilsausweis des Vaters, dem der Wohnungseigentumsanteil zugewachsen war, über die Sicherung der Rechte des mj Noterben gefordert, der Vater war in dieser Entscheidung aber im Gegensatz zum hier vorliegenden Sachverhalt der einzige, der im damaligen Verfahrensstadium eine Erb (antritt )serklärung abgegeben hatte.

Auch der Sachverhalt der Entscheidung 5 Ob 29/93 SZ 66/39 ist nicht vergleichbar, war doch dort der Nachlass der Witwe auf Abschlag der Begräbniskosten überlassen worden und erst nachträglich das Ehegattenwohnungseigentum des Erblassers am halben Mindestanteil hervorgekommen.

3. Ob bei der hier gegebenen erbrechtlichen Konstellation eine analoge Anwendung des § 176 AußStrG zur Sicherung der Pflichtteilsansprüche der Minderjährigen in Fällen in Frage kommen könnte, in denen eine Verletzung dieser Pflichtteile zu besorgen wäre, braucht schon deshalb nicht untersucht werden, weil dies vorliegend wie bereits das Rekursgericht ausgeführt hat nicht zu befürchten ist.

4. Abgesehen davon wäre die Rechtsmittelwerberin auch aus folgenden Gründen nicht zur Sicherstellung verpflichtet:

Im Gegensatz zu dem nach dem früheren § 10 WEG 1975 in Form eines Vermächtnisses gekleideten Eigentumszuwachs ist die gesetzliche Anwachsung nach § 14 WEG 2002 idF der „grundsätzlichen Revision“ durch die WRN 2006 ( Gantner Doshi in Hausmann/Vonkilch , Österreichisches Wohnrecht 3 , § 14 WEG Rz 1) anders konzipiert (vgl 5 Ob 251/04d). Es handelt sich dabei um eine wohnungseigentumsrechtliche Anwachsung sui generis ohne erbrechtliche Anknüpfung und nicht mehr um ein Vindikationslegat ( Gantner Doshi aaO Rz 7; Würth/Zingher/Kovanyi , Miet und Wohnrecht 23 § 14 WEG Rz 4), somit um eine Sonderrechtsnachfolge von Todes wegen und nicht mehr um eine Sondererbfolge, auf welche die erbrechtlichen Regelungen anzuwenden wären ( S. Gantner aaO; Würth/Zingher/Kovanyi aaO Rz 3). Die Akkreszenz in das Eigentum des Überlebenden erfolgt nach § 14 Abs 1 Z 1 WEG unmittelbar, ohne dass es eines besonderen Erwerbungsakts bedürfte (8 Ob 22/13p). Die Revisionsrekurswerberin ist daher nicht als (Sonder )Erbin und insofern als im Sinne des § 176 AußStrG allenfalls zur Sicherheitsleistung Verpflichtete anzusehen, auch wenn § 14 WEG nicht gewisser „erbrechtlicher Einschläge“ entbehrt (vgl Gantner Doshi aaO Rz 8 ff).

5. Dem erstgerichtlichen Beschluss fehlt es daher an einer gesetzlichen Grundlage, weshalb er ersatzlos zu beheben war.